Der Fall einer Lehrerin, die an einer Wiener AHS über Jahre hinweg ihre Schüler mit Aussagen wie „Wenn ihr euch umbringt, macht das wenigstens nicht in der Schule“ oder „Liegt Dummheit in eurer Familie?“ erniedrigt haben soll, hat österreichweit viel Staub aufgewirbelt. Wie weit dürfen Lehrer im Umgang mit ihren Schülern gehen und wo liegt die Grenze? Ist Mobbing mittlerweile schon gang und gäbe? Darüber diskutierte eine hochkarätige Expertenrunde am Mittwochabend im „Krone“-Talk bei Katia Wagner. Alle Highlights der Sendung sehen Sie oben im Video. Die komplette Sendung finden Sie hier!
Nach heftigen Protesten von Eltern und einer umfassenden medialen Berichterstattung auch in der „Krone“ zog Wiens Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer die Notbremse: Eine Mathematik-Pädagogin eines Gymnasiums in Wien-Währing - sie unterrichtet auch Psychologie - wurde vom Dienst suspendiert, nachdem sie laut zahlreichen Zeugenaussagen Kinder wiederholt beleidigt und auch mit Zynismus über Schüler-Selbstmorde gesprochen hatte.
„Meine Tochter war nur noch verunsichert“
Maria Kletecka, Mutter einer betroffenen Schülerin an der besagten AHS, berichtete: „Meine Tochter hatte in jeder Mathematik-Stunde Angst. Sie hatte sich schon um 5 Uhr den Wecker gestellt, um zu lernen und um alles zu erfüllen, was von der Lehrerin erwartet wurde. Sie hat nur noch an Mathematik gedacht. Am Ende war sie so verunsichert, dass sie nicht einmal zwei und zwei zusammenzählen konnte. Ihr wurde die ganze Motivation genommen.“
„Schüler wollen keine Opfer sein“
Die besagte Mobbing-Lehrerin habe die Schüler massiv unter Druck gesetzt. „Es mussten alle Bleistifte exakt gespitzt sein, und Schüler wurden für Rechtschreibfehler niedergemacht.“ Doch ihre Tochter wollte zunächst nicht, dass ihre Mutter die Schule mit den Vorfällen konfrontiert. „Schüler wollen keine Opfer sein und wollen über ihre Probleme nicht reden.“ Es sei schade, dass diese besagte Mobbing-Lehrerin nun den ganzen Ruf der Schule beschädige. „Denn in dieser Schule arbeiten sehr viele gute Lehrer.“
„Viele Lehrerkollegen wollten die Vorfälle nicht wahrhaben“
Warum die Schulleitung erst jetzt tätig wurde, obwohl die Vorfälle schon länger bekannt waren, erklärte die Mutter so: „Die Schulleitung ist neu und konnte zunächst relativ wenig tun, es gab relativ wenig Schriftliches. Es war eine Ohnmacht auf allen Ebenen, Ratlosigkeit war da.“ Der Fall habe die Schule gespalten. „Viele Lehrer wollten es nicht wahrhaben und schenkten den Kindern zu wenig Glauben.“ Viele andere Schüler und Eltern befürchteten zudem künftig schlechte Noten.
„Fünf Prozent der Lehrer sind für diesen Beruf ungeeignet“
Bildungsexperte und Buchautor Andreas Salcher zeigte sich über den aktuellen Mobbing-Fall schockiert. Es sei aber leider kein Einzelfall. „Da geht es um menschliche Seelen.“ Es sei mutig von den Eltern gewesen, den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. Seiner Meinung nach gehöre das aktuelle Lehrer-Dienstrecht radikal geändert. „Der Schulbehörde muss die Möglichkeit gegeben werden, sich von ungeeigneten Lehrern zu trennen. In der Privatwirtschaft wird ein Mitarbeiter ja auch gekündigt, wenn er sich mehrere Dienstverfehlungen geleistet hat.“ Laut Salcher seien von den derzeit rund 120.000 Lehrern in Österreich fünf Prozent nicht für den Beruf geeignet. Nur sei es derzeit schwierig, Lehrer zu kündigen.
„Lehrer fürchten sich vor Feedback“
Laut Salcher werden Lehrer nur besser, wenn sie Feedback von Vorgesetzten, Schülern und Kollegen bekommen. „Schüler tun das sehr fair, Lehrer fürchten sich aber vor Feedback.“ Eine Möglichkeit, wie Lehrer und Schüler enger zusammenwachsen könnten, sehe er in der Ganztagsschule: „Dann hat man Zeit für soziale Interaktion.“
„Die Sadisten, die es gibt, gehören raus!“
Für Heinrich Himmer ist die Suspendierung das höchste Mittel, das Behörden in Fällen wie jenem der Mobbing-Lehrerin zur Verfügung stehe. Er nahm grundsätzlich die Pädagogen in die Pflicht: „Viele reagieren bei Kritik an ihrer Person relativ dünnhäutig. Sie sehen es nicht ein, dass auch sie kontinuierlich an sich arbeiten müssen. Viele nehmen sich zu wenig Zeit, um sich mit den Kollegen auszutauschen. Es gibt unheimlich viele Rollenkonflikte. Lehrer werden auch immer älter und kommen mit der jungen Generation immer schwerer zurecht.“ Für ihn sei aber klar: „Kein Lehrer will bewusst bösartig sein. Aber die Sadisten, die es gibt, und ich hoffe, das sind keine fünf Prozent, gehören raus! Da bedarf es schärferer Maßnahmen.“ Ihm zufolge muss man überforderten Lehrern frühzeitig helfen - und „nicht erst, wenn jemand auffällt. Es soll mehr Möglichkeit für Reflektion geben.“
„Erniedrigung gehört nicht ins Klassenzimmer“
Für den Sozialpädagogen Viktor Bauernfeind verursache Mobbing volkswirtschaftliche Schäden. „Erniedrigung gehört nicht ins Klassenzimmer!“ Er sprach aber auch davon, dass Mobbing unter Schülern deutlich häufiger auftritt. Lehrer seien seltener die Verursacher. „Früher waren Lehrer Respektspersonen. Da hat sich was geändert, weil die jetzigen Eltern von Schülern oft schlechte Erfahrungen mit Lehrern gemacht haben oder eine schwere Kindheit hatten.“ Die Schule müsse jetzt das verlorene Vertrauen wieder zurückgewinnen. „Es braucht Qualitätssicherungsmaßnahmen, es braucht eine neue Qualität von Dialog und eine neue Form der Partnerschaftlichkeit. Die haben wir noch nicht.“
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Den „Krone“-Talk mit Moderatorin und Kolumnistin Katia Wagner gibt‘s jeden Mittwoch ab 19 Uhr live hier auf krone.at! Und Sie sind herzlich eingeladen, mitzudiskutieren: via Facebook oder Twitter unter dem Hashtag #brennpunkt sowie natürlich im Forum hier auf krone.at - wir freuen uns auf Ihre Meinung!
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