Nach knappem Sieg
Bürgermeisterwahl in Istanbul wird wiederholt
Mehr als einen Monat nach den Bürgermeisterwahlen in der Türkei hat die türkische Wahlkommission die Abstimmung in Istanbul annulliert und eine Wiederholung angeordnet. Damit gab sie am Montag einem Antrag der Regierungspartei von Präsident Recep Tayyip Erdogan statt, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Türkischen Medien zufolge wird der neue Urnengang am 23. Juni abgehalten.
Ekrem Imamoglu von der oppositionellen Republikanischen Volkspartei (CHP) war Ende März bei den Kommunalwahlen knapp als Sieger hervorgegangen. Nach einer teilweisen Neuauszählung der Stimmen schrumpfte der Vorsprung auf seinen Konkurrenten von der regierenden AKP, den ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yildirim. Die AKP beantragte daraufhin eine Wiederholung der Abstimmung und forderte auch eine Überprüfung der Wahlhelfer.
Das wochenlange Gezerre um das Ergebnis in der größten Stadt der Türkei wurde auch international aufmerksam verfolgt. Die Entscheidung der Wahlkommission könnte sich auch auf die ohnehin angeschlagene türkische Wirtschaft auswirken und zu einem weiteren Verfall der Lira führen. Die Türkei befindet sich seit Ende des Jahres in der Rezession. Die Inflation liegt konstant hoch bei rund 20 Prozent. Vor allem Lebensmittel werden immer teurer.
Erdogan: „Diebstahl an den Urnen“
Der Präsident und AKP-Chef hatte schon kurz nach der Wahl von Regelwidrigkeiten und „Diebstahl an den Urnen“ gesprochen. Es war von Wahlbeobachtern die Rede, die früher Staatsbeamte gewesen, per Dekret aber während des Ausnahmezustands aus dem Staatsdienst entlassen worden seien. Am Samstag hatte Erdogan erneut deutlich gemacht, dass er die Abstimmung in Istanbul für unrechtmäßig hält. Damit erhöhte er auch den Druck auf die Hohe Wahlkommission, dem Antrag auf Annullierung stattzugeben.
Für die Wahl des Stadtparlaments hat die AKP im Übrigen keine Wiederholung beantragt. Hier gewann sie bei der Kommunalwahl die Mehrheit der Sitze.
Kritik aus EU und Opposition
Wahlsieger Ekrem Imamoglu bezeichnete die Entscheidung als „Verrat“. „Sie versuchen, die Wahl, die wir gewonnen haben, zurückzunehmen“, sagte der CHP-Politiker am Montag vor Tausenden Anhängern in Istanbul. „Vielleicht seid ihr aufgebracht, aber verliert nie eure Hoffnung.“ Imamoglu verurteilte die Annullierung und rief: „Ihr werdet sehen, wir werden gewinnen.“ Die Menge skandierte „Recht, Gesetz, Gerechtigkeit“ und forderte die Mitglieder der Wahlkommission zum Rücktritt auf.
Kritik kommt auch von der Europäischen Union. EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini und Nachbarschafts- und Erweiterungskommissar Johannes Hahn riefen die zuständige Wahlkommission am Montag dazu auf, unverzüglich Einblick in die Gründe ihrer Entscheidung zu gewähren. „Die Begründung für diese weitreichende Entscheidung, getroffen in einem höchst politisierten Kontext, sollte unverzüglich einer öffentlichen Untersuchung zugänglich gemacht werden“, erklärten Mogherini und Hahn in einer gemeinsamen Erklärung.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.