Das Interview rüttelt auf: Max Hauke und Dominik Baldauf brechen in der „Krone“ ihr Schweigen und packen die ganze Doping-Story aus. Mit Anja Richter und Martina Prewein sprechen die „Doping-Sünder“ über die „riesige Dummheit“, ihre Anfänge 2017, ahnungslose Trainer, deppeneinfache Methoden und vieles mehr.
Herr Baldauf, Herr Hauke - wie geht es Ihnen beiden jetzt?
Dominik Baldauf: Wir können noch gar nicht richtig realisieren, was passiert ist.
Max Hauke: Wenn wir das irgendwann einmal tun, werden wir wahrscheinlich in ein tiefes seelisches Loch fallen. Aus dem ein Aufstehen schwierig sein wird. Aber auch die vergangenen Tage warenschon sehr brutal - und emotional.
Baldauf: Wir sind daheim gewesen, bei unseren Familien, Max in der Obersteiermark, ich in Vorarlberg. Ich wohne in einem kleinen Dorf, ich spüre, dass ich die Menschen dort enttäuscht habe und mich nun viele von ihnen verachten.
Hauke: Doch wir bekommen auch Zuspruch. Von Freunden und sogar von Langlaufkollegen.
Wie rechtfertigen Sie sich vor ihnen?
Hauke: Indem wir die Wahrheit sagen. Dass wir eine riesige Dummheit gemacht und daraus Konsequenzen gezogen haben. Das Kapitel Leistungssport ist für uns beide beendet. In unserem Leben hat ein Cut stattgefunden, wir müssen völlig neu beginnen.
Und wie?
Hauke: Ich weiß, es klingt in meiner Situation komisch, aber ich will unbedingt Medizin studieren.
Baldauf: Ich hoffe, dass ich - trotz des Geschehenen - weiter die Polizeischule besuchen darf. Mein Traum ist nämlich, Kriminalbeamter zu werden, große Fälle aufzuklären, Rätsel zu lösen.
Vielleicht beginnen Sie mit Ihrer eigenen Causa.
Baldauf: Wir haben nichts mehr zu verbergen.
Hauke: Zum besseren Verständnis: Von Kindheit an bestimmte das Langlaufen unser Leben, wir haben dem Sport alles untergeordnet.
Baldauf: Aber 2015 merkten Max und ich, dass unsere Leistungen mitunter abfielen, obwohl wir 100-prozentigen Einsatz gaben. Das hat uns natürlich belastet, wir haben oft miteinander über dieses Problem gesprochen.
Nur Sie beide?
Hauke: Ja. Wir sind beste Freunde, seit Langem schon. Ab 2005 waren wir zusammen im Nachwuchskader, 200 Nächte im Jahr schliefen wir im selben Zimmer. Da weiß man einfach alles voneinander.
Wie kam es dazu, dass Sie zu dopen anfingen?
Baldauf: 2016 traf ich Johannes Dürr erstmals seit dem Skandal um ihn wieder. Wir arbeiteten beide beim Zoll in Wien und gingen manchmal miteinander trainieren. Dabei redeten wir natürlich über das Langlaufen und in der Folge auch darüber, dass die Leistungen von Max und mir stagnierten. Dürr erklärte mir, dass es ohne Doping nicht möglich sei, an die Spitze zu kommen. Und dass uns sein Erfurter Arzt helfen könne.
Hauke: Dominik und ich hatten in der Folge diese Option ständig im Hinterkopf. Letztlich beschlossen wir, Kontakt zu dem Mediziner aufzunehmen. Der Beginn unseres Untergangs.
Baldauf: Im Sommer 2018 ließen wir uns Blut abnehmen. Vor den Wettkämpfen im Winter wurde es uns wieder injiziert.
Hauke: Alles war extrem professionell organisiert, wir kommunizierten über Pre-Paid-Handys mit dem Arzt und seinem Team. Wenn wir Infusionen brauchten, war in einem Nachbarhotel Fachpersonal, das uns die Nadeln setzte.
Und die Einstiche hat niemals jemand bemerkt?
Baldauf: Wir haben uns an Stellen, wo Haare sind, stechen lassen. Wenn trotzdem Flecken auf der Haut zu sehen waren, überdeckten wir sie mit langärmligen Shirts.
Hauke: Unsere Trainer und Kollegen ahnten nichts.
Hatten Sie keine Angst, dass Ihr verbotenes Handeln entdeckt wird?
Hauke: Natürlich. Aber irgendwie schafften wir es, ein perfektes Doppelleben zu führen. Im Nachhinein bin ich schockiert darüber, wie gut es mir gelang, meine Taten vor mir selbst zu beschönigen und sie zu verdrängen.
Baldauf: Es ist grotesk: Einerseits fürchtete ich mich vor einem Auffliegen, andererseits fühlte ich mich völlig sicher.
Hatten Sie nach den Bewerben nie Kontrollen?
Hauke: Ich nicht.
Baldauf: Ich ein einziges Mal.
Und der Test war negativ?
Baldauf: Ja, klar. Es reicht, nach dem Rennen ein Glas Salzwasser zu trinken, dadurch wird das Blut so stark verdünnt, dass die Werte normal sind. Wer beim Blutdoping bei einem normalen Check auffliegt, muss ein Trottel sein.
Jetzt wurden Sie beide vom ÖSV-Präsidenten als „Langlauf-Trotteln“ bezeichnet.
Hauke: Zu Recht. Uns ist bewusst, dass wir enormen Schaden angerichtet haben. Für den Sport in Österreich und die Heim-WM.
Baldauf: Wir haben so viel kaputt gemacht und wir entschuldigen uns dafür. Wir bereuen zutiefst, dass wir gedopt haben.
Aber jahrelang dürften Sie davon profitiert haben.
Hauke: Nicht so sehr, wie wir uns erhofft hatten. Es gab Rennen, bei denen wir - trotz Doping - schlecht abschnitten.
Baldauf: Und finanziell war das alles sowieso ein Wahnsinn. Wir mussten eisern sparen, uns blieb kaum noch Geld für andere Dinge übrig. Die Dienste der Organisation waren sehr teuer.
Überlegten Sie, mit dem Dopen aufzuhören?
Baldauf: Nach dieser Saison, so hatten Max und ich einander geschworen, wollten wir uns keine Infusionen mehr setzen lassen.
Hauke: Denn irgendwie haben wir geahnt, dass das alles kein gutes Ende nehmen wird.
Das Ende kam für Sie vermutlich dennoch überraschend?
Baldauf: Ja, völlig. Ich war gerade in der Loipe, hab trainiert, als plötzlich Cobra-Leute um mich waren und mich festnahmen.
Herr Hauke - Ihre Verhaftung war noch ein bisschen spektakulärer. Sie hatten beim Zugriff eine Nadel im Arm.
Hauke: Ich fühlte mich total ausgeliefert - und extrem schuldig.
Und dann?
Hauke: Auch wenn es unglaubwürdig klingt - aber es ist wahr: Nach dem ersten Schock war ich sogar erleichtert, dass alles herausgekommen ist und ich endlich vor meiner Familie und meiner Freundin keine Geheimnisse mehr haben muss. Zu lügen ist kein schönes Gefühl.
Baldauf: Ich empfinde das genauso. Und ich weiß jetzt: Zu dopen war der größte Fehler meines Lebens.
Martina Prewein und Anja Richter, Kronen Zeitung
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