Wahr oder falsch?

Die größten Irrtümer über das Passivhaus

Wohnkrone News
05.03.2010 17:35
Jeder kennt den Begriff, aber kaum jemand kennt sich wirklich damit aus. Und nicht überall, wo Passivhaus draufsteht, ist auch Passivhaus drin. Denn eine gesetzlich definierte, verbindliche Detailregelung gibt es nicht. Und so haben sich gerade um das Passivhaus eine Menge hartnäckiger Irrtümer im Bewusstsein der breiten Bevölkerung festgesetzt.

Nach einer Definition des renommierten Passivhaus-Institutes Darmstadt weist ein Passivhaus einen Heizwärmebedarf (Energiekennzahl) von nur maximal 15 kWh/m²a auf. Bei dieser Kennzahl ist ein konventionelles Heizsystem überflüssig, das Haus wird durch die „inneren“ (passiven) Gewinne (z.B. Personen, Elektrogeräte) sowie durch die solaren Gewinne geheizt. Ein allenfalls vorhandener Restwärmebedarf soll durch die Erwärmung der Zuluft über eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung abgedeckt werden. Soweit die Theorie.

Karl Macho, Geschäftsführer des Bauunternehmens „Aust-Bau“, ist Passivhaus-Experte der ersten Stunde und vor allem auf die Errichtung von Ziegel-Passivhäusern spezialisiert. „Heute wird der Begriff Passivhaus von vielen Anbietern geradezu inflationär verwendet. Und auch viele falsche Ansichten sind so in Umlauf gekommen“, so Macho. Nachfolgend die seiner Meinung nach häufigsten Irrtümer – und ihre Richtigstellung.

Irrtum 1: „Im Passivhaus darf bzw. kann man ja keine Fenster aufmachen. Man ist da ja förmlich eingesperrt.“
Wahr: Die Fenster im Passivhaus (PH) sind öffenbar ausgeführt und können auch jederzeit geöffnet werden.

Irrtum 2: „Durch die luftdichte Bauweise bekommt man im PH zu wenig Luft – daher muss man die Wohnraumlüftung einbauen.“
Wahr: Das PH-Konzept geht von einer sehr hohen Dichtheit der Gebäudehülle aus und dies ist auch zwingend erforderlich, weil man sich durch das schlanke Heizsystem einen zu hohen Wärmeverlust nicht leisten kann. Luftdichheit ist aber nicht nur für Passivhäuser wichtig: Überall dort, wo kalte mit warmer Luft zusammentrifft, besteht die Gefahr der Kondensierung und das bedeutet im Klartext: (ungesunde) Schimmelgefahr!

Irrtum 3: „Passivhäuser müssen ein Pult- oder Flachdach haben und sehen aus wie eine Schuhschachtel.“
Wahr: Passivhäuser können in nahezu jeder Bauweise und auch Bauform ausgeführt werden. Zu beachten ist allerdings stets, dass das A:V (Außenfläche- zu Volumenverhältnis) so gering wie möglich gehalten werden sollte. Und das ist eben bei der „Schachtelform“ der Fall. Aber: Es ist möglich, von dieser idealen geometrischen Form mit Maß und Ziel abzuweichen, wenn man einen Baupartner mit ausreichend Erfahrung in diesem Bereich zur Seite hat.

Irrtum 4: „Passivhäuser haben große, nach Süden ausgerichtete Glasflächen.“
Wahr: Es ist ein häufiger Irrtum, dass Häuser, die große Glasflächen haben, Passivhäuser sind. Im Gegenteil, solche Häuser können kaum als Passivhäuser konzipiert werden. Denn die beste Verglasung weist einen U-Wert von 0,5 auf, die PH-Wand dagegen einen U-Wert von 0,1., sprich: Die Wand ist energietechnisch fünfmal so gut wie das beste Fenster. Das bedeutet: Tagsüber bringen die Sonnenstrahlen zwar mehr Wärme in das Haus, in der Nacht allerdings kommt es zu Wärmeverlusten. Idealerweise weist das PH einen Fensteranteil an der Südfassade von rund 20 bis 30 Prozent auf.

Irrtum 5: „Im PH ist es im Winter zu kühl.“
Wahr: Wie jedes Haus benötigt auch das PH eine Heizlastberechnung. Anhand dieser Berechnung wird je nach Haustyp ein Energieversorgungskonzept erstellt. Wenn es im PH im Winter tatsächlich zu kühl ist, dann liegt dem meist ein Ausführungs- oder Berechnungsfehler zugrunde. 

Lediglich im ersten Winter kann es durch die Rest-Baufeuchte zu einem erhöhten Heizwärmebedarf kommen.

Irrtum 6: „Durch die großen Dämmstärken können die Wände nicht atmen.“
Wahr: Eine Wand atmet nicht, eine Wand puffert viel mehr. Allerdings gibt es eine Dampfdiffusion, die jedoch nur bei großen Temperaturunterschieden zwischen innen und außen eine Rolle spielt (z. B. außen - 15 Grad, innen +22 Grad). Von Vorteil ist in diesem Zusammenhang auch die massive Ziegelbauweise, da der Ziegel sehr kapillar ist, also rasch Luftfeuchtigkeit aufnehmen kann und diese zeitversetzt wieder an den Raum zurück gibt.

Irrtum 7: „Ein PH kann man nicht in Massiv- bzw. Ziegelbauweise errichten.“
Wahr: In Österreich gibt es mehr Passivhäuser in Massivbauweise als in Holzbauweise. Entsprechendes Know-how vorausgesetzt, eignet sich der Ziegel sehr gut für PH.

Irrtum 8: „Die kontrollierte Wohnraumlüftung ist laut.“
Wahr: Ob eine Wohnraumlüftung zu laut ist, hängt vom gewählten Produkt sowie von entsprechenden baulichen Maßnahmen ab (z. B. ausreichende Rohrdurchmesser mit Schalldämpfern, Einregulierung der Luftmengen, möglichst gerade Rohrführung etc.)

Beachtet man diese wichtigen Punkte und verfügt auch der Baupartner über entsprechendes Know-how, liegt die Lautstärke der Wohnraumlüftung knapp unter der Wahrnehmungsgrenze.

Irrtum 9: „Ein Passivhaus rechnet sich nicht.“
Wahr: Ein PH ist um ca. fünf bis sieben Prozent teurer als ein Normalhaus mit Gasheizung und Radiatoren. Ein PH ist um ca. zwei bis vier Prozent teurer als ein Niedrigenergiehaus mit Gasheizung und kontrollierter Wohnraumlüftung. Ein PH ist billiger oder zumindest gleich teuer wie ein Niedrigenergiehaus mit Wärmepumpenheizung und kontrollierter Wohnraumlüftung.

Die Amortisationszeit der Mehrinvestition liegt je nach Vergleich der oberen Varianten daher zwischen 0 bis 15 Jahren (ohne Förderung).

Durch die hohen Förderungen (Achtung: landesabhängig!) bekommt der Bauherr z.B. in Niederösterreich die erforderlichen Mehrkosten, um aus einem „Normalhaus“ ein PH zu machen, in Form einer „Mehrförderung“. Diese muss zwar zurückgezahlt werden, doch diese Rückzahlung wird mit den Energieeinsparungskosten in etwa ausgeglichen. Das heißt also, Amortisationszeit der Mehrkosten gleich Null.

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