Vergangene Woche war ich mit meinem Rennrad in Italien unterwegs. Dabei radelte ich durch kleine Dörfer und natürlich ist die Espresso-Bar der beste Ort, um mit den Leuten dort zu plaudern. Dabei zeigt sich, dass in diesen Regionen die Erwartungen und täglichen Sorgen mit denen in Österreich sehr vergleichbar sind. Und wir teilen auch eine gemeinsame Sehnsucht: Dass unsere Traditionen, der Lebensstil, wie wir ihn in ganz Europa pflegen, erhalten bleibt.
Arbeitsplätze, soziale Sicherheit, Umwelt, Lebensqualität auf dem Land, die Pflege im Alter und die Migration berühren uns alle. Warum bekommen wir von der Politik auf diese Fragen nur wenige oder unbefriedigende Antworten?
Sicher, Migration ist ein Thema. Aber das Entscheidende, um unseren Wohlstand in Europa zu sichern, ist es aus meiner Sicht nicht. Obwohl uns das manche in der Politik fast täglich glauben machen wollen.
Lassen Sie mich für einen Moment träumen, was passieren müsste, damit alles einigermaßen bleibt, wie es ist. Die Vereinigten Staaten von Europa wären so ein - zugegebenermaßen großer - Schritt: Ein europäischer Präsident führt eine europäische Regierung, dazu ein starkes europäisches Parlament, eine europäische Verfassung, einheitliche europäische Steuergesetze - das wäre mein Traum. Dazu europäische Sozialstandards und ein wirksamer europäischer Außengrenzschutz, verbunden mit einer echten Hilfe für Afrika.
Warum ich das für wichtig halte? Nun, bei der Sicherheit, dem Umweltschutz, in der Wirtschaft, in Sozialfragen, bei den Steuergesetzen kann Europa mit Mächten wie China, Indien und den USA nur als großes Ganzes auf Augenhöhe verhandeln.
Was bringt es, wenn Europas Regierungschefs ihre Eitelkeit bedienen und nacheinander zu Donald Trump in das Weiße Haus pilgern, aber außer Erinnerungsfotos nichts nach Hause bringen?
Warum sollen 1,3 Milliarden Chinesen und 320 Millionen Amerikaner den Regierungschef eines Landes mit acht Millionen Einwohnern ernst nehmen? Wir Europäer müssen unsere Interessen wahren. Gleichzeitig müssen wir unsere Traditionen in den Regionen schützen und ausbauen. Das ist unsere Stärke. Die Bürger in den Regionen wissen am besten, was gebraucht wird. Für die globalen Themen gibt es Europa, für die anderen Entscheidungen regionale, bürgernahe Politik.
Aber wie läuft die Politik derzeit ab?
In der Bildung weigern wir uns in Österreich aus ideologischen und machtpolitischen Gründen beharrlich, etwas zum Besseren zu verändern.
In der Sozialpolitik wird die Situation nicht nur für die Ärmsten schwieriger, auch die Mittelschicht verliert.
In Sicherheitsfragen wurde ein wirksamer Außengrenzschutz und eine Personalaufstockung der Polizisten an Europas Grenzen versprochen.
Viele Ankündigungen, die im politischen Nichts enden.
Die Universitäten sind nur Durchschnitt, in der Forschung geht wenig weiter.
Europa wird von China, Indien und den USA abgehängt - die Konkurrenten freuen sich bestimmt, dass man sich in Europa lieber selbst im Weg steht, anstatt den Kampf aufzunehmen. Ja, ich nenne es Kampf. Denn wir Europäer repräsentieren Freiheit, Tradition, Innovation, Kultur und wirtschaftliche Stärke. Noch.
Wenn wir uns nicht verteidigen, werden uns andere Lebensweisen aufgedrängt. Ich aber will nicht wie Amerikaner und Chinesen leben.
In meiner Arbeit als Universitätsprofessor in Salzburg arbeite ich auch mit Studenten aus Asien zusammen. Und noch nie habe ich Koreaner, Chinesen und Japaner getroffen, die nach ihrem Studium wieder in ihre Heimatländer zurück wollten. Auch das zeigt uns: Europa ist ein Sehnsuchtsort. Verteidigen wir es!
Ihr Martin Grubinger
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