„Österreichs Position“

Worüber Kurz und Trump im Weißen Haus sprechen

Österreich
16.02.2019 06:00

Der politische Blick der USA auf Österreich ist unterbelichtet. Nach 14 Jahren langsam unheimlich gewordener Pause darf am Mittwoch (20 Uhr unserer Zeit) wieder ein Bundeskanzler im Oval Office des Weißen Hauses Platz nehmen. Es ist also höchste Zeit. Sebastian Kurz will im Gespräch mit US-Präsident Donald Trump „Klarheit über Österreichs Position schaffen“.

Trumps Interesse an Kurz zu wecken war mit zwei Argumenten möglich: Er ist der junge, ja der jüngste Regierungschef überhaupt, aus dem Nachbarland von Gattin Melanias alter Heimat Slowenien, der so wie Trump die illegale Einwanderung kappt und sein Land politisch umdreht.

Kurz: „Wollen gute Kontakte zu den USA“
Nach der langen „Funkstille“ zwischen den USA und dem aus US-Sicht NATO-Verweigerer Österreich hat sich ziemlicher Gesprächsbedarf aufgestaut. Kurz ist froh, dazu Gelegenheit zu haben: „Wir wollen gute Kontakte zu den Mächten in Ost und West, also natürlich auch zu den USA.“

Das Weiße Haus in Washington (Bild: APA/EPA/Michael Reynolds)
Das Weiße Haus in Washington

Was wird es alles zu besprechen geben? Wo sind die Stolpersteine?

  • Nord Stream 2. Kurz zur „Krone“: „Wir haben logischerweise großes Interesse an Energiesicherheit. Je mehr Anbieter es gibt, desto besser. Je mehr Routen es gibt, desto besser. Daher sehen wir neue Routen - wie jene direkt über die Ostsee - positiv. Allerdings sind dabei auch die Interessen der Ukraine zu wahren. Angebote für Flüssiggas per Tankschiffen sind für uns ebenfalls interessant. Niemand hat ein Interesse an einseitiger Abhängigkeit, aber es ist natürlich auch eine Preisfrage.“
Rohre für die Gaspipeline (Bild: APA/dpa-Zentralbild/Jens Büttner)
Rohre für die Gaspipeline
  • Russland-Lastigkeit? Kurz: „Ich sehe keine Abhängigkeit. Wir sind ein neutrales Land, fest verankert in der EU. Vielfältige gute Kontakte sind uns ein großes Anliegen. Russland hat uns traditionell fester am Beziehungs-Radar als die USA. Deshalb bin ich froh, die Möglichkeit zu bekommen, mich mit Trump auszutauschen.“
Die Außenministerin wagte mit Putin ein Tänzchen - wegen des Knicks danach geriet sie in Kritik. (Bild: AP)
Die Außenministerin wagte mit Putin ein Tänzchen - wegen des Knicks danach geriet sie in Kritik.
  • Handelskrieg USA/EU. Der Kanzler: „Die USA sind für uns ein enorm wichtiges Land, wirtschaftlich die Nummer zwei nach Deutschland. Unsere Exporte in die USA erreichen zehn Milliarden Euro, noch dazu mit einem Handelsüberschuss. Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, dass es zu keinem Handelskrieg zwischen EU und USA kommt. Ich hoffe, dahin gehend im Weißen Haus einwirken zu können. Jeder sechste Euro wird in unserer Wirtschaft im Export verdient. Ein Handelskrieg würde Tausende Arbeitsplätze in Europa gefährden, auch bei uns.“
Die EU revanchiert sich für die US-Strafzölle: Die Waffen der Union sind Importzölle unter anderem auf Whiskey und Harley-Motorräder. (Bild: AFP, commons.wikimedia.org, krone.at-Grafik)
Die EU revanchiert sich für die US-Strafzölle: Die Waffen der Union sind Importzölle unter anderem auf Whiskey und Harley-Motorräder.
  • Huawei eine Gefahr? Kurz: „Das ist eine sehr sensible Frage mit großen Auswirkungen. Wir verstehen die Sicherheitsbedenken der USA und anderer. Ich möchte zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber noch keine Festlegung treffen.“
(Bild: AP)
  • Grenzschließung: Kurz: „Ich habe keine Befürchtung, wegen der Schließung der Balkanroute als Vorbild für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko vereinnahmt zu werden. Natürlich hat jeder Staat das Recht, Zuwanderung auf seine Weise zu steuern. Jedes Land hat das Recht, seine Grenze zu schützen und gegen Schlepper vorzugehen. Mit welchen Hilfsmitteln, entscheidet der Staat selbst. Wir setzen auf ein ,Smart and Secure Borders‘-Regime. Das ist aus österreichischer Sicht die beste Form des Grenzschutzes, also klassische Sicherheits-Patrouillen mit technischen Hilfsmitteln wie Zäunen, Wärmebildkameras und Drohnen.“ („Smart and Secure Borders“ wurde 2011 von der EU-Kommission ins Leben gerufen und bedeutet im Wesentlichen Anwendung von automatisierten Hightech-Maßnahmen im Tiefenbereich des Grenzraums.)
Prototyp für die US-Grenzmauer zu Mexiko (Bild: AFP)
Prototyp für die US-Grenzmauer zu Mexiko

Flüssiggas hat Zukunft
 Die Abhängigkeit von russischem Gas gilt als „strategische Verwundbarkeit“ Europas. Jede marktbeherrschende Stellung kann auch für die Durchsetzung politischer Ziele herangezogen werden. Wegen des Ausstiegs aus Kohle- und später auch Atomkraft als Energiequelle wird Europa in den kommenden Jahren einen massiv wachsenden Erdgasbedarf haben, der weit über die Möglichkeit russischer Pipelines hinausreicht. Die zusätzlichen Mengen müssen mit Flüssiggas gedeckt werden. Das ist auch die Chance für die USA, die durch Fracking zum Gas-Exporteur geworden sind. Es geht nur noch darum, wie die enormen Investitionskosten für einen Entlade-Hafen in Europa aufgebracht werden.

(Bild: APA/EPA/Eustream/Handout)

Historischer Rückblick der Kanzlervisiten
Die Beziehungen österreichischer Kanzler zu den Chefs im Weißen Haus sind durchwachsen. Während des Kalten Kriegs stand der Ballhausplatz treu zur amerikanischer Seite. Die USA galten als die Schutzmacht. Die Neutralität verpflichtet zur militärischen Neutralität, nicht zur Gesinnungsneutralität. Unter Bruno Kreisky noch als Außenminister entdeckte Österreich die Rolle des Vermittlers und förderte die Entspannungspolitik zwischen den Blöcken. Es kam zu mehreren amerikanisch-sowjetischen Gipfeltreffen in Wien.

Bundeskanzler Alfons Gorbach (li.) 1962 bei John F. Kennedy (Bild: Abbie Rowe/JFK Library)
Bundeskanzler Alfons Gorbach (li.) 1962 bei John F. Kennedy
Bruno Kreisky (Bild: APA/Robert Jäger)
Bruno Kreisky

Die Pionierrolle Kreiskys in der Nahostpolitik (Gaddafi, Arafat) führte allerdings auch zu Konflikten, je nachdem, wer im Weißen Haus saß: Präsident Jimmy Carter hatte ein mehr oder weiger offenes Ohr dazu, Ronald Reagan und seine Mannschaft hatten keines für Kreiskys Argumente.

Franz Vranitzky (re.) im Jahr 1987 bei Ronald Reagan (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Franz Vranitzky (re.) im Jahr 1987 bei Ronald Reagan

Wolfgang Schüssel war der vorerst letzte Kanzlergast im Weißen Haus, allerdings unter wenig glorreichen Umständen. Schüssel flog in Vorbereitung des österreichischen EU-Vorsitzes 2005 nach Moskau und von dort direkt nach Washington. Welch ein Unterschied! Im Kreml das volle Staatsprotokoll, in Washington ein Zwischendurch-Termin im Weißen Haus und ohne Medien.

Wolfgang Schüssel (li.) 2005 bei George W. Bush (Bild: AFP)
Wolfgang Schüssel (li.) 2005 bei George W. Bush

Die USA störte noch immer, dass Österreich die Möglichkeit eines NATO-Beitritts nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht wahrgenommen hatte - so wie seine östlich/südöstlichen Nachbarn. Schüssel wäre dazu bereit gewesen, die SPÖ nicht. Außerdem stand damals international Jörg Haider am Pranger.

Nach Schüssel versanken die politischen Beziehungen USA - Österreich in einen Dornröschenschlaf. Österreich war für Washington einfach nicht wichtig genug. Noch dazu gilt Österreichs Politik aus Sicht des politischen Establishments der USA als eigenbrötlerisch-russlandlastig und das Gipfeltreffen Trump - Putin fand trotz heftiger Bemühungen von Kanzler Kurz und großem Wohlwollen Putins zwar in Europa, aber nicht der Tradition gemäß in Wien, sondern in Helsinki statt.

„Österreich verdient die Aufmerksamkeit der USA“
„Ich möchte, dass man in Washington sieht, was ich hier in Österreich sehe. Österreich verdient die Aufmerksamkeit in den USA“ - so beschreibt US-Botschafter Trevor Traina den Kanzlerbesuch, den er eingefädelt hatte. „Kurz brachte Österreich auf die Weltbühne zurück, er spricht für Europa und angesichts seines Alters ist er auch eine Hoffnung für Europa.“

US-Botschafter Trevor D. Traina (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
US-Botschafter Trevor D. Traina

Unterschiedliche Ansichten wie die Haltung zum Atomwaffenvertrag mit dem Iran oder die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 seien kein Grund, keinen Dialog zu führen, so Washingtons Mann in Wien. „Ganz im Gegenteil: Man muss darüber reden.“

Kurt Seinitz, Kronen Zeitung

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