Bundeskanzler Sebastian Kurz hat US-Präsident Donald Trump im Vorfeld seiner Washington-Visite „zum Teil eine sehr aktive und auch sehr erfolgreiche Außenpolitik“ attestiert und konkret die mit dessen Drohungen erreichte Aufstockung der Verteidigungsbudgets der NATO-Staaten genannt. In einem Interview lobte der Kanzler und ÖVP-Chef am Wochenende auch den Einsatz des US-Präsidenten für Israel und im Nordkorea-Konflikt.
„Zu Russland haben wir traditionell gute Kontakte. Die USA haben Österreich in der Vergangenheit eher wenig Aufmerksamkeit geschenkt, sind zur Zeit aber unser wichtigster Wirtschaftspartner nach Deutschland“, sagte Kurz im Vorfeld seines für Mittwoch geplanten Treffens mit Trump der „Presse am Sonntag“. „Umstritten hin oder her: Der US-Präsident ist der mächtigste Mann der Welt“, sagte Kurz auf die Frage, was er an Trump schätze. „Es ist auf jeden Fall eine besondere Leistung, überhaupt US-Präsident zu werden.“
Kurz räumte ein, dass Österreich und die USA beim Iran-Atomabkommen unterschiedlicher Meinung seien, „auch wenn uns das Raketenprogramm und die aggressive Regionalpolitik der Iraner nicht gefallen. Doch Trumps Engagement für eine friedliche Lösung auf der Koreanischen Halbinsel oder auch seine klare Unterstützung für Israel sehe ich sehr positiv.“
„Nicht so unterschreiben“ würde Kurz auch, dass Trump mit seiner umstrittenen Abzugspolitik aus Syrien und Afghanistan ein außenpolitisches Vakuum hinterlasse. Vielmehr sei Trumps Außenpolitik „zum Teil sehr erfolgreich“: „Die USA haben jahrzehntelang vergeblich von ihren NATO-Partnern höhere Verteidigungsausgaben gefordert. Gewirkt haben erst die Drohungen Trumps. Das sehen wir als neutrales Land, das für Abrüstung eintritt, eher kritisch, aber es entspricht den selbst gesetzten Zielen der NATO.“
Trumps Handelspolitik als „problematischster Punkt“
Der „problematischste Punkt“ für Österreich sei Trumps Handelspolitik. „Jede Form des Protektionismus ist brandgefährlich für uns“, verwies Kurz auf die zahlreichen von der Exportwirtschaft abhängigen Jobs in Österreich. „Die Hauptmission der Reise nach Washington besteht darin, den wirtschaftlichen Austausch mit den USA zu fördern und dazu beizutragen, einen Handelskrieg abzuwenden.“ Eine Neuauflage des umstrittenen EU-USA-Freihandelsabkommens TTIP ist für Kurz aber kein Thema, weil dieses Abkommen „gescheitert ist“.
Diplomatisch äußerte sich Kurz in der Klimapolitik. „Gerade im Kampf gegen den Klimawandel können wir nur erfolgreich sein, wenn alle Staaten dieser Welt einen Beitrag leisten“, sagte er. Zugleich wies er darauf hin, dass nach dem Ausstieg Trumps aus dem Klimaabkommen viele US-Bundesstaaten „weiterhin klimapolitisch engagiert“ seien. Zur Freude Trumps mit dem Brexit sagte Kurz, dass der US-Präsident „in einzelnen Fragen andere Zugänge“ habe. „Aber ich glaube nicht, dass es im amerikanischen Interesse sein kann, eine schwache EU zu haben“.
Verständnis äußerte Kurz für die US-Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit dem chinesischen Technologiekonzern Huawei, der auch in Österreich ein aussichtsreicher Bewerber für den Bau der neuen Mobilfunk-Infrastruktur („5G“) ist. „Wir werden aber nicht einzelne Anbieter per se ausschließen“, sagte der Kanzler. Mittelfristig sollte es das Ziel sein, „auf europäische Firmen zurückgreifen zu können“, so Kurz, der in dem Interview auch seine Sorge um ein Zurückbleiben Europas im Vergleich zu anderen Teilen der Welt bekräftigte.
„Bei vielen Europäern hat ein Sättigungsgefühl eingesetzt“
„Bei vielen Europäern hat ein Sättigungsgefühl eingesetzt. Das halte ich für gefährlich. Egal wo man unterwegs ist, in Südkorea, Israel oder anderswo: Es gibt viele Regionen in der Welt, die nicht nur aufholen, sondern uns mittlerweile im Eiltempo überholen“, sagte der Kanzler.
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