Man kann den deutschen Komiker Jan Böhmermann lustig finden oder eben nicht. Der vom ORF gezeigte Beitrag inklusive knapp neunminütigem Interview über seine Ausstellungseröffnung in der Sendung „Kulturmontag“ war aber vor allem wegen der anschließenden Distanzierung des ORF ein Kabarett für sich. Ein schlechtes, wohlgemerkt.
Die Schmähs - oder wie man die Schimpftirade des zweifachen „Romy“- Preisträgers auch immer nennen möchte - waren auch dieses Mal nicht neu: Wir Österreicher seien „acht Millionen Debile“, Bundeskanzler Sebastian Kurz ein „Versicherungsvertreter mit zu viel Haargel“, und der Vizekanzler würde „volksverhetzende Scheiße auf Facebook“ raushauen. Soweit, so (un)lustig. Über Humor lässt sich ja bekanntlich streiten.
Die eigentliche Satire beginnt aber nach Ende des Interviews, als sich die Moderatorin der Sendung holpertatschig um Distanzierung des ORF von gezeigtem Inhalt bemüht. „Der ORF distanziert sich von den provokanten und politischen Aussagen Böhmermanns. Aber wie Sie wissen, darf Satire alles und der öffentlich-rechtliche Sender künstlerische Meinung wiedergeben“, lautet der artig vorgetragene, entsprechende ORF-Haftungsausschluss. Also ist damit dann eh wieder alles gut?
Die gute, alte, österreichische Lösung
Keineswegs. Es ist vielmehr eine halbseidene, österreichische Lösung: Erst wird der politischen Publikumsbeschimpfung eines halblustig flegelnden Wiederholungstäters in voller Länge und unwidersprochen Platz geboten, um sich dann anschließend - wohl aus Angst vor der eigenen Courage - zu distanzieren. Das, lieber ORF, ist nicht Fisch, nicht Fleisch. Oder sieht so die in den vergangenen Tagen viel beschworene Pressefreiheit etwa neuerdings aus?
Denn: Wer unbedingt der Meinung des polarisierenden Satirikers eine Plattform bieten möchte, kann das in unserer starken Demokratie selbstverständlich tun, soll dann aber bitte auch dazu stehen. Wer die anschließende Kritik aber nicht aushält oder das Echo fürchtet, ist angeraten, einen solchen Beitrag konsequenterweise erst gar nicht zu bringen. Die Mischung aus beidem - die Beschimpfungen unkommentiert zu zeigen und anschließend einen lieb gemeinten „Disclaimer“ nachzuschießen - ist allerdings unglaubwürdig und hat die Qualität eines untergriffigen Facebook-Postings mit anschließendem „Satire ;-)“-Verweis.
Böhmermann: „Dürfen Sie das eigentlich senden?“
In weiser Voraussicht fragte Böhmermann nach seinen Ausführungen über die „debilen“ Österreicher den immer noch amüsiert lächelnden ORF-Interviewer: „Dürfen Sie das eigentlich senden, wenn ich das sage, dass das einigermaßen unseriös ist für ein Land, (…) dass es geführt wird von einem 32-jährigen Versicherungsvertreter?“ Offenbar darf das der öffentlich-rechtliche Sender, ja, aber nur noch mit anschließender Distanzierung.
Als Kolumnistin distanziere ich mich von den provokanten und politischen Aussagen in diesem Text. Satire ;-)
Katia Wagner, Kronen Zeitung
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