Historische Wende
Missbrauchsgipfel: Papst bricht das Schweigen
Die Erwartungen an Papst Franziskus sind hoch. Bis Sonntag tagt die Spitze der Bischofskonferenz im Vatikan, um über die vertuschten Missbrauchsfälle in der Kirche zu sprechen. Ziel des viertägigen Gipfels ist es, dass künftig Verantwortung bei Misshandlungen übernommen wird. Eine historische Wende.
Zum ersten Mal in der katholischen Geschichte spricht ein Pontifex das Thema Missbrauch in den eigenen Reihen so offen an. Papst Franziskus steht dieser Tage im Rampenlicht und von ihm wird viel gefordert. „Mut und konkretes Handeln“ forderte der Papst in seiner Ansprache von den mehr als 100 Bischöfen, die bis Sonntag über Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen der Kirche beraten.
Papst legte 21-Punkte-Vorschlag vor
Der Papst legte den Teilnehmern einen 21-Punkte-Vorschlag mit konkreten Schritten vor, die Bischöfe im Umgang mit Missbrauchsfällen berücksichtigen sollten. Ein Aspekt betrifft die Anhebung des kanonischen Mindestalters für Heirat auf 16 Jahre. Missbrauchsopfer sollen zudem „begleitet, geschützt und (therapeutisch, Anm.) behandelt“ werden. Die Kirche solle ihnen die notwendige Unterstützung für eine „volle Genesung“ garantieren. Das Bewusstsein über Ursachen und Folgen von sexuellem Missbrauch solle dank der permanenten Fortbildung von Bischöfen und Kirchenleuten gefördert werden.
Anzeigepflicht gegen Priester bei Missbrauchsverdacht
Italiens Geistliche werden schon erste Konsequenzen ziehen und setzen sich für eine Anzeigepflicht gegen Priester bei Missbrauchsverdacht ein. Bereits im Mai könnte diese Maßnahme bei der italienischen Bischofskonferenz beschlossen werden. Bisher gab es im Vatikan keine Anzeigepflicht. Durch die zahlreichen Negativschlagzeilen haben sich immer mehr Gläubige von der Kirche abgewandt. Mit dem Gipfel erhofft sich der Pontifex, das Vertrauen zurückzugewinnen.
„Von Kultur des Schweigens zur Kultur der Wahrheit“
Der maltesische Erzbischof Charles Scicluna, Chefaufklärer des Papstes für Sexualverbrechen von Klerikern, rief die Bischöfe auf, in Sachen Kindesmissbrauch von einer „Kultur des Schweigens zu einer Kultur der Wahrheit“ überzugehen. Bischöfe sollten im Umgang mit sexuellem Missbrauch nicht allein gelassen werden. „Bischöfe sind Hirten und sind für die Sicherheit der Kinder verantwortlich. Sie sind Feinde von all jenen, die die Sicherheit der Kinder gefährden“, so Scicluna bei einem Pressebriefing. Der Chefankläger meinte, Missbrauchsopfer sollten bei Kirchenverfahren eine wesentlichere Rolle spielen können. Außerdem sei eine aufmerksamere Beurteilung der Priesterseminaristen notwendig.
Priester berichtet von Missbrauch im Seminar
Der italienische Priester Vinicio Albanesi hat berichtet, als junger Seminarist von Priestern sexuell missbraucht worden zu sein. „50 Jahre lang habe ich all dies in mir herumgetragen. Doch ich hatte nie Schuldgefühle. Nicht ich, sondern die Priester waren schuldig, und dieser Gedanke hat mir geholfen“, so Albanesi im Interview mit dem vatikanischen Fernsehkanal TV 2000.
Sprecher der Opfer mit Papst-Vorschlägen nicht zufrieden
Francesco Zanardi, Sprecher der Organisation „Rete L‘Abuso“, kritisierte die von Papst Franziskus vorgelegten Vorschläge zum Kinderschutz als unzulänglich. „Diese Vorschläge sind nicht konkret. Der Papst hat den Gläubigen die Laisierung von Bischöfen versprochen, die Missbrauchsfälle vertuschen. Warum tut er es nicht?“, fragte der 48-jährige Zanardi, der als Teenager von einem Priester missbraucht wurde. „Kindermissbrauch ist kein theologisches Thema, sondern ein fürchterliches Verbrechen, das nicht Kompetenz der Kirche, sondern der Justizbehörden sein sollte“, betonte Zanardi.
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