Was für ein historischer Auftritt von Dominic Thiem! Der 25-jährige Niederösterreicher avancierte zum ersten Spieler überhaupt, der Rafael Nadal im Halbfinale oder Finale des mit mehr als 2,7 Millionen Euro dotierten Tennis-ATP500-Turniers in Barcelona besiegen konnte. Thiem setzte sich in der Vorschlussrunde gegen den topgesetzten Spanier nach extrem starker Leistung verdient 6:4, 6:4 durch.
Der als Nummer drei gesetzte ÖTV-Star verkürzte nach einem etwas mehr als zweistündigen packenden Fight im Head-to-Head mit dem „Sandplatzkönig“ auf 4:8. Seit 2016 gelang ihm jedes Jahr ein Triumph gegen den ehemaligen Weltranglisten-Ersten. Alle Siege konnte Thiem auf Sand feiern, er ist damit der einzige Spieler auf der Tour neben dem Serben Novak Djokovic (sieben Siege), der Nadal auf diesem Belag zumindest viermal besiegt hat. „Ich bin sehr stolz, weil er der beste Spieler aller Zeiten auf dem Belag ist. Wir hatten immer großartige Matches, heute wieder, ich war einfach der Glücklichere“, resümierte Thiem in einem ersten Interview auf dem Court. Sein Finalgegner am Sonntagnachmittag ist der Russe Daniil Medwedew, der gegen den Japaner Kei Nishikori mit 6:4, 3:6, 7:5 die Oberhand behielt. Thiem kämpft dabei um seinen 13. Titel auf der Tour, den neunten auf Sand. Seinen bisher einzigen Turniersieg 2019 holte er in Indian Wells auf Hartplatz. Unabhängig vom Ausgang sind ihm 253.000 Euro an Preisgeld und 300 Weltranglisten-Punkte bereits sicher. Thiem wird in jedem Fall Fünfter in der Rangliste bleiben.
Beide Akteure starteten mit je zwei souveränen Aufschlagsspielen in die Partie, danach übernahm Thiem klar die Initiative, agierte mutiger und stellte Nadal mit extrem druckvollen Schlägen vor große Probleme. Der Niederösterreicher erarbeitete sich die ersten drei Breakchancen und verwertete die letzte davon aufgrund eines Doppelfehlers des Spaniers zum 3:2. Zu-Null zog er in der Folge auf 4:2 davon und war weiter in Fahrt. In einem Marathon-Game ließ Österreichs Nummer eins aber gleich vier Breakmöglichkeiten aus und zog nach fast einer Viertelstunde doch noch den Kürzeren. Bei eigenem Aufschlag zeigte Thiem dennoch keine Nerven, ließ im ganzen ersten Satz keine Breakchance zu und servierte mit seinem zweiten Satzball zum 6:4 aus. Der Gewinn des Satzes war leistungsgerecht, Thiem hatte in den meisten Statistiken die Nase vorne. Er schlug mehr Winner (11:9), ihm unterliefen weniger unerzwungene Fehler (13:15) und auch beim Aufschlag (2:0-Asse/0:4-Doppelfehler) hinterließ er den besseren Eindruck.
Gleich nach Wiederbeginn nahm die ohnehin enorm spannende Partie nochmals an Hochklassigkeit zu. Thiem hätte einen Start nach Maß hinlegen können, Nadal wehrte aber zwei Breakchancen des ÖTV-Spielers stark ab. Thiem selbst ließ es weiter nicht einmal so weit kommen, auch aufgrund eines tollen Rückhand-Winners, der die erste Chance Nadals auf einen Game-Gewinn bei Aufschlag Thiems verhinderte. Der 32-jährige Spanier hatte bei seinem Aufschlag immer wieder deutlich mehr Mühe, auch da Thiem das eine oder andere Mal mit sehenswerten Stoppbällen für Aufsehen sorgte. Beim Stand von 2:2 erarbeitete sich Thiem mit einer einhändigen Rückhand zwei Breakbälle und nutzte den zweiten davon dank eines leichten Vorhandfehlers von Nadal - das sollte vorentscheidend sein. Thiem schwächelte nur kurz vor dem Ausservieren, geriet da mit 0:40 in Rückstand. Mit einem Netzangriff, Stopp und Ass kämpfte er sich aber zurück ins abschließende Game und verwertete nach etwas mehr als zwei Stunden gleich seinen ersten Matchball. Der Ranglisten-Zweite Nadal hatte zuvor in 22 Partien in Barcelona in den entscheidenden beiden Runden nur einen Satz abgeben müssen.
Thiem ist in Barcelona weiter ohne Satzverlust, nachdem er zuvor Diego Schwartzman, Jaume Munar und Guido Pella ausgeschaltet hatte. Die Finalteilnahme in Barcelona ist keine Premiere, 2017 hatte er gegen Nadal mit 4:6,1:6 verloren. Der Lichtenwörther könnte in die Fußstapfen von Thomas Muster treten, der in Barcelona 1995 und 1996 den Titel geholt hat. „Ich liebe das Turnier und will morgen noch einen weiteren Schritt machen, aber Daniil ist in der Form seines Lebens“, rechnete Thiem mit harter Gegenwehr des als Nummer sieben gesetzten Russen.
Nadal: „Thiem hat großartig gespielt“
Nadal gab sich indes als fairer Verlierer. „Ich war absolut konkurrenzfähig, aber er hat großartig gespielt und alles so gemacht, wie er es machen muss, um Erfolg zu haben“, sagte der Spanier. Er selbst habe das Match genossen. „Ich habe mich das erste Mal wieder richtig gut gefühlt und bin happy, dass ich in dieser Woche einen Schritt nach vorne gemacht habe“, so der 32-Jährige. Das Positive habe auch gegen Thiem überwogen. Als einen Grund für die Niederlage führte der elffache Barcelona-Sieger seine Aufschlagleistung an. „Das war ein wichtiger Faktor. Ich habe nicht so gut serviert und vor allem auch beim zweiten Aufschlag Probleme gehabt“, analysierte Nadal. Im Finale drückt er dem Niederösterreicher die Daumen. „Er ist ein großartiger Mensch und Spieler, ich wünsche ihm nur das Beste für morgen“, verlautete der „Sandplatz-König“. In Zukunft könnte Thiem auf jenem Thron landen, auf dem Nadal in seiner Karriere schon öfters war - der Weltranglisten-Spitze. „Warum nicht? Es gibt einige Spieler, die Nummer eins werden können. Es ist keine einfache Sache, aber er ist ein guter Spieler und harter Arbeiter“, sagte der Ranglisten-Dritte über einen seiner Verfolger.
Hier der Liveticker zum Nachlesen:
Steckbrief von Dominic Thiem
Geboren: 3. September 1993 in Wiener Neustadt (NÖ)
Wohnort: Lichtenwörth bzw. Hinterbrühl (NÖ)
Größe/Gewicht: 1,85 m/79 kg
Schlagtechnik: Rechtshänder, einhändige Rückhand
Profi: seit 2011
Trainer: Günter Bresnik, aktueller Touring-Coach: Nicolas Massu (CHI)
Bisher beste WRL-Platzierung: 4.
Größte Erfolge:
ATP-Titel (12): 2015 Nizza, Umag, Gstaad (alle Sand) - 2016 Buenos Aires (Sand), Acapulco (Hartplatz), Nizza (Sand), Stuttgart (Rasen) - 2017 Rio de Janeiro (Sand) - 2018 Buenos Aires, Lyon (beide Sand), St. Petersburg (Hartplatz/Indoor) - 2019 Indian Wells (1. ATP-Masters-1000-Triumph/Hartplatz)
ATP-Finale (7): 2014 Kitzbühel (Sand) - 2016 München (Sand), Metz (Hartplatz/Indoor) - 2017 Barcelona, Madrid (beide Sand) - 2018 Madrid, French Open (beide Sand)
Grand Slam: Finale French Open 2018, Halbfinale French Open 2016 und 2017, Viertelfinale US Open 2018, Achtelfinale Australian Open 2017 und 2018, Wimbledon 2017 sowie US Open 2014, 2016 und 2017
2016, 2017 und 2018 für die ATP Finals in London qualifiziert
Junioren-Finale: French Open 2011
Besonderheiten:
bisher einziger Österreicher mit ATP-Titel auf Rasen
seit 6. Juni 2016 immer in den Top Ten der Weltrangliste
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