„Krone“ vor Ort
Fünf Tote: Die kranke Welt der Armbrust-Sekte
Drei Leichen. Ein Mann, zwei Frauen. Hingerichtet mit Armbrust-Pfeilen, in einem Fremdenzimmer im deutschen Passau. Die Hintergründe für das Todesrätsel liegen im Dunkeln. „Sie wirkten wie normale Gäste“, so die Besitzer der Frühstückspension beim „Krone“-Lokalaugenschein.
Die „Triftsperre“, eine Ferienunterkunft mit 23 Zimmern, am Rande von Passau; die Ilz fließt vorbei, rundum Wälder, Wanderwege. Idylle pur. „Menschen, die ausspannen und ein bisschen die Stadt besichtigen wollen, kommen zu uns“, berichten Claus und Simona Ortmeier, Inhaber des Betriebs.
Und nichts sei den beiden seltsam vorgekommen, als am vergangen Freitag gegen 20 Uhr eine Frau bei ihnen anrief und fragte, ob bis kommenden Montag ein Dreibettzimmer frei wäre. „Kurz vor 22 Uhr“ kamen sie an; Torsten W. (53), Farina C. (30) und Kerstin E. (33). „Sie stiegen aus einem weißen Pickup, und checkten ein.“ Nur Farina C. habe dabei geredet, die anderen beiden seien „völlig stumm“ gewesen, keiner von ihnen hatte Gepäck dabei.
„Der Mann sah irgendwie kaputt aus“
Was sagte die Frau? „Dass sie und ihre Freunde schon seit zwölf Stunden unterwegs und deshalb sehr müde wären. ,Wir wollen mal so richtig gut ausschlafen, in der guten Luft hier, wir werden das ganze Wochenende im Zimmer bleiben“, erklärte sie.“ Und sonst? „Sie bestellte das Frühstück ab ...“ Und dann ging die kleine Gruppe hinauf, in den zweiten Stock. „Sie wirkten eigentlich wie normale Gäste, ruhig, angenehm. Obwohl ihr Äußeres auffällig war.“ Der Mann „er sah irgendwie kaputt aus, sein Gesicht blass, der Bart lang, er trug eine Military-Jacke.“ Seine Begleiterinnen waren schwarz gekleidet, „wie Grufties.“
Um etwa 22.30 Uhr „kamen die zwei Frauen noch einmal ins Erdgeschoss“ und gingen in der Folge „nach draußen, in Richtung Parkplatz.“ „Wahrscheinlich“, vermuten Claus und Simona Ortmeier, „um ihre Reisetasche zu holen.“ In denen sie ihre Waffen verstaut hatten. Alle drei Armbrüste hatte das seltsame Trio nur Stunden zuvor in Österreich gekauft.
„Sie hielten einander an den Händen“
Es ist Samstag, 11. April, 10.30 Uhr als das aufgelöste Zimmermädchen Alarm beim Chef schlägt. „Ich konnte zunächst den Schilderungen nicht glauben“, so Claus Ortmeier, „dann sah ich selbst in das Grauen.“ Auf dem Doppelbett, mit Tuchenten zugedeckt, lagen Torsten W. und Kerstin E.. „Sie hielten einander an den Händen, im Kopf der Frau und im Brustkorb des Mannes steckten Pfeile.“ Bei der Türe lag Farina C. ein Pfeil steckte in ihrem Hals.
Den Rekonstruktionen der Kripo zufolge, dürfte die 30-Jährige zuerst mit einer Armbrust auf ihre Freunde geschossen und sich danach selbst gerichtet haben. Die Auffindungssituation der Leichen, die Abschiedsbriefe mit testamentarischer Verfügung, die bei W. und E. gefunden wurden - Hinweise dafür, dass beide von C. getötet werden wollten.
„Wann hört dieser Albtraum endlich auf?“
„Seit Tagen gehen Polizeibeamte bei uns ein und aus“, sagen die PensionsInhaber, und: „Wann hört dieser Albtraum endlich auf?“ 40 Buchungen wurden mittlerweile storniert. Das Zimmer, in dem die Tragödie geschehen ist, will das Paar reinigen lassen und neu einrichten. Damit nichts mehr an diesem Platz, „der doch immer nur bekannt war für seinen Frieden, an diese Wahnsinnstat erinnert.“
Aber was weiß man bisher über die sektenhafte Gruppe mit Todessehnsucht? Torsten W. und Kerstin E. waren seit einigen Jahren ein Paar, sie lebten – zurückgezogen – in Berod in Rheinland-Pfalz. Im nahegelegenen Hachenburg hatte der 53-Jährige ein kleines Geschäft, in dem er Waffen aus dem Mittelalter und Honigwein verkaufte. Die Frau ging kaum nach draußen, und wenn doch, dann nur, um mit ihren zwei Hunden spazieren zu gehen.
Frauen wie Leibeigene behandelt
„Guru“ Torsten W. habe sie wie eine Leibeigene behandelt, berichten Nachbarn, ebenso wie die „anderen Frauen“, die oft zu Besuch gewesen wären: Farina C. und ihre Partnerin Gertrude C. (35) sowie Corina U. (19). In Farina C.s Wohnung in Wittingen (Niedersachsen) wurden mittlerweile die Leichen der zwei anderen Frauen gefunden. Vermutlich Medikamenten-Überdosis. Armbrust-Schützin Farina C. war Bäckerin, für ihre Tortenkreationen hat sie einst sogar Preise gewonnen; Corina U. sei eine Musterschülerin gewesen; Gertrude C. arbeitete lange als Lehrerin.
Doch die Frauen brachen mit ihren Familien, kündigten ihre Jobs. Sie waren Torsten W. hörig, traten wie Dienerinnen bei Mittelalter-Treffen auf. Aber warum der kollektiv-sektenartige Selbstmord? Es gibt Hinweise, dass W. unheilbar krank war und seine Jüngerinnen davon überzeugt haben soll, mit ihm gemeinsam in den Tod zu gehen. Das Todesrätsel bleibt mysteriös ...
Martina Prewein, Kronen Zeitung
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