Das Europaparlament am Mittwoch mit großer Mehrheit beschlossen, dass der CO2-Ausstoß von Neuwagen in der Europäischen Union bis 2030 erheblich sinken muss. Im Durchschnitt muss die Flotte jedes Herstellers im Vergleich zu 2021 um 37,5 Prozent weniger Kohlendioxid ausstoßen. Dabei wird der Verbrauch von Elektroautos bzw. der Elektroanteil bei Plug-in-Hybriden weiterhin als Null angenommen.
Für leichte Nutzfahrzeuge ist eine CO2-Reduzierung um 31 Prozent vorgesehen. Als Zwischenetappe muss bis 2025 in beiden Fahrzeugklassen eine Minderung um 15 Prozent erreicht sein. Formell müssen nun noch die EU-Mitgliedstaaten zustimmen.
Die Regeln sollen helfen, die EU-Klimaschutzziele insgesamt zu erreichen und die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr zu drücken. Die sogenannten Flottenwerte beziehen sich auf den Neuwagenabsatz jeweils eines Autobauers. Bis 2021 gelten im Schnitt 95 Gramm je Kilometer. Hersteller größerer und damit auch schwererer Autos dürfen darüber liegen. In den neuen Zielen sind nur Prozentzahlen festgelegt, weil sich das Verfahren, wie die Werte ermittelt werden, inzwischen geändert hat.
Elektro-Lüge zwingt zum E-Auto-Boom
Von den bis 2021 zu erreichenden Vorgaben sind viele Hersteller noch weit entfernt: Der europäische Durchschnitt lag zuletzt bei 118,5 Gramm. Das liegt auch an der Diskussion um den Diesel und die im Zuge dessen gesunkene Nachfrage. Insgesamt stammt rund ein Viertel aller Klimagase der EU aus dem Verkehr (vor allem von Autos und Lastwagen). Zu erreichen sind die Zielwerte nur, wenn Autohersteller neben Dieseln und Benzinern immer mehr Fahrzeuge ohne lokalen Ausstoß schädlicher Klimagase verkaufen, also zum Beispiel Elektroautos. Dass der Strom für diese Elektroautos nicht ausschließlich aus umweltfreundlichen und ungefährlichen Quellen stammt, wird dabei ausgeklammert, Stromverbrauch de facto ausgeklammert.
Kritik aus beiden Lagern
Den neuen Vorgaben war ein hartes Ringen vorausgegangen. Sie sind deutlich schärfer, als die Autoindustrie und die deutsche Regierung dies ursprünglich wollten. Die EU-Staaten hatten Anfang Oktober für eine Senkung des CO2-Werts bei neuen Autos und leichten Nutzfahrzeugen um durchschnittlich 35 Prozent plädiert. Deutschland hatte zuvor sogar nur 30 Prozent Minderung gewollt. Das Europaparlament ging mit einer Forderung nach minus 40 Prozent in die Verhandlungen. Im Dezember einigten sich Unterhändler schließlich auf den Kompromiss.
Wie sollen 40 Prozent E-Autos versorgt werden?
Die Branche kritisierte die neuen Vorgaben schon bei der Einigung im Dezember als überzogen und unrealistisch. Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, nannte die Vorgaben eine riesige Herausforderung. „In keinem anderen Teil der Welt gibt es derart scharfe Ziele.“ Es sei noch offen, wie und ob sie überhaupt erreicht werden könnten. Denn dafür müssten nach Rechnungen des VDA rund 40 Prozent der in Europa neuzugelassenen Fahrzeuge Elektromodelle sein. „Dafür ist eine europaweit dichte, kundenfreundliche Ladeinfrastruktur nötig sowie ein leistungsfähiges Stromnetz, das Millionen von E-Fahrzeugen gleichzeitig mit möglichst grünem Strom versorgen kann“, sagte Mattes. „Hier ist nicht nur die Industrie, sondern auch die Politik gefordert.“
Autofahren als Luxusgut
Nach Ansicht der FDP im deutschen Bundestag treibt die EU „die Hersteller ohne Rücksicht auf Verluste planwirtschaftlich einseitig in die E-Mobilität“. Dabei wäre Technologieoffenheit notwendig. Die Hersteller würden viele ihrer kleinen Fahrzeuge zwangsläufig bis 2020 vom Markt nehmen, weil diese nicht mehr zu wirtschaftlichen Konditionen gebaut werden könnten. Dadurch werde Autofahren wird zunehmend zum Luxusgut gemacht. Kürzlich verlautete auch aus dem Volkswagenkonzern die Befürchtung, dass es in absehbarer Zeit keine für Normalverdiener leistbare Autos mehr geben wird.
Umweltschützern geht die Regelung nicht weit genug. Zwar gehe die Einigung in die richtige Richtung - weg vom Öl, sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Benjamin Stephan. Aber es sei eine stärkere Regulierung hin zum E-Auto nötig. „CO2-Grenzwerte alleine greifen zu kurz.“ Stattdessen brauche es eine ambitionierte E-Auto-Quote oder ein Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor.
Die Regierungsparteien CDU und SPD sehen einen ausgewogenen Kompromiss, „der dazu beitragen kann, die EU beim Thema Verkehr auf einen fortschrittlichen klimapolitischen Kurs zu bringen“. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD im EU-Parlament, Ismail Ertug: „China und die USA investieren massiv in alternative Antriebe, Europa darf hier nicht ins Hintertreffen geraten.“
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