Kinder können heutzutage teils schon besser mit Smartphones umgehen als Erwachsene. In ihren Zimmern türmen sich nicht selten mehr Spielsachen, als die Kleinen Zähne im Mund haben. Und so mancher Sprössling fühlt sich vor dem Fernseher wohler als in der echten Welt. Dieser von vielen kritisch beäugten Entwicklung stellen sich sogenannte Waldkindergärten entgegen. Hier stehen vor allem das Spielen im Freien und die Beschäftigung mit sich selbst im Vordergrund. krone.at hat eine Einrichtung dieser Art in Graz besucht - und ist einen Tag lang in die Welt der Kinder eingetaucht.
„Ich habe drei Lieblingsbeschäftigungen: Klettern, Schaukel-Akrobatik und Mutter-Vater-Kind-Spielen“, erzählt die fünfjährige Paulina beim Besuch von krone.at im Kindergarten der Naturkinder Graz, ehe sie ihre Schaukelkünste stolz vor der Kamera präsentiert. Paulina ist eines von derzeit 16 Kindern, die den Waldkindergarten besuchen.
Altes Bauernhaus als Unterkunft
Hier steht die Natur im Vordergrund. Die Kinder spielen den Großteil des Tages im Freien, nur bei widrigsten Wetterbedingungen zieht sich die Gruppe in ein altes Bauernhaus unweit des Waldes zurück. Dieses Gebäude war Voraussetzung dafür, dass der Waldkindergarten überhaupt bewilligt wurde. Sechs Jahre kämpfte Leiter David Ubuk Kislinger für die Umsetzung seines Traums. „Wir wollten eigentlich ohne Räume auskommen, das hat sich jedoch mit dem Kinderbetreuungskonzept in der Steiermark gespießt“, erklärt Kislinger, der die positiven Auswirkungen des Konzepts auf die Motorik und die Gesundheit der Kleinen betont.
Seit vergangenem Herbst sind die bürokratischen Hürden aber nun endlich überwunden, für 125 Euro pro Monat können Eltern ihre Sprösslinge täglich im Wald unter Aufsicht herumtoben lassen. Dabei steht den Kindern zwar kein klassisches Spielzeug wie Autos und Puppen zur Verfügung, dafür aber alles, was die Natur zu bieten hat.
Grenzenlose Fantasie
Dabei werden der Fantasie der Kinder keine Grenzen gesetzt: „Ein Stecken kann ein Stecken sein. Es kann aber auch ein Kochlöffel sein, es kann ein Ruder sein. Es kann manchmal sogar ein Baby sein, das man hält. Diese Form von Spiel ist eine ganz besondere Art, weil es den Kindern ganz viel eigenes Gestaltungspotenzial gibt und weil die Kinder auch lernen, einfach selber ihren eigenen Ausdruck im Spiel zu finden“, so die leitende Pädagogin Melle Gindra Vady.
„Struktur ist ein wesentlicher Bestandteil“
Neben dem freien Spiel auf dem Areal - hier gibt es unter anderem eine sogenannte Gatschküche, Schaukeln, Klettermöglichkeiten und einen Hügel, auf dem auch ohne Schnee das ganze Jahr über gerodelt wird - gibt es im Kindergarten der Naturkinder aber auch Regeln und Rituale: „Struktur ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Konzepts. Die Kinder purzeln hier nicht einfach nur herum“, erzählt Kislinger.
So wird der Tag stets mit einem Morgenkreis gestartet, es gibt gewisse Zeiten, zu denen gesungen wird oder Geschichten erzählt werden. Vor der Verabschiedung wird gemeinsam aufgeräumt. „Nach einem Tag im Kindergarten bin ich immer ziemlich müde. Ziemlich, ziemlich, ziemlich. Und hungrig“, so Ronja (6), die am liebsten in der Gatschküche spielt.
Wer nun denkt, dass klassische Spielzeuge und die Verwendung von neuen Medien von den Betreibern des Waldkindergartens verteufelt werden, liegt falsch. Es komme schlichtweg auf die Dosis an. Das kreative Spielen mit Dingen, die der Wald so hergibt, sei jedenfalls auch für das spätere Leben von Vorteil: „Ich finde, das ist auch gesamtgesellschaftlich eine total wichtige Aufgabe, dass wir wieder lernen, mit uns selber sein zu können, und auch wieder mit uns selber zur Ruhe finden können, ohne dass ständig irgendetwas auf uns einprasseln muss“, so Gindra Vady.
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