'Maßlos übertrieben'

Karadzic bestreitet blutiges Massaker in Srebrenica

Ausland
02.03.2010 16:35
Der wegen Völkermordes angeklagte Ex-Serben-Führer Radovan Karadzic hat bestritten, dass bosnisch-serbische Truppen jemals ein Massaker in Srebrenica verübt haben. Alle Berichte über den Massenmord an Muslimen 1995 in der damaligen UNO-Schutzzone seien "maßlos übertrieben" und beruhten zudem auf unbewiesenen Behauptungen, sagte Karadzic am Dienstag vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag.

In Wirklichkeit hätten die Serben im Juli 1995 in der Gegend von Srebrenica lediglich auf Angriffe von bosnisch-muslimischen Kampfgruppen reagiert, so Karadzic. Bei den Auseinandersetzungen seien "höchstens 2.000 bis 3.000" bosnische Muslime getötet worden, "aber keineswegs 8.372, wie dies auf einem Gedenkstein behauptet wird". Zudem sei es nichts weiter als bösartige Propaganda, zu behaupten, dass die Serben in Srebrenica auch junge Männer grundlos erschossen hätten. "Das waren Kämpfer im Alter von etwa 16 Jahren."

Das Massaker mit rund 8.000 Toten gilt allgemein als das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Staatsanwaltschaft wirft dem damaligen Präsidenten der bosnischen Serben-Republik (Republika Srpska) vor, neben dem immer noch flüchtigen serbischen General Ratko Mladic die Hauptverantwortung für die Srebrenica-Tragödie zu tragen. Das Verbrechen ist von den Vereinten Nationen sowie vom Internationalen Gerichtshof (IGH) als Völkermord eingestuft worden.

8.000 Muslime abgeführt, erschossen, verscharrt
Nach UNO-Angaben eroberten bosnisch-serbische Truppen die von bosnischen Muslimen bewohnte UNO-Schutzzone am 11. Juli 1995. Ein kleines Kontingent niederländischer Blauhelmsoldaten überließ die Stadt kampflos den Angreifern. Wenige Tage später wurden demnach rund 8.000 überwiegend männliche Muslime von den Serben abgeführt, erschossen und in Massengräbern verscharrt.

Karadzic behauptete nun, viele der später ausgegrabenen Leichen seien vermutlich aus anderen Konfliktgebieten eigens in die Gegend gebracht worden. Er verlangte eine völlig neue Untersuchung, die sich unter anderem auf DNA-Analysen stützen müsse. Serben hätten nur dann Gegner getötet, wenn sie von diesen attackiert wurden. Im Gegensatz zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft habe er seinerzeit sogar eindeutige Befehle gegeben, "keine Rachemorde an Muslimen zuzulassen".

Prozess erneut auf unbestimmte Zeit vertagt
Indes ist der Prozess gegen Karadzic erneut für unbestimmte Zeit unterbrochen worden. Der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon gab am Dienstag einem Antrag des Angeklagten statt, mehr Zeit für die Vorbereitung auf die Anhörung von Zeugen der Staatsanwaltschaft zu bekommen. Damit sollte eigentlich am Mittwoch begonnen werden. Der Richter ordnete jedoch an, dass zunächst die Entscheidung der Berufungskammer über den Antrag von Karadzic abzuwarten sei. Er hoffe, dass diese bald vorliegen werde. O-Gon Kwon drückte den Zeugen sein Bedauern aus, die bereits aus Bosnien-Herzegowina nach Den Haag gereist waren und nun wohl wieder zurückkehren müssten.

Der Prozess gegen den Ex-Präsidenten der Republika Srpska, der am 26. Oktober 2009 mehr als ein Jahr nach dessen Festnahme begann, ist immer wieder durch Verfahrensanträge Karadzic' hinausgezögert worden. Die Eröffnung der Hauptverhandlung mit der Verlesung der Anklage hatte Karadzic boykottiert. Auch jetzt hatte er wieder mit einem Boykott gedroht, falls die Zeugenvernehmung trotz seines Antrags auf Verschiebung sogleich beginnen sollte.

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