Einige Stunden nach dem rechtsextremen Terrorakt gegen zwei Moscheen in Neuseeland, bei dem 49 Menschen getötet wurden, zeichnet sich ab, dass der mutmaßliche Haupttäter seinen Wahnsinnsakt gezielt als Social-Media-Spektakel inszenieren wollte. Nicht nur, dass er die Tat mit einer Helmkamera aufzeichnete und live ins Netz streamte. Er soll in seinem Manifest gezielt Internetphänomene aufgegriffen haben, um eine breite Öffentlichkeit zu erreichen.
Besonders der Hauptverdächtige Brenton Tarrant soll es ganz bewusst darauf angelegt haben, mit dem Anschlag auf zwei Moscheen zum Gesprächsthema in den sozialen Medien zu werden. Auf der Rechercheplattform „Bellingcat“ skizziert man die Radikalisierung des 28-Jährigen und arbeitet sein Manifest und Social-Media-Postings auf, die er vor seiner Tat abgesetzt haben soll.
Links zum Manifest vor der Tat veröffentlicht
Auf Twitter verbreitete er Links zu seinem rechtsextremen Manifest, in dem es um die in Neonazikreisen verbreitete Idee vom „großen Austausch“ geht. Im Untergrundforum „8chan“ postete er offenbar anonym vor der Tat Links zu seinem Hassmanifest. Alles, so scheint es, war darauf ausgelegt, mit der Tat in den sozialen Medien möglichst hohe Wellen zu schlagen.
Das gelte auch für die Inszenierung der Tat aus der Ego-Shooter-Perspektive und Anspielungen auf die Internetkultur in der mehr als 70-seitigen Hetzschrift. Sie ist gespickt mit Referenzen und Anspielungen - vom norwegischen Massenmörder Breivik über rechtsextreme Kommentatoren in US-Medien bis hin zu Jugendphänomenen wie „Fortnite“. In einer Passage heißt es: „Fortnite hat mich das Töten gelehrt.“ Selbst der Gaming-YouTuber „PewDiePie“ wird genannt.
Gezielte Provokationen in der Hetzschrift
Eine gezielte Provokation, analysiert die Rechercheplattform. Vieles sei darauf ausgelegt, falsche Zusammenhänge herzustellen, missverstanden zu werden und zu schockieren. Es wird wohl nicht lange dauern, bis erste Beobachter einen Zusammenhang der Tat mit dem Comic-Shooter „Fortnite“ herbeireden, obwohl Tarrant im gleichen Satz die sarkastische Bemerkung fallen lässt, das Kinderspiel „Spyro the Dragon“ habe ihn zum Rassisten gemacht.
Es dauerte nicht lang, bis YouTuber Felix „PewDiePie“ Kjellberg, der in der Vergangenheit selbst mit Rassismusvorwürfen konfrontiert war, wegen der Nennung im Manifest zum Thema wurde. Letztlich sah sich Kjellberg gezwungen, sich von der Wahnsinnstat in Neuseeland zu distanzieren - und dem rechtsextremen Terroristen aus Australien damit erst die Bühne zu bieten, die er sich mit Kjellbergs Nennung wohl erhofft hatte.
Soziale Netzwerke wieder einmal überfordert
Sein Ziel, den 49-fachen Massenmord als Social-Media-Spektakel zu inszenieren, hat Tarrant also erreicht. Das zeigt aber auch, wie schlecht Social-Media-Firmen auf so einen Missbrauch ihrer Plattform vorbereitet sind. Live-Streams von Vergewaltigungen und sogar Morden haben Facebook in den letzten Jahren immer wieder in Verruf gebracht. Trotzdem konnte niemand Tarrant daran hindern, den Mord an 49 unschuldigen Menschen eine breite Öffentlichkeit live miterleben zu lassen.
Und nach der Tat, als Facebook und andere Plattformen längst bemüht waren, die Schreckensbilder von ihren Servern zu tilgen, war es schlicht schon zu spät. Was einmal in die Wildnis des World Wide Web entlassen wurde, lässt sich schwer wieder einfangen. Dafür sorgen die unzähligen Kopien, die Internetnutzer immer wieder auf Plattformen wie YouTube oder Plattformen wie das Forum „Reddit“ hochladen - unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit. Erfüllungsgehilfen, auf die Tarrant beim Verfassen seiner Hetzschrift und beim Streamen seiner Tat wohl bereits gehofft hatte …
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