Und wieder so ein Design-Star, ein Volvo ist schöner als der andere! Das sagt sogar die in diesen Dingen sehr kritische Beifahrerin, die sich aus dem Stand in den Volvo V60 verliebt hat. Was ihr weniger wichtig ist: Der Testwagen ist das Topmodell der Baureihe, der T8 genannte Plug-in-Hybrid mit mächtigen 390 PS, der alles kann vom fast geräuschlosen Gleiten bis zur sportwagenartigen Beschleunigung. Wenn nur Fahrwerk und Lenkung mithalten könnten…
Der Antrieb gehört zum Besten, was der Volvo zu bieten hat. Das Zusammenspiel aus dem gut gedämmten, aber rau laufenden 303 PS starken Zweiliter-Vierzylinder-Benziner, der die Vorderachse antreibt, und dem 87-PS-Elektromotor an der Hinterachse klappt nahtlos. Außerdem hat der Benziner auch noch einen 34 kW/46 PS starken integrierten Startergenerator, der einerseits rekuperiert, andererseits den Verbrenner zusätzlich unterstützt. So hat der Schwede den meisten konventionellen Autos schon mal eines voraus: Drückt man aufs Gaspedal, wird ansatzlos beschleunigt.
Nach dem Start ist grundsätzlich der Hybrid-Modus aktiv, d.h. wenn der 10,4-kWh-Akku im Mitteltunnel gefüllt ist und man nur wenig Gas gibt, fährt man rein elektrisch. Im Fahrmodus „Pure“, wird die Strom/Sprit-Grenze noch ein Stück nach oben geschoben. Wie viel Gas man geben kann, bevor der Benziner anspringt, zeigt das rechte digitale Rundinstrument:
Einen reinen Elektromodus gibt es leider nicht und auch im Pure-Modus ist es im Test immer wieder vorgekommen, dass unvermittelt der Verbrenner angelaufen ist und der Elektromotor nicht verfügbar war, trotz fast vollem Akku.
Rein elektrisch kommt man realistisch 45 Kilometer weit, wenn man einigermaßen sachte unterwegs ist. Für Pendler, die innerhalb dieser Range unterwegs sind und günstig Ökostrom zapfen können, ist der Volvo V60 T8 also keine schlechte Wahl. Man muss sich dann eben mit schwachen Fahrleistungen begnügen, weil der Elektromotor an den mehr als zwei Tonnen Fahrzeuggewicht (nach DIN, also ohne Fahrer) logischerweise ganz schön zu schleppen hat. Außerdem muss man ganz genau auf die Anzeige schauen, damit nicht plötzlich der Vierzylinder startet. Zum Mitschwimmen im Berufsverkehr reicht es aber allemal.
Alle Systeme auf Sport!
Wer die geballte Power nutzen will, schaltet in den Sportmodus und genießt den beeindruckenden Schub, der ihn in den bequemen Sitz presst. Tempo 100 ist nach 4,9 Sekunden erreicht, maximal sind 250 km/h drin. Bis 170 km/h arbeiten beide Antriebe zusammen, erst darüber wird der Elektromotor abgekoppelt, um ein Überdrehen zu verhindern. Der Verbrauch steigt im Power-Modus deutlich, weil grundsätzlich der Akku mitgeladen wird, damit der E-Motor versorgt werden kann.
Darüber hinaus gibt es noch einen AWD-Modus, der nicht auf direkte Kraftentfaltung ausgelegt ist, sondern schlicht dauerhaft Allradantrieb gewährleistet.
Und so fährt sich der Volvo V60 T8
Wenn man gemächlich-gemütlich unterwegs ist und sich an der harten Federung nicht stört, kommt man mit dem Volvo V60 T8 gut zurecht. Man gleitet leise dahin, manchmal hört man den Motor ein wenig brummen (im Leerlauf im Stand vibriert er auch mal zwischendurch) und versucht, das Bediensystem, das über den großen Touchscreen gesteuert wird, zu verstehen.
Doch wer kauft ein 390 PS starkes Auto, wenn er die Leistung nicht auch mal ausnutzen will? Und genau das ist hier das Problem: Denn in dem Fall wünscht man sich dann eine gefühlvolle Lenkung und ein prägnantes Fahrwerk. Beides hat der V60 nicht. Schon bei normalem Tempo muss man in langgezogenen Kurven oft den Lenkeinschlag korrigieren (die Beifahrerin: „Ich habe gedacht, ich fahre so komisch!“). Bei zügiger Fahrt auf kurvenreichen Straßen wird es richtig unangenehm, weil die Rückmeldung von der Straße völlig fehlt und selbst die Mittenstellung der Lenkung nicht intuitiv zu finden ist.
Das Fahrwerk ist eine echte Überraschung: Da es sich grundsätzlich hart anfühlt (es sind 18-Zoll-Räder montiert), hätte ich ein richtig verbindliches Fahrgefühl erwartet. Doch tatsächlich wirkt es in schnellen Wechselkurven eher schwammig, der Wagen lehnt sich deutlich nach außen. Zudem neigt es auf welligem Untergrund zum Dröhnen.
Und dann die Bremse. Hm. Natürlich ist es prinzipiell gut, dass beim Tritt aufs Bremspedal zunächst rekuperiert wird, bevor dann die Betriebsbremse eingreift. Im Display sieht man auch, wie stark man aufs Pedal steigen kann, ohne „echt“ zu bremsen. Aber: So gut das Zusammenspiel beim Antrieb funktioniert, so schlecht funktioniert es bei der Bremse. Sauber, weich verzögern oder stark bremsen, ohne einen Ruck auszulösen, gelingt oft nicht.
Oder doch fahren lassen?
Der Testwagen war mit dem Pilot Assist ausgestattet, der bis 130 km/h selbsttätig den Abstand zum Vordermann sowie die Spur hält. Bzw. halten soll, denn zum einen war das System häufig nicht verfügbar (was uns früher bereits bei einem anderen Volvo-Modell passiert ist), zum anderen hat der Wagen in einer leichten Linkskurve auf der Südosttangente die Spur verlassen, um anschließend zurückzukehren - ohne eine Warnung. Das unterstützt erneut meine Skepsis gegenüber solchen teilautonomen Assistenten.
Einen anderen der vielen Assistenten möchte ich positiv hervorheben: Die Rückfahr- bzw. Rundum-Kamera ist gestochen scharf und lichtstark - sogar nachts, wenn es bei vielen anderen Herstellern am Bildschirm eher grob und unübersichtlich zugeht.
Ein Hoch auf den Lautstärkeregler!
Fast wie ein willkommenes Relikt aus alten Zeiten steht der große Volume-Drehknopf mitten am Armaturenbrett, unter dem hochformatigen Display. Damit kann man die Lautstärke regulieren sowie die Wiedergabe starten oder anhalten. Alles andere funktioniert über den Touchscreen, auch Klima, Sitzheizung usw. Nein, das ist nicht praktisch, außerdem muss man manche Funktionen wirklich suchen. Positiv ist (vor allem auf langen Nachtfahrten), dass man den Bildschirm per Tastendruck abschalten kann.
Ein Drehschalter startet den Motor: Man dreht ihn dazu nach rechts. Preisfrage: Wie schaltet man den Motor ab? Schalter nach links drehen? Nein. Auch wenn es unlogisch ist: Auch das Abschalten passiert per Rechtsdreh. Das kann für Verwirrung sorgen, weil bei einem Plug-in-Hybrid im Stand in den meisten Fällen ja kein Verbrennungsmotor anspringt, sondern erst einmal nur der Elektromotor „scharf“ ist.
Apropos Plug-in-Hybrid: Volvo sieht drei Arten zu laden vor, es gibt ein Kabel für die Haushaltssteckdose (10 A), eines für Drehstrom (16 A) sowie einen Typ-2-Stecker für öffentliche Ladesäulen. Eine Möglichkeit ist serienmäßig dabei, die anderen kann man dazubestellen.
Fast-Gratis-Elektromotor in Österreich
Hierzulande haben Volvo-Fans, die sich den Plug-in-Hybrid wünschen, den üblichen Vorteil: Auch der V60 T8 ist NoVA-befreit, weil er einen NEFZ-Verbrauch von 2,0 l/100 km aufweist (Stromverbrauch gilt vor dem Gesetzgeber nicht als Verbrauch). In der Realität ist das natürlich Blödsinn. Diesen Wert erreiche ich, wenn ich im Pure-Modus über Tangente und A22 in die Redaktion im 19. Wiener Gemeindebezirk fahre und hin und wieder kurz der Benziner anspringt. Insgesamt komme ich mit hin und wieder laden auf einen Durchschnittsverbrauch von rund acht Litern.
Der T8 ist nur in den beiden Top-Ausstattungniveaus bestellbar, somit kostet er mindestens 60.420 Euro (Ausstattung „Inscription“; R-Design 60.600 Euro; Testwagenpreis mit Extras: 76.980 Euro). Der V60 T6 AWD hat praktisch den gleichen Benzinmotor (allerdings mit 310 PS) und kostet inklusive 15 Prozent NoVA ab 59.213 Euro.
Unterm Strich
Der Volvo V60 T8 hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Auf der einen Seite bringt er einen hervorragenden Hybrid-Antriebsstrang mit, der echte 45 Kilometer E-Reichweite und sehr starke Fahrleistungen bietet. Mit realistischen acht Liter Verbrauch und dem 60-Liter-Tank sind auch brauchbare Gesamtreichweiten drin (das war bei der ersten Generation des Volvo XC90 T8 noch anders). Auf der anderen Seite ist der Wagen nicht so leicht intuitiv zu fahren: Die Bremse, aber auch die Lenkung verlangen Aufmerksamkeit und das Fahrzeug an sich wird von der gebotenen Leistung beinahe überfordert.
Für wen wäre der Schwede also eine gute Wahl? Design-Freunde mit einem Faible für Plug-in-Hybride und einem Hang zum Skandinavischen. Oder wie es die Beifahrerin formuliert: „Aber er ist doch urschön!“
Warum?
Dieses verzögerungsfreie Anfahren ist im Alltag extrem angenehm.
Das skandinavische Design
Gute elektrische Reichweite
Warum nicht?
Gefühllose Lenkung
Seltsames Bremsgefühl
Oder vielleicht …
… Mercedes C-Klasse Plug-in-Hybrid, VW Passat GTE, Kia Optima SW Plug-in-Hybrid
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