Obwohl Gegner von May

Johnson für Brexit-Deal: „Sonst bleiben wir in EU“

Ausland
26.03.2019 21:16

Der ehemalige britische Außenminister Boris Johnson hat sich überraschend dafür ausgesprochen, das von Premierministerin Theresa May mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen zu stützen. Johnson sehe sonst die Gefahr, dass Großbritannien in der EU bleibe, sollte das Unterhaus erneut gegen Mays Vereinbarung votieren. Johnson zählt zu den härtesten Gegnern Mays.

Zuvor hatten euroskeptische Abgeordnete die Entscheidung Mays, den Brexit zu verschieben, kritisiert. In einem Brief fordern vier konservative Politiker die Regierungschefin auf, ihre Vorgehensweise ausführlich zu erklären. Es bestünden „ernsthafte rechtliche Zweifel“ an Mays Abmachung mit der Europäischen Union, den EU-Austritt hinauszuzögern. Am Dienstag gab die nordirische Democratic Unionist Party (DUP) bekannt, das von May ausgehandelte Brexit-Abkommen weiterhin zu blockieren. Mays Minderheitsregierung wird von der DUP toleriert.

Theresa May (Bild: AFP)
Theresa May

Abgeordnete stimmen am Mittwoch über verschiedene Brexit-Szenarien ab
Das britische Parlament hat im Brexit-Streit mittlerweile teilweise das Ruder übernommen. Gegen den Willen der Regierung wollen die Abgeordneten im Unterhaus in London jetzt auf eigene Faust eine Alternative für das bereits zwei Mal abgelehnte Austrittsabkommen von May suchen. Dafür hatten die Abgeordneten am späten Montagabend die Regel außer Kraft gesetzt, wonach nur die Regierung die Tagesordnung im Parlament bestimmt. Sie sicherten sich diesen Mittwoch für eine Debatte und Abstimmungen über einen Ausweg aus der Brexit-Sackgasse. Geplant sind „indicative votes“ - richtungsweisende Abstimmungen, mit denen ausgelotet werden soll, für welche Alternative es eine Mehrheit gibt.

(Bild: AFP/PRU)

Spekulationen um May-Rücktritt
Die Debatte soll am Mittwochnachmittag (ab 16 Uhr MEZ) beginnen, über die ausgewählten Alternativvorschläge wird dann am Abend abgestimmt (ab etwa 20 Uhr). Das Ergebnis liegt wahrscheinlich erst gegen 23 Uhr vor. Am kommenden Montag könnte es dann in eine zweite Runde gehen mit einer kleinere Auswahl an Vorschlägen, wie ein Parlamentssprecher erläuterte. May wird zwischendurch vor einem einflussreichen Partei-Komitee erscheinen. Spekulationen zufolge könnte sie dort versuchen, mit der Ankündigung eines Rücktrittsdatums weitere Abgeordnete für ihren Deal zu gewinnen. Gerechnet wird damit, dass der Austrittsvertrag am Donnerstag den Abgeordneten nochmals vorgelegt werden könnte.

Zweites Referendum?
Als mögliche Optionen für die Abstimmung am Mittwoch werden verschiedene Varianten einer engeren Anbindung an die Europäische Union gehandelt: unter anderem eine Mitgliedschaft in der Zollunion oder ein Modell nach dem Vorbild Norwegens, das zwar zum Binnenmarkt, aber nicht zur Zollunion gehört. Auch radikalere Vorschläge wie ein zweites Referendum, eine Abkehr vom Brexit durch Zurückziehen der Austrittserklärung oder ein Austritt ohne Abkommen sind im Gespräch. Die Befürworter eines zweiten Referendums zeigten sich jedoch skeptisch, ob die Volksabstimmung auch zu den Optionen zählen sollte: Dahinter steckt wohl die Befürchtung, eine Ablehnung könnte dem Vorhaben verfrüht den Garaus machen. Spräche sich das Parlament für einen dieser Vorschläge aus, wäre das rechtlich nicht bindend. Es würde aber einen Hinweis darauf geben, wofür es eine Mehrheit im Parlament gibt.

Brexit-Gegner in London (Bild: AFP)
Brexit-Gegner in London

„Mays Deal oder kein Brexit“
Die Chancen für Mays Deal dürften mit dem Griff des Parlaments nach der Macht sogar ein wenig gestiegen sein. Viele Brexit-Hardliner machen sich offensichtlich Sorgen, der EU-Austritt könne weniger konsequent ausfallen als bisher geplant oder sogar ganz abgesagt werden. „Die Wahl scheint Mrs. Mays Deal oder kein Brexit zu sein“, twitterte der erzkonservative Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg. Er hatte kürzlich noch davor gewarnt, das Brexit-Abkommen mache das Land zum „Sklavenstaat“ der EU.

(Bild: AFP)

May: „Derzeit keine Mehrheit für Brexit-Deal“
Ursprünglich sollte Großbritannien schon am kommenden Freitag die EU verlassen. Brüssel bot London kürzlich eine Verschiebung des Brexits bis zum 22. Mai an. Bedingung dafür ist allerdings, dass das Unterhaus in dieser Woche dem Austrittsvertrag zustimmt. Andernfalls gilt die Verlängerung nur bis zum 12. April. In dem Fall soll London vor diesem Termin sagen, wie es weitergehen soll. May hatte am Montag eingestanden, dass sich noch immer keine Mehrheit für ihr Brexit-Abkommen abzeichnet. Daher wolle sie vorerst nicht erneut über das Vertragspaket zum EU-Austritt abstimmen lassen.

Die Regierung sei nicht gebunden, sollten sich die Abgeordneten auf eine Alternative zum Brexit-Abkommen festlegen, stellte May klar. Die automatische Folge einer Ablehnung ihres Deals sei immer noch ein Austritt ohne Abkommen. Zugleich beschwichtigte sie aber: „Ein ,No Deal‘ wird nicht passieren, solange das Unterhaus dem nicht zustimmt.“

Brexit ohne Abkommen: Dramatische Folgen für Wirtschaft befürchtet
Es dürfe aber auch keine Abkehr vom Brexit geben, sagte May. Sie warnte zudem vor einem „langsamen“ EU-Austritt mit einer Verlängerung der Frist über den 22. Mai hinaus, womit eine Teilnahme an der Europawahl notwendig wäre, die vom 23. bis 26. Mai stattfindet. Mays Gegner im Parlament kündigten an, der Regierung notfalls per Gesetzgebung ihren Willen aufzuzwingen. Sollte Großbritannien ohne Abkommen aus der Staatengemeinschaft ausscheiden, wird mit dramatischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche gerechnet. 

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