Last-Minute-Treffen
Briten und EU erzielten Durchbruch im Brexit-Drama
Es ist der lang erwartete Durchbruch im Streit mit der Europäischen Union nur wenige Stunden vor der entscheidenden Unterhaus-Abstimmung in London, die die weiteren Schritte im Brexit-Drama regeln soll (siehe Video oben): Premierministerin Theresa May erzielte bei einem Last-Minute-Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Unterhändler Michel Barnier im französischen Straßburg „rechtlich verbindliche Änderungen“ am Austrittsabkommen mit der EU. Juncker beschwor das britische Parlament, dem Austrittsvertrag nun zuzustimmen: „Es wird keine dritte Chance geben.“ Brexit-Hardliner sind weiterhin skeptisch, die oppositionelle Labour Party rief bereits zur Ablehnung des geänderten Deals auf.
Juncker schrieb am späten Montagabend auf Twitter: Die Vereinbarung biete Klarstellungen und „rechtliche Garantien“ zum Brexit-Abkommen und zum umstrittenen „Backstop“. Die Wahl sei klar, so Juncker weiter: „Das ist der Deal, oder der Brexit könnte gar nicht erst stattfinden.“ Man schulde es der Geschichte, den Austritt zu einem geordneten Ende zu bringen. Laut einem Schreiben Junckers hat die irische Regierung den Brexit-Garantien bereits zugestimmt. Juncker beschwor das britische Parlament, nun dem Austrittsvertrag zuzustimmen: „Es wird keine dritte Chance geben.“
May sagte am späten Montagabend, die Einigung erfülle die Vorgaben des britischen Unterhauses. In einer gemeinsamen Erklärung von May und Juncker hieß es, dass sich beide Seiten dazu verpflichten, bis Ende 2020 eine Alternativlösung zum „Backstop“ zu finden. Mit diesem Datum endet die Übergangsperiode nach dem Brexit, in der Großbritannien weiterhin komplett an das EU-Recht gebunden ist.
May will erneuten Bauchfleck verhindern, Labour rief bereits zu Ablehnung auf
Mit dem Kompromiss will sich May im Unterhaus doch noch eine Mehrheit für das in London umstrittene Austrittsabkommen sichern. Bereits am Dienstag werden die britischen Abgeordneten darüber abstimmen. Bis zuletzt galt als wahrscheinlich, dass der mit Brüssel ausgehandelte Deal erneut scheitern wird. Nach tagelangem Stillstand in den Gesprächen mit der EU suchte May mit der überraschenden Reise nach Straßburg den Durchbruch in letzter Minute. Unklar ist, ob dies reicht, um genügend Unterstützung im Unterhaus zu gewinnen. Die oppositionelle Labour Party rief bereits zur Ablehnung des geänderten Deals auf.
Wie der britische Vizeregierungschef David Lidington sagte, will die britische Regierung dem Parlament zwei Dokumente vorlegen: eine gemeinsame, rechtlich verbindliche Erklärung zum Austrittsabkommen und zum sogenannten Backstop für die irische Grenze sowie eine gemeinsame Erklärung zur Ergänzung der politischen Erklärung, in der Großbritannien und die EU ihre künftigen Beziehungen skizzieren. In letzter Konsequenz könne Großbritannien die Regelung zur irischen Grenze aussetzen, wenn die EU ihre Pflichten verletze.
Kompromiss „irrelevant“, wenn nötige Stimmen fehlen
Die nordirischen Unionisten kündigten an, den Kompromiss „sehr sorgfältig“ prüfen zu wollen. „Wir werden uns die Details anschauen“, teilte der Vizechef der Democratic Unionist Party, Nigel Dodds, mit. Der einflussreiche konservative Abgeordnete Steve Baker reagierte skeptisch. Es sei „nicht das erste Mal, dass die Regierung etwas herausgeputzt hat, was letztlich nicht die Erwartungen erfüllt“, sagte er am Montagabend der BBC.
Auch EU-Diplomaten äußerten sich zurückhaltend. Der Kompromiss sei „irrelevant“, wenn May nicht für die fehlenden Stimmen sorgen könne. Bei der Abstimmung im Jänner hatte May einen Bauchfleck erlitten, wie die Grafik unten verdeutlicht.
May versuchte seit Wochen, EU zu Zugeständnissen zu bewegen
Der „Backstop“ ist im Brexit-Streit der Knackpunkt. Das ist die von Brüssel geforderte Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Bisher ist vorgesehen, dass Großbritannien so lange als Ganzes in einer Zollunion mit der EU bleiben soll, bis eine andere Lösung gefunden ist. Doch das lehnen die Brexit-Hardliner in Mays Partei ab. Seit Wochen versuchte May deshalb, die EU zu Zugeständnissen in der „Backstop“-Frage zu bewegen.
Wird das Brexit-Abkommen trotz allem erneut abgelehnt, stimmen die Abgeordneten am Mittwoch darüber ab, ob Großbritannien am 29. März ohne Vertrag aus der EU austreten soll. Wird auch ein „No Deal“-Brexit abgelehnt, entscheiden sie am Donnerstag über eine Bitte an die EU, das Austrittsdatum zu verschieben. May hat einen Aufschub um bis zu drei Monate vorgeschlagen, der vor der ersten Sitzung des neu gewählten EU-Parlaments Anfang Juli enden soll.
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