Vergangene Woche sind schwere Vorwürfe gegen die Ballettakademie der Wiener Staatsoper bekannt geworden. Demütigungen, Brutalität, Gewalt und sogar sexuelle Übergriffe soll es da gegeben haben, fragwürdige Erziehungsmethoden sollen beim Lehrpersonal beliebt gewesen sein. Der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft waren die offenbar systematischen Quälereien an der Ballettakademie seit Längerem bekannt. Die Behörde war seit Dezember am Haus tätig. Viele Schüler haben aber auch glückliche Erinnerungen an die Akademie - eine von ihnen ist Natascha Mair, nunmehr erste Solotänzerin am Wiener Staatsballett (vollständiges Interview im Video).
Die Anschuldigungen gegen die Ballettakademie der Wiener Staatsoper wiegen schwer. Eine mittlerweile entlassene Ballettlehrerin soll Kinder ausgesprochen grob behandelt, gekratzt, getreten und verbal gedemütigt haben. Ein weiterer Lehrer, den die Staatsoper ebenfalls suspendiert hat, soll einen Schüler aufgefordert haben, an ihm geschlechtliche Handlungen vorzunehmen. Untergriffige Kommentare über die Figur der Mädchen sollen ebenso gang und gäbe gewesen sein wie zweifelhafte und ungesunde Diätratschläge. Staatsoperndirektor Dominique Meyer will derartige Zustände nicht dulden. Eine lückenlose Aufklärung des Skandals wünscht sich die Staatsoper genauso sehr wie die Eltern der Schülerinnen und Schüler.
„Hatten immer Spaß“
Wie das in jedem Skandal um eine Institution der Fall ist, betreffen die Missstände aber nicht alle Schüler. Natascha Mair, nunmehr erste Solotänzerin am Wiener Staatsballett, erinnert sich an eine glückliche Zeit an der Akademie zurück. Vor sieben Jahren hat sie diese abgeschlossen. Ihr waren keine Vorfälle von physischen oder psychischen Misshandlungen bekannt, sagt sie. Essstörungen gab es auf jeden Fall, erzählt Mair, doch die hätten sich ihrer Einschätzung nach ohne Zutun der Lehrer entwickelt. „Im Ballett arbeiten wir tagtäglich mit dem Körper, und die Ästhetik ist sehr wichtig. Natürlich kann es in der Pubertät zu Veränderungen kommen und man ist sich dessen sofort bewusst. Manche gehen damit ganz anders um als andere.“ Anstrengend sei der Alltag in der Schule jedenfalls - den halben Tag wird getanzt, die andere Hälfte gelernt. „Aber es war es wert“, lächelt Mair. „Wir hatten immer Spaß, wir hatten eine super Klassengemeinschaft und alle in meiner Klasse waren im Endeffekt bereit fürs Berufsleben.“ Auch eine Gruppe von Eltern der Elevinnen und Eleven hat sich zusammengeschlossen und in einem offenen Brief beteuert, ihre Kinder würden die Ballettausbildung an der Staatsoper sehr positiv erleben.
Bangen um Möglichkeit zur Matura
Dass das Angebot an psychologischer Betreuung nun verstärkt sowie Ernährungsberatung eingeführt werden soll, befürwortet Mair: „Das hatten wir alles nicht und das wäre natürlich toll gewesen.“ Besonders wünscht sie sich aber ein Bestehenbleiben der Zusammenarbeit zwischen der Akademie und einem Gymnasium. „Es ist einfach wichtig, die Matura zu machen. Ohne das ist es praktisch unmöglich. Es würde mir leidtun für die Schüler, falls das in Zukunft nicht mehr möglich sein wird.“ Die Wiener Bildungsdirektion hat beim Bildungsministerium angeregt, die Kooperation der Ballettakademie mit dem Gymnasium in der Boerhaavegasse zu überprüfen.
Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft offiziell ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Vorerst richtet sich dieses gegen drei Verdächtige - zwei ehemalige Lehrerinnen und einen männlichen Kollegen. Ermittelt wird in Richtung Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses (§ 212 StGB) und Quälen von unmündigen Personen (§ 92 Absatz 1 StGB). Das Strafgesetzbuch sieht dafür Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren vor.
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