Geht es nach der EU-Kommission, dann muss Europa im Hype rund um die Entwicklung künstlicher Intelligenz mit „vertrauenswürdiger KI“ punkten. Die Präsentation von ethischen Leitlinien in Brüssel durch eine Expertengruppe soll die Weichen in diese Richtung stellen. Für den Technikphilosophen Mark Coeckelbergh braucht es rasch Regeln, sonst drohe der „Wilde Westen“.
Legt der Mensch zukünftig Aufgaben und die damit einhergehenden Entscheidungen in die Hände von KI, muss sichergestellt werden, dass dies nicht abseits von Moral, ethischer Grundhaltungen und gesetzlicher Regeln geschieht. Die rund 50-köpfige Expertengruppe hat daher „Ethische Leitlinien für vertrauenswürdige KI“ erarbeitet, wie die EU-Kommission in einer Aussendung mitteilte.
Diese beinhalten etwa die Gestaltung und Kontrolle solcher Systeme unter menschlicher Aufsicht, das Achten auf Robustheit und Sicherheit, die Erfüllung von Datenschutzprinzipien, die Nachvollziehbarkeit der Arbeit der Systeme, die Nicht-Diskriminierung benachteiligter Gruppen durch die Entwicklungen, die Berücksichtigung gesellschaftlicher und ökologischer Konsequenzen von Technologien und eine Rechenschaftspflicht.
Darüber hinaus gibt das Gremium, in dem sich neben dem an der Universität Wien tätigen Coeckelbergh drei weitere Vertreter aus Österreich finden, auch Empfehlungen zum Umsetzen der Leitlinien. An dieser Stelle entscheide sich auch, ob diese „Chance für Europa“, hier eine Pionierrolle einzunehmen, ergriffen wird, so der Technikphilosoph.
„Balance zwischen der Ethik und dem, was die Industrie will“
Gerade zu Fragen der Verbindlichkeit gab es in der in etwa zu gleichen Teilen von Experten aus dem akademischen Bereich und Leuten aus der Industrie oder Interessensvertretern zusammengesetzten Gruppe durchaus Diskussionsstoff.
Angesichts der angestrebten „Balance zwischen der Ethik und dem, was die Industrie will“, sei vieles dann auch eher unkonkret geblieben, so Coeckelbergh, der durchaus die Gefahr sieht, dass die Leitlinien zum Feigenblatt verkommen und kaum etwas davon in die Praxis Einzug hält.
Das Papier sei sicher „ein guter Start“, die Politik müsse dann aber konkrete Schritte daraus ableiten. Im Sommer will die Kommission eine Pilotphase zur Implementierung der Leitlinien starten. Interessenten können im Rahmen der „European AI Alliance“ teilnehmen. Die Ergebnisse dieser Phase sollen dann in einen weiteren Bericht der Expertengruppe an die Kommission einfließen, heißt es.
Die Zeit drängt
Viel Zeit für gute Regulierungen habe man jedenfalls nicht, denn die Technologie „entwickelt sich ziemlich schnell“, so Coeckelbergh. Zumindest sollten Unternehmen dazu verpflichtet werden, nachvollziehbar darzustellen, dass ihre Entwicklungen bestimmte Gruppen nicht benachteiligen und Datenschutz gewährleistet bleibt.
So sollte etwa auch eine Agentur eingerichtet werden, die sich mit dem Thema auf europäischer Ebene beschäftigt und für Verbindlichkeit sorgt. Auch auf der Ebene der einzelnen Staaten brauche es Maßnahmen, damit Europa nicht zum „Wilden Westen in Sachen KI“ zu wird.
Anreize statt Verbote
Hier müsse auch nicht immer mit Verboten und Gesetzen gearbeitet werden, man könne auch auf Anreizsysteme setzen. Komme keine Regulierung, läuft man laut Coeckelbergh Gefahr, dass die zunehmende Automatisierung neue Probleme mit sich bringt.
So gebe es in China zwar bereits eine KI-Strategie inklusive ethischer Richtlinien, angesichts des weitreichenden Einsatzes von Gesichtserkennungssystemen, sei jedoch fraglich, „ob man dort Ethik wirklich ernst nimmt“, so Coeckelbergh.
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