Große SUV-Coupés haben keinen sonderlich guten Ruf unter feingeistigen Business-Leuten. Zu protzig, böse Zungen sprechen auch gerne von proletoid. Klar, es macht schon Spaß, mit einem BMW X6 (Nachfolger kommt dieses Jahr) Brocken aus dem Asphalt zu reißen - sophisticated im Auftritt ist er nicht. Ganz im Gegensatz zum Audi Q8.
Da ist den Ingolstädtern ein wirklich allgemeintaugliches Stück Auto gelungen. Schon die Form ist nicht so pseudosportlich (wenn man es nüchtern betrachtet) wie beim Konkurrenten aus München oder dessen Stuttgarter Spät-Zwilling Mercedes GLE Coupé, sondern einfach schnittig. So nimmt man den Q8 auch völlig anders wahr, eher als den schönen Bruder des Q7, den er genau genommen geradezu alt und klobig aussehen lässt.
Großer, rein faktischer Vorteil an der Linienführung: Vorne kann man einsteigen, ohne den Kopf einziehen zu müssen (d.h. ohne die Gefahr, ihn sich zu stoßen), und hinten kann man auch als Erwachsener aufrecht sitzen, obwohl der Q8 vier Zentimeter flacher ist als der Q7.
Die Höhe von 1,71 Meter liegt auf BMW-X6-Niveau, Fahrzeuglänge und Radstand liegen knapp zehn Zentimeter über der Konkurrenz aus München und Stuttgart. Trotzdem ist der Q8 mit 4,99 Meter knapp sieben Zentimeter kürzer als der Q7. Statt sieben Personen kommen hier deren fünf unter. Der Kofferraum fasst 605 Liter, mit umgeklappten Rücksitzlehnen 1755 Liter.
Bedienung wie im Audi A8
Der Innenraum wirkt klar und elegant, die über die ganze Breite der Konsole laufende Leiste mit den integrierten Lüftungsdüsen erinnert an den VW Passat. Besonders edel: das nahtlos integrierte obere Display des „MMI touch response“-Bedienkonzepts, das aus dem A8 übernommen wurde. Es beinhaltet zwei Touchscreens, die haptisches Feedback geben; auf dem unteren kann man handschriftliche Eingaben tätigen, die besser erkannt werden als erwartet. Der obere Bildschirm misst bis zu 10,1 Zoll, der untere 8,6 Zoll. Darüber hinaus hat Audi die Spracheingabe mittlerweile ziemlich optimiert, sie wird aus der Cloud unterstützt.
Ein weiteres Display, 12,3 Zoll groß, übernimmt als virtuelles Kombiinstrument die Funktionen von Tacho & Co., ergänzt vom Head-up-Display, das Infos in die Windschutzscheibe projiziert.
Serienmäßig an Bord ist MMI Navigation plus, zu dem das „Audi connect“-Datenübertragungsmodul mit dem Standard LTE Advanced sowie ein WLAN-Hotspot gehören. Die Navigation erkennt die Präferenzen des Fahrers auf Basis der gefahrenen Strecken und soll ihm dadurch intelligente Vorschläge machen können. Die Online-Services von Audi connect ergänzen die Routenplanung vorausschauend. So profitieren Verkehrszeicheninformation und Gefahreninformation von der Schwarmintelligenz der Audi-Flotte. Optional kann das Fahrzeug über ein kompatibles Android-Smartphone verriegelt, entriegelt und gestartet werden.
Licht und Spiele
Die LED-Scheinwerfer sind serienmäßig an Bord, HD-Matrix-Scheinwerfer mit jeweils 24 Einzel-LEDs optional erhältlich. Am Heck geht das LED-Feuerwerk weiter: Hier dient die Beleuchtung nicht nur der Sicherheit, sondern auch dem Spieltrieb. Mit der myAudi-App lassen sich einige lustige Lichtfunktionen abrufen, mit denen man den Nachwuchs begeistern kann. Oder das Kind im Manne, das mag es bisweilen auch, wenn es bling-blingt.
Offroad ist auch drin
Das ganze Fahrzeug wirkt trotz aller Massivität athletisch und einem flotten Tanz auf dem Asphalt nicht abgeneigt. Nach Offroad sieht das SUV im Wesentlichen nur vorne aus, wo ein Unterfahrschutz die Front ziert. Der hinten angedeutete geht auch als Diffusor durch. Dennoch dürfte einem Ausflug ins Gelände wenig entgegenstehen, abgesehen von den bis zu 22 Zoll großen Felgen, die wegen schmaler Reifenflanken entsprechend empfindlich sind (285/40 R22, Serie 19 Zoll). Bis zu 25,4 Zentimeter Bodenfreiheit bieten durchaus Möglichkeiten. Standard ist ein Fahrwerk mit regelbaren Dämpfern (und 22 Zentimeter Bodenfreiheit), optional gibt es eine in der Höhe um neun Zentimeter variierbare Luftfederung, wahlweise in komfortabler oder sportlicher Abstimmung.
Dynamisches Versprechen
Der Allradantrieb ist serienmäßig und verteilt die Kraft über ein mechanisches Mittendifferenzial prinzipiell im Verhältnis 40:60 auf Vorder- und Hinterachse, das verspricht dank Heckorientierung eine Extra-Portion Fahrspaß. Je nach Bedarf kann der Großteil des Drehmoments auch an eine Achse gehen, ganz variabel. Ebenfalls gut für die Dynamik ist die optionale Allradlenkung. Die Hinterräder schlagen bis zu 5 Grad ein, je nach Tempo mit den Vorderrädern oder entgegengesetzt. Damit wirkt der Q8 flinker, als es Ausmaße und Gewicht (2145 kg nach DIN) erwarten lassen würden.
48 Volt und Geduldbedarf im Topdiesel
Die Motorisierung des Testwagens heißt 50 TDI. Das sagt ihnen nichts? So geht es uns auch. Also Klartext: An Bord ist ein Drei-Liter-V6-Diesel mit 286 PS und 600 Nm Drehmoment, der die Fuhre in 6,3 Sekunden von null auf 100 km/h pusht und weiter bis 232 km/h Spitze beschleunigt. Unterstützt wird der Turbodiesel von einem Riemen-Starter-Generator, der bei Bedarf mitbeschleunigt oder Energie für die Lithium-Ionen-Batterie gewinnt. Außerdem ermöglicht er zwischen 55 und 160 km/h lange Segelphasen mit deaktiviertem Motor und vor der Ampel ein besonders frühes Abschalten des Motors (bei 22 km/h). Insgesamt soll der Alltagsverbrauch dadurch um 0,7 l/100 km sinken.
So weit, so unauffällig. Was im Alltag aber auffällt, ist die extreme Verzögerung, mit der der Motor zur Sache kommt. Es dauert gemessene 2,25 Sekunden, bis wirklich Kraft kommt. Und das nicht nur beim Anfahren, sondern auch beim Beschleunigen während der Fahrt. Audi erklärt das mit dem Aktivieren der Abgasreinigung und gelobt, an einer Verbesserung zu arbeiten.
Alternativ sind mittlerweile zwei weitere Motoren im Angebot: der Q8 45 TDI (also die 231-PS Version des Testwagen) sowie der 55 TFSI, also der Dreiliter-Sechszylinder-Benziner mit 340 PS. Alle mit Allradantrieb und 48-Volt-Mildhybrid-System.
Volle Assistenzbreitseite
Zu den Assistenzsystemen, die im Audi Q8 verfügbar sind, gehören der adaptive Fahrassistent, der Kreuzungsassistent, die Spurwechselwarnung, die Bordsteinwarnung und die Umgebungskameras. Anfang 2019 folgen Remote Garagen- und Parkpilot. Damit steuert das SUV bei gleichzeitiger Überwachung durch den Fahrer selbsttätig in eine Garage/Parklücke und wieder heraus. Der Fahrer steigt vorher aus und aktiviert den Vorgang auf dem Smartphone. Das machen bis zu fünf Radarsensoren, sechs Kameras, zwölf Ultraschallsensoren und der Laserscanner möglich.
Unterm Strich
Im Vergleich zum Audi Q7 ist der Q8 das modernere und schönere Auto - und das begehrenswertere. Das muss einem den Aufpreis von 15.000 Euro schon wert sein. Der Basispreis für den Audi Q8 50 TDI quattro liegt bei rund 90.000 Euro. Klingt beinahe harmlos, denn der Wagen ist höchst repräsentativ und strahlt jene Dominanz aus, die auf seinem Hauptmarkt China so geschätzt wird. Doch da fängt der Spaß erst an, der Testwagen kommt auf fast 155.000 Euro. Aber wer will der Beifahrerin ohne Bang & Olufsen Advanced Sound System (8800 Euro) die Tür öffnen. Für Unterhaltung während der Fahrt (jedenfalls nachts bei leichtem Nebel) sorgen die LED-Matrix-Scheinwerfer mit ihren Lichtspielen (2300 Euro), im Stand der integrierte Fernseher mit CI+-Modul (2400 Euro).
Wirklich protzig wirkt der Q8 dann noch immer nicht.
Warum?
Der schönere Q7, das eleganteste SUV-Coupé
Höchst moderne Ausstattung
Warum nicht?
Die Anfahrverzögerung nervt.
Oder vielleicht …
… BMW X6, Mercedes GLE Coupé
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