Auf der Mobilfunkmesse Mobile World Congress hat der chinesische Netzwerkgigant Huawei mit seinem Falt-Smartphone Mate X allen die Show gestohlen. Doch es gab einen Schönheitsfehler: die potenzielle Zukunft des Handys konnte man nur hinter Glas begutachten, nicht ausprobieren. Viel konnten wir über den Faltmechanismus und das flexible Display damit nicht sagen. Das ändert sich nun: Huawei hat einen Prototyp auf große Europa-Tour geschickt und krone.at hatte Gelegenheit, das Falt-Smartphone auszuprobieren.
Wer faltet und biegt, was seit Erfindung des Smartphones nicht fürs Falten und Biegen gedacht ist, hat dabei ein seltsames Gefühl. Wenn das Falten und Biegen von leisem Knarzen begleitet wird, wie es bei unserem Erstkontakt mit einem Prototyp des Mate X in einem Wiener Hotel der Fall war, wird die Skepsis nicht kleiner.
Tatsächlich ist das Mate X aber gar nicht so zerbrechlich, wie es wirkt. Unseren Testlauf mit etlichen Biegevorgängen überstand das Gerät völlig unbeschadet, die zahlreichen anderen Journalisten bei der offiziellen Österreich-Premiere vermochten das Falt-Smartphone auch nicht kleinzukriegen.
Die Stelle, an der das Display geknickt wird, sieht man
Für die Langzeitnutzung heißt das freilich nichts. Am Prototyp bemerkten wir an jener Stelle, an der das Display geknickt wird, eine leichte Unebenheit. Bei frontaler Ansicht kaum wahrnehmbar, sieht man sie seitlich vor allem direkt nach dem Auffalten.
Eine Erinnerung daran, dass man es hier mit einem flexiblen Display unter einer Schutzschicht aus Plastik und nicht mit den hinter kratzfestem Glas verborgenen Bildschirmen konventioneller Smartphones zu tun hat. Und eine Erinnerung daran, dass es sich um die erste Generation einer neuen Gerätekategorie handelt, die sich erst beweisen muss, was Langlebigkeit und Kratzfestigkeit angeht.
Erst einmal nicht unbedingt als Falt-Handy erkennbar
Der Erstkontakt mit einem Falt-Smartphone bleibt trotzdem etwas Besonderes. Zusammengeklappt ginge das Mate X nämlich im Grunde als normales Smartphone durch. Wir können uns gut vorstellen, dass Uneingeweihte das Gerät zunächst gar nicht unbedingt als Falt-Smartphone erkennen.
Erst wenn man das Display an der Rückseite anschaltet oder die Arretierung des Displays per Knopfdruck löst und den Bildschirm mit 2480 mal 2000 Pixeln Auflösung unter gut spürbarem Widerstand vollständig auffaltet, bis man ein fast quadratisches Tablet in Händen hält, wird offensichtlich, was man da in Händen hält. Das sorgt zu Beginn für einen gehörigen Wow-Effekt.
Mit einem großen Display kann man viel machen
Was man mit dem Mate X anstellen kann, wurde uns dann sogleich gewahr: Vor allem beim Lesen und Bilder betrachten hat man Vorteile. Am großen Bildschirm surft es sich durch das größere Platzangebot übersichtlicher im Web als auf einem kleinen Smartphone-Bildschirm. Man ist nicht auf mobile Websites beschränkt, sondern kann durchaus auch die Desktop-Version seiner Lieblingswebsite nutzen. Bei der Bildbetrachtung profitiert man von dem Mehr an Diagonale.
Multi-Tasking mit zwei Apps gelingt auch gut. Die minimale Unebenheit in der Mitte des Geräts, wo das Display gefaltet wird, hat uns nicht weiter gestört. Der etwas dickere Part am Gehäuse, in dem Kamera, Prozessor, Fingerscanner und andere Teile untergebracht sind, gibt bei Nutzung im Tablet-Modus einen praktischen Griff ab und sorgt für Ergonomie. Tatsächlich lässt sich das leichte Mate X unserem Eindruck nach sehr angenehm halten, es lädt also zu ausgedehnten Streifzügen durchs Web ein.
Auch zusammengefaltet nicht unpraktisch
Praktisch erschien uns das faltbare Display bisweilen auch im umgeschlagenen Zustand. Das Display an der Rückseite dient beim Selfie-Knipsen mit der Hauptkamera - eine Frontkamera braucht das Mate X konstruktionsbedingt nicht - als Sucher. Hält man mit der Kamera auf eine andere Person, kann diese sich dabei im Zweitdisplay sehen.
Dass das Mate X im transportablen Modus sowohl vorne als auch hinten mit Display überzogen ist, macht es aber wohl auch anfällig. Das Gerät kann durch den flexiblen Bildschirm wie gesagt nicht mit kratzfestem Glas geschützt werden und das gehärtete Plastik, mit dem es überzogen ist, dürfte nicht so robust sein wie Glas. Eine Schutzhülle gerät da fast zur Pflicht - erst recht bei einem geplanten Verkaufspreis von 2300 Euro. Vorausschauend hat Huawei bereits ein Transporttascherl erdacht, das Vorder- und Rückseite des Mate X unterwegs schützt. Das konnten wir zwar noch nicht testen, die Tasche dürfte aber den Nachteil haben, dass man das Gerät erst herausnehmen muss, will man es auffalten. In puncto Robustheit, so scheint es, könnte der schon vor dem Mate X angekündigte Rivale Galaxy Fold aus dem Hause Samsung konstruktionsbedingt die Nase vorn haben. Ausprobieren konnten wir das aber noch nicht.
Display, Kamera: Die Smartphone-Basics stimmen!
Und was ist das Mate X abseits von Biegen und Falten für ein Smartphone? Unserem ersten Eindruck nach ein sehr gutes. Das Interface wurde dank flottem HiSilicon Kirin-980-Chip flüssig dargestellt, Apps starteten flott. Die Erkennung, in welches Display - vorne oder hinten - man gerade blickt, klappt dank Lagesensor schon ganz gut. Die Dreifach-Kamera mit Leica-Branding, zu der man uns - angeblich entspricht sie jener im noch unangekündigten P30, das Ende des Monats präsentiert werden soll - knipst in Innenräumen scharfe und detailreiche Fotos. Der Akku sollte dank 4500 mAh Kapazität auch für einige Stunden Tablet-Betrieb genug Saft bereitstellen.
Das Display selbst erfreut dank OLED-Technologie mit intensiven Farben und tollem Kontrast, die gebotene Helligkeit und die Schärfe haben im Kurztest ebenfalls überzeugt. Höchstens bei der seitlichen Ablesbarkeit hatten wir das Gefühl, dass konventionelle Smartphones hier ein wenig die Nase vorn haben. 5G-Mobilfunk ist an Bord, aber angesichts des gerade erst beginnenden Netzausbaus momentan wohl noch kein echter Vorteil. Die - per microSD-Karte erweiterbaren - 512 Gigabyte Flash-Speicher, die Huawei dem Mate X spendiert, sollten auch größeren Mediendatenbanken genug Platz bieten.
Fazit: Es wird wieder spannend am Smartphone-Markt
Alles in allem macht Huaweis Mate X schon als Prototyp einen richtig spannenden Eindruck und verspricht, endlich wieder Wind in einen Smartphone-Markt zu bringen, in dem sich das Rad der Innovationen zuletzt immer langsamer gedreht hat.
Es ist aber auch die erste Generation einer neuen Gerätekategorie und als solche angesichts des hohen Preises wohl mit Vorsicht zu genießen. Wie viele Faltvorgänge das Display unbeschadet übersteht, wie sich das „Falcon Wing“-Spezialscharnier nach zwei Jahren Nutzung schlägt und wie es zur Veröffentlichung um das Software-Angebot steht, das die Möglichkeiten des Falt-Displays nutzt, muss sich immerhin erst zeigen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.