Schöne neue Arbeitswelt - in den Versandzentren von Amazon ist sie offenbar längst traurige Realität. Wer hier nicht schnell genug Bestellungen abarbeitet und Artikel verpackt, wird automatisch aussortiert. Ein smartes Überwachungssystem, das jeden Mitarbeiter auf Schritt und Tritt verfolgt und bewertet, übernimmt die undankbare Aufgabe.
Im hart umkämpfen Versandgeschäft zählt jede Sekunde. Besonders zu spüren bekommen das offenbar die Mitarbeiter von Amazon, die in den riesigen Lagerhallen des Versandhändlers jede Bestellung verfolgen, sortieren und verpacken, bevor sie auf den Weg zum Käufer geschickt wird. Nicht selten müssten pro Stunde Hunderte Kartons gepackt werden, um die geforderte Quote zu erfüllen, berichtet „The Verge“. „Du hast immer jemanden hinter dir, der bereit ist, deinen Job zu übernehmen“, zitiert das US-Magazin die prominente Amazon-Kritikerin und Co-Direktorin der NGO Institute for Local Self-Reliance, Stacy Mitchell.
Automatisiert erstellte Entlassungen
Besonders perfide: Wie produktiv der einzelne Mitarbeiter ist, wird von einem tief in die Arbeitsprozesse integrierten Tracking-System erfasst. „Das System von Amazon verfolgt die Produktivitätsraten jedes einzelnen Mitarbeiters“, zitiert „The Verge“ aus dem Schreiben eines Anwalts, der Amazon vertrat, „und generiert automatisch Warnungen oder Kündigungen bezüglich Qualität oder Produktivität, ohne Input von Vorgesetzten“. Sprich: Das System kündigt automatisch Mitarbeiter, sobald diese die Erwartungen nicht mehr erfüllen.
300 Mitarbeiter gefeuert
Allein in einem Versandzentrum in Baltimore sollen demnach zwischen August 2017 und September 2018 auf diese Art 300 hauptberufliche Mitarbeiter wegen Ineffizienz entlassen worden sein - immerhin ein Zehntel der dortigen Belegschaft. Insgesamt betreibt Amazon in den USA 75 solcher Zentren mit mehr als 125.000 Beschäftigten - was bedeute, dass jährlich Tausende ihre Jobs verlören, weil sie es versäumt hätten, Pakete schnell genug zu bewegen, so „The Verge“.
Nur Zahlen, keine Menschen
Kritiker sähen in dem System eine Maschine, die nur Zahlen und keine Menschen sieht, heißt es in dem Bericht. „Eines der Dinge, die wir immer wieder von den Mitarbeitern hören, ist, dass sie wie Roboter behandelt werden, weil sie von diesen automatisierten Systemen überwacht und beaufsichtig werden“, sagt Mitchell. Amazon selbst betonte gegenüber dem US-Magazin, dass Vorgesetzte in der Lage seien, die automatisiert ausgesprochenen Kündigungen außer Kraft zu setzen - wie oft das tatsächlich geschieht, ist nicht bekannt.
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