Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht das Friedensprojekt Europa in Gefahr. Immer öfter müssten vor allem sozial Schwache als Sündenböcke herhalten, es werde mit Angst-besetzten Bildern und Begriffen hantiert und Europa drohe wieder, in kleinkrämerischem Nationalismus zu versinken, so der Bundespräsident anlässlich der Eröffnung der zehnten Frühjahrsakademie im steirischen Stift Vorau. Das eigentliche Ziel Europas und der Europäischen Union, ein gutes Leben für alle, auch die künftige Generation, zu ermöglichen, gerate dabei immer mehr aus dem Blick.
Die größte Herausforderung, der sich die Menschheit im Moment gegenübersieht, ist für Van der Bellen jedoch der Klimawandel. „Wir wissen das alle, aber es passiert zu wenig. Reden sind genug gehalten, es braucht jetzt endlich Taten gegen den Klimanotstand. Gefordert sind alle, die Bevölkerung, die Staaten.“ Europa müsse sich zum Ziel setzen, weltweiter Innovationsführer bei Klimaschutz-Technologien, globaler Treiber beim notwendigen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter und damit der Vorreiter für ein nachhaltiges Zeitalter zu werden.
Lob für Klimastreiks der Schüler
Lobend erwähnte er in diesem Zusammenhang die Aktion „Fridays for Future“, eine mittlerweile internationale Bewegung, die rund um die schwedische Schülerin und Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg entstanden ist. Der Bundespräsident zeigte sich zutiefst beeindruckt von den mittlerweile Millionen jungen Menschen weltweit, die fast wöchentlich für den Kampf gegen die Klimakatastrophe auf die Straße gehen.
Van der Bellen besorgt über „Technologisierung, die den Menschen verdrängt“
Endlich angehen müsse die EU auch den Umgang mit digitalem Kapitalismus und der Technologisierung in vielen Bereichen. „Wir müssen in Europa die Richtung der Entwicklung der Digitalisierung und bei künstlicher Intelligenz mitbestimmen. Wir dürfen sie nicht anderen überlassen“, ist Van der Bellen überzeugt. Besorgt zeigte er sich etwa über eine zunehmende Technologisierung, die den Menschen als Arbeitskraft immer mehr verdränge.
Appell an Europa
An die Verantwortungsträger auf Europa-Ebene appellierte er: „Wir in Europa müssen alles tun, damit unsere Grundwerte Demokratie, Recht auf Privatsphäre und soziales Miteinander den Weg bestimmen, nicht nur das technisch mögliche.“ Eine engere Zusammenarbeit zwischen den EU-Staaten brauche es auch, um mit Wirtschaftsmächten wie Russland, China oder den USA mithalten zu können.
„Nationalstaaten alleine weltpolitisch zu klein“
Konkret sprach Van der Bellen etwa von einer gemeinsamen EU-Außenpolitik oder europäischen Institutionen, die in der Lage seien, gemeinsame Interessen weltpolitisch wahrzunehmen. In einigen Ländern der Union breite sich allerdings wieder ein Nationalismus aus, doch die Nationalstaaten alleine, selbst Deutschland, seien weltpolitisch zu klein, um die Herausforderungen gegenüber den USA, China oder Russland bewältigen zu können. Einen dem Brexit ähnlichen Öxit befürchtet er deshalb nicht, denn das britische Chaos sei abschreckend genug.
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