„Logischer Schritt“
Brexit: EU-Granden fordern zweites Referendum
Nachdem das britische Unterhaus den von Premierministerin Theresa May mit der EU vereinbarten Austrittsvertrag am Dienstagabend erneut mit großer Mehrheit abgelehnt hatte, haben sich nun einige hochrangige EU-Politiker für ein zweites Referendum in Großbritannien ausgesprochen. „Es wäre der logische nächste Schritt, die Menschen erneut zu fragen“, sagte etwa Manfred Weber, Fraktionschef und Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei im Europaparlament. Die Briten hatten bei einem Referendum im Jahr 2016 mit knapper Mehrheit für den EU-Austritt votiert.
Am Mittwochabend soll das britische Parlament entscheiden, ob das Land ohne Vertrag („No Deal“) aus der EU ausscheiden soll. Findet ein „No Deal“ ebenfalls keine Mehrheit, wird das britische Parlament am Donnerstag über eine Verschiebung des Brexit abstimmen.
„Ganze Generation wird Opfer des Versagens einer politischen Klasse“
Der EVP-Abgeordnete Manfred Weber sieht eine „Katastrophe nach der Abstimmung am Dienstag“. Damit werde „eine ganze Generation Opfer des Versagens einer politischen Klasse in London. Aber wir stehen auf der Seite dieser jungen Generation in Großbritannien und lassen sie nicht im Stich.“ Deshalb spreche er sich für ein erneutes Referendum aus.
Mehrere Umfragen in Großbritannien in den vergangenen Monaten zeigten, dass derzeit eine knappe Mehrheit von 52 zu 48 Prozent für einen Verbleib des Landes in der Europäischen Union stimmen würde.
„Parlamentarier sind den Menschen etwas schuldig“
Wie Weber warb auch der deutsche SPD-Fraktionschef im EU-Parlament, Udo Bullmann, für eine zweite Volksabstimmung. „Wenn die Parlamentarier sich nicht verständigen können, wenn sie blockieren, dann sind sie den Menschen etwas schuldig. ,Take back control‘ heißt dann, dass die Menschen entscheiden dürfen, wenn die Parlamentarier ihre Arbeit nicht mehr machen können, neue Entscheidungen zu treffen.“ Denn „es ist ihre Zukunft, nicht nur die der Parlamentarier“.
„Bessere Lösung, die Briten in der EU zu behalten“
In dieselbe Kerbe schlug der EU-Abgeordnete Hans-Olaf Henkel (Allianz für Fortschritt und Aufbruch). „Es ist die bessere Lösung, die Briten in der EU zu behalten. Gleichzeitig sollte man als EU konstruktiv gegenüber London auftreten und ihnen mehr Autonomie in der Union zugestehen“, sagte der konservative Politiker. Bereits Ende Februar sprach sich die britische Labour-Partei für ein zweites Brexit-Referendum aus. Eine solche Volksabstimmung solle verhindern, „dass dem Land ein schädlicher Tory-Brexit aufgezwungen wird“, erklärte Parteichef Jeremy Corbyn. Großbritannien will laut Fahrplan am 29. März die EU verlassen.
Vilimsky erteilt zweitem Referendum klare Absage
Harald Vilimsky dagegen erteilte einem neuerlichen Referendum eine klare Absage. „Es wäre völlig widersinnig und auch undemokratisch, je nach politischer Stimmungslage so oft abstimmen zu lassen, bis einigen politischen Vertretern das Ergebnis passt. Die Mehrheitsentscheidung der Briten ist ohne Tricksereien umzusetzen“, sagte der EU-Abgeordnete der FPÖ.
Kurz offen für Verschiebung „für ein paar Wochen“
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, dass man nach dem Londoner Votum bereits „gefährlich nahe“ am Brexit-Datum sei, „ohne ein ordentlich vorbereitetes Austrittsszenario fertig zu haben“. Kurz meinte, dass der Bewegungsspielraum in Brüssel nun „sehr eingeschränkt“ sei. Man sollte „offen dafür sein, den Brexit für ein paar Wochen zu verschieben, um einen harten Brexit zu vermeiden. Eine Teilnahme von Großbritannien an den EU-Parlamentswahlen wäre allerdings absurd.“
Brexit-Befürworter Farrage: „Wir wollen nicht von EU regiert werden“
Der britische Brexit-Befürworter und EFDD-Abgeordnete Nigel Farage warf der EU vor, „es zu weit getrieben zu haben“. „Wir wollen nicht von Ihnen regiert werden, sondern wollen uns selbst regieren“, meinte er. Gleichzeitig glaubt Farage, dass May beim EU-Gipfel Ende nächster Woche um eine Fristverlängerung „betteln“ werde. Aber die öffentliche Meinung sei insgesamt die, dass „wir genug haben, wir wollen die EU verlassen“.
EU-Chefverhandler Michel Barnier bezeichnete die Gefahr eines „No Deal“ als so groß wie noch nie zuvor. „Wir müssen uns für einen harten Ausstieg wappnen.“ Jedenfalls werde es von der EU keine Änderung des Austrittsvertrags geben, sagte Barnier am Mittwoch im EU-Parlament in Straßburg.
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