Menschen für Menschen

Äthiopien: Das schwere Erbe des Karlheinz Böhm

Österreich
15.04.2019 06:00

„Menschen für Menschen“ unterstützte bisher mehr als 5,5 Millionen Menschen in Äthiopien. Und dennoch: Das prominente Zugpferd fehlt.

Eine Büste des Schauspielers vor dem Eingang, ein großes Porträt im Vorhaus – in der „Menschen für Menschen“-Zentrale im äthiopischen Addis Abeba ist die 2014 verstorbene Schauspielikone Karlheinz Böhm omnipräsent. Und auch in den Köpfen aller Beteiligten ist dessen Tod noch nicht ganz verarbeitet. „Karl machte mich zu der Persönlichkeit, die ich heute bin“, schwelgt der neue Landeschef, Böhms ehemaliger Übersetzer Berhanu Negussie, in Erinnerungen.

Böhm habe die Arme geöffnet, gelacht und die Leute umarmt – und das sei einzigartig gewesen. Seit dessen berühmtem Aufruf bei „Wetten, dass..?“ (siehe unten) hat sich bei „Menschen für Menschen“ vieles getan – und damit auch für 5,5 Millionen der ärmsten Äthiopier.

21 Regionen, zusammen so groß wie zwei Drittel Österreichs, konnte die Organisation bereits unterstützen. In zehn der Gebiete wurde die Verantwortung bereits der Bevölkerung übergeben. Ein Erfolgsprojekt über Jahrzehnte, denn den Menschen wird das Geld nicht einfach in die Hand gedrückt. Ihnen wird nur geholfen, sich ein besseres Leben aufzubauen. Das weiß auch die Familie von Tsagaye Abera (42) sehr zu schätzen. Der Farmer gilt als Aushängeschild. Er begann, Apfelbäume, Kaffee und Getreide anstatt von Kartoffeln anzubauen – mit Erfolg. Nun hilft er auch anderen Äthiopiern, der Armut zu entfliehen.

Mit den Bereichen Gesundheit, Bildung, Wasser, Einkommen und Landwirtschaft versucht es die Organisation mit einem ganzheitlichen Ansatz. Und kann auf eine erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Und doch fehlt seit dem Tod Böhms das prominente Zugpferd. Der charismatische Schauspieler begeisterte die Massen – womit auch genug Geld vorhanden war. Nun kämpfen allein in Äthiopien rund 600 Personen Tag für Tag dafür, Böhms Erbe am Leben zu erhalten. Denn eines ist sicher: Trotz des schweren Verlustes lebt der Geist Böhms in seinem Herzensprojekt weiter. Und seine Nachfolger haben große Ziele. Sie wollen auch weiterhin Millionen von Afrikanern aus der Armut helfen.

Es begann mit einer Wette
Unzählige Fernsehzuschauer aus Österreich, Deutschland und der Schweiz saßen am 16. Mai 1981 vor ihren TV-Bildschirmen, als Schauspielikone Karlheinz Böhm (3. von rechts) bei Frank Elstners „Wetten, dass..?“auftrat. Der Mime sprach über seinen Afrikabesuch und die Armut der dortigen Bevölkerung. Also wettete er aus Wut über die Ungerechtigkeit mit dem Publikum, „dass nicht einmal jeder dritte Zuseher eine Mark, einen Franken oder sieben Schilling für Menschen in der Sahelzone spendet“. Der Plan ging auf: 8,4 Millionen Schilling bildeten den Grundstock für die Arbeit von „Menschen für Menschen“. Dass der Tag nicht nur sein Schicksal, sondern auch das von bisher 5,5 Millionen Menschen bestimmen würde, war wohl nicht einmal ihm selbst bewusst.

(Bild: ZDF/Renate Schäfer)

„Krieg gegen die Armut“
Journalist Tom Gardner lebt seit zweieinhalb Jahren in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba.

„Krone“: Wie hat es Sie nach Addis Abeba verschlagen?
Tom Gardner: Ich wollte den Kontinent entdecken. Beim „Economist“ suchte ich ein Land, wo nicht zu viele andere Journalisten sind. Der Ausnahmezustand wurde nur eine Woche später ausgerufen. Dennoch ist es ein sehr spannendes Land, ich bin glücklich, in der ersten Reihe zu sitzen.

Wie würden Sie einem Laien das Land beschreiben?
Vielfältig und spannend. Eine große Zahl an ethnischen Gruppen kann nichts mit der nationalen Identität anfangen. Zuversicht ist spürbar. Eine Frau ist Leaderin, man hofft auf demokratische Wahlen. Aber es ist gespalten, Konflikte flammen auf, Unsicherheit breitet sich aus. Es wächst unglaublich schnell, viel wird gebaut. Die Regierung hat die Geschwindigkeit dabei unterschätzt.

Journalist Tom Gardner (Bild: Charlie Rosser)
Journalist Tom Gardner

Mit welchen Problemen kämpfen die Äthiopier?
Es ist ein Krieg gegen die Armut. Die Wirtschaft kommt nicht mit, es sind nicht genug Jobs vorhanden. 50 Prozent der Population sind Kinder, es gibt aber zu wenige Jobs. Wenn nicht genug da ist, führt das wieder zu ethnischen Problemen.

Daten und Fakten
Die Demokratische Republik Äthiopien ist circa dreimal so groß wie Deutschland. Die rund 105 Millionen Einwohner bestehen aus orthodoxen Christen (43,5%), Muslimen (33,9%) und Protestanten (18,5%). In der Hauptstadt Addis Abeba leben 3,2 Millionen Menschen. Insgesamt werden neben der Amtssprache Amharisch noch mehr als 70 Sprachen und Dialekte gesprochen, was häufig zu ethnischen Problemen führt. Fast die Hälfte der Bevölkerung sind Kinder.

Spendenkonto „Menschen für Menschen“, Raiffeisen Bank, IBAN AT28 3200 0000 0022 2000, Kennwort „Selbsthilfe“.

Stefan Steinkogler, Kronen Zeitung

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