Frankreich alarmiert:
„Der Antisemitismus breitet sich aus wie ein Gift“
Frankreichs Innenminister Christophe Castaner schlägt angesichts des drastischen Anstiegs antisemitischer Übergriffe in seinem Land Alarm. Demnach verzeichnete man im vergangenen Jahr 541 Fälle - eine Zunahme um 74 Prozent im Vergleich zu 2017. „Der Antisemitismus breitet sich aus wie ein Gift“, sagte Castaner am Dienstag. Der jüdische Dachverband forderte einen „Ruck“ durch die Gesellschaft, der Hass sei tief in der Bevölkerung verankert. Beobachter machen dafür vor allem die „islamistische Radikalisierung“ verantwortlich.
Castaner äußerte sich bei einer Gedenkzeremonie im Pariser Vorort Sainte-Genevieve-des-Bois. Dort war der Jude Ilan Halimi 2006 verschleppt und drei Wochen lang von jungen Muslimen aus seiner Nachbarschaft gefoltert worden. Der 23-Jährige verstarb, während er in ein Krankenhaus gebracht wurde. Ein Denkmal für den jungen Mann wurde kurz vor seinem 13. Todestag am Mittwoch geschändet.
Empörung nach brutalem Mord von Muslim an 85-jähriger Jüdin
2018 hatte vor allem die brutale Ermordung der 85-jährigen Jüdin und Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll für landesweite Empörung gesorgt. Ihre von Messerstichen übersäte und teilweise verbrannte Leiche wurde in ihrer Pariser Sozialwohnung gefunden. Tatverdächtig ist unter anderem ein muslimischer Nachbar, dem die Ermittler Antisemitismus vorwerfen.
„Lautlose ethnische Säuberung“ durch „islamistische Radikalisierung“
Einflussreiche Politiker, Künstler und Intellektuelle prangerten daraufhin in einem Manifest eine „lautlose ethnische Säuberung“ an, die auf eine „islamistische Radikalisierung“ zurückzuführen sei. In Frankreich leben schätzungsweise vier bis fünf Millionen Muslime, so viele wie in keinem anderem Land der EU. Die Zahl der Juden wird auf gut eine halbe Million geschätzt.
Einen vorläufigen Höhepunkt hatten die antisemitischen Übergriffe bei der islamistischen Anschlagsserie 2015 mit 808 Fällen erreicht. Dazu zählten vier Menschen, die im Jänner 2015 in Paris bei einer islamistischen Geiselnahme in einem Geschäft der jüdischen Supermarktkette Hyper Cacher getötet wurden. In den beiden Folgejahren sank die Zahl der Übergriffe zunächst.
„Inakzeptable Schmierereien“ am Rande von „Gelbwesten“-Demos
Für den nunmehrigen Anstieg macht die Regierung die Protestbewegung der „Gelbwesten“ mitverantwortlich. Am Rande ihrer Kundgebungen tauchten oft „absolut inakzeptable antisemitische Schmierereien“ auf, hieß es. Solche waren in Paris am Wochenende gefunden worden. So hatten etwa Unbekannte auf das Schaufenster einer Bagel-Bäckerei auf Deutsch das Wort „Juden“ gesprüht. Zudem wurden Briefkästen mit dem Porträt der verstorbenen Politikerin und Auschwitz-Überlebenden Simone Veil mit Hakenkreuzen beschmiert.
„Judenhure“: Auch antisemitische Ausfälle gegen Präsident Macron
Auch gab es antisemitische Schmähungen gegen Präsident Emmanuel Macron. Auf einem Garagentor im Zentrum der Hauptstadt wurde Macron als „Judenhure“ bezeichnet. Eine ähnliche Inschrift wurde am Sitz der Zeitung „Le Monde“ gefunden. Der Präsident hatte früher als Investmentbanker bei Rothschild gearbeitet.
„Der Hass auf Juden paart sich mit dem Hass auf die Demokratie“
Innenminister Castaner kündigte nun ein hartes Vorgehen gegen Antisemitismus an. Der dafür zuständige Beauftragte der französischen Regierung, Frederic Potier, sprach von „harten juristischen Schritten“. Er warnte davor, dass sich „der Hass auf Juden mit dem Hass auf die Demokratie paart“. Potier und der deutsche Antisemitismus-Beauftragte Felix Klein hatten im Dezember bei einem Treffen in Paris eine enge diesbezügliche Zusammenarbeit und eine Initiative auf EU-Ebene vereinbart.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.