Niki Lauda hat in seinem Leben viele Extremsituationen gemeistert. Feuerunfall auf dem Nürburgring, Flugzeugabsturz über dem Dschungel von Thailand, zwei Nierentransplantationen. „Krone“-Journalistin Conny Bischofberger hat mit der Legende über all das gesprochen - auch über den Tod.
Beim großen Rennen auf dem Nürburgring 1976 wäre Lauda fast verbrannt. Seither hatte er immer wieder mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen. Nicht nur am Kopf zog er sich damals schwere Verbrennungen zu, durch die giftigen Gase wurde auch seine Lunge verätzt. Im Buch „Reden wir über Geld“ (edition a), das Niki Lauda mit Conny Bischofberger geschrieben hat, erinnert er sich.
Lauda: Meine erste Erinnerung an den Unfall ist das Tack-Tack-Tack des Rettungshubschraubers. Ich fühlte, wie meine Augen zuschwollen. Dann versetzten Spritzen mich in einen Dämmerschlaf. Als ich wieder aufwachte, lag ich reglos in der Klinik und versuchte mit aller Kraft, nicht wieder wegzukippen. Ich hörte meinen Ärzten zu, und was sie redeten, war nicht sehr erbauend. „Wenn wir dem nicht sofort Sauerstoff geben, dann ist er tot.“
Am vierten Tag stand fest, dass ich überleben würde. Als ich zum ersten Mal in den Spiegel schaute, entdeckte ich keinen Hals und keine Nase, nur einen weißen Verband und zwei Schlitze, die meine Augen waren. Ich konnte sie nur öffnen, indem ich die Haut der Lider auseinanderzog. Mein Kopf war riesig angeschwollen, er steckte wie eine Wassermelone direkt auf meinen Schultern. Ich sah aus wie der Hauptdarsteller in einem Gruselfilm. Die Krankenschwester sagte: „800 Grad. Das macht die Hitze von 800 Grad.“
Ich wurde oft gefragt, was mir nach dem Feuerunfall die Kraft gegeben hat, nicht aufzugeben, auch als es total bergab ging, immer noch und erst recht zu kämpfen. Ich glaube, ich hatte gar keine Wahl, denn es war mein Weg. Und ich war immer von diesem Weg überzeugt, mit allen Ups und Downs.
Die Erfahrung, fast zu sterben, ist natürlich irre. Deswegen werde ich seit damals mit ähnlichen - größeren oder kleineren - Problemen viel leichter fertig. Alle Probleme erscheinen lösbar im Vergleich zu den Problemen, die ich nach dem Unfall hatte. Mit meiner Gesundheit, mit meinem Comeback, mit dem Druck derer, die nicht mehr an mich geglaubt haben. Das alles hat hohe Maßstäbe für mein weiteres Leben gesetzt.
Am 26. Mai 1991 stürzte eine Boeing 767 der Lauda Air über dem Dschungel von Thailand ab. Niki Lauda bewies damals, was Krisenmanagement bedeutet. Er ging sofort in die „ZiB“ und flog dann persönlich an die Absturzstelle, um sich selbst ein Bild von der Katastrophe zu machen.
Lauda: Es war 22 Uhr, ich war gerade nach Hause gekommen und wollte mich früh schlafen legen. Da klingelte mein Telefon, Danielle Spera vom aktuellen Dienst des ORF war am anderen Ende der Leitung: „Herr Lauda, wir haben eine Meldung hereinbekommen, wonach Flug NG4 von Bangkok nach Wien abgestürzt sein soll. Es gibt aber noch keine offizielle Bestätigung.“ „Das muss ein Irrtum sein“, sagte ich, „es kann nicht sein. Das ist unmöglich.“
In Bangkok warteten noch einmal 50 Journalisten und jede Menge Fernsehteams, ich war plötzlich auf eine nie zuvor erlebte Weise mittendrin. 223 Menschen waren tot, für die Medien war ich, Niki Lauda, der Katastrophenmensch.
Später, an der Absturzstelle im Dschungel, plötzlich der Anblick von zerfetzten Leichen und Tausenden Flugzeugteilen, die über sechs Kilometer verstreut lagen. Ich werde das mein Leben lang nicht vergessen.
„Der erschöpfte Niki Lauda wirkte mit seiner schmutzverschmierten Kleidung und seinen von einem Rennunfall herrührenden Brandnarben am Kopf fast wie der einzige Überlebende des Unglücks“, schrieb der „Spiegel“ damals über den Lokalaugenschein an der Absturzstelle. Tatsächlich hat mich dieser Flugzeugabsturz unvergleichlich tiefer getroffen als mein Unfall auf dem Nürburgring. Die eine Katastrophe in meinem Leben hatte in keiner Phase das Erdrückende dieser anderen, nicht vergleichbaren, viel größeren Katastrophe.
In den Monaten nach dem Absturz traf ich immer irgendwo jemanden, der einen kannte, der im Flieger gesessen war. Das wird mein ganzes Leben lang so sein, dass es mir einen Stich ins Herz gibt, wenn ich erinnert werde an jemanden, der diesen Flug mit Lauda Air mit seinem Leben bezahlt hat.
Mich hat die Katastrophe gelehrt, dass der Mensch 99 Prozent aller Dinge in der Hand hat, aber ich habe auch dieses eine Prozent kennengelernt.
2005 schenkte Birgit, die Niki Lauda „meine Heldin“ nannte und 2009 heiratete, dem dreifachen Formel-1-Weltmeister eine Niere. Schon sein Bruder Florian hatte Niki eine Niere gespendet.
Lauda: Birgit ist meine Heldin. Dass diese Frau herging und mir 2005, ohne nachzudenken, eine ihrer Nieren geschenkt hat, ist einmalig. „Der Eiffelturm gehört sofort weg und die Birgit dorthin gestellt“, meinte Marlene, die Mutter meiner beiden erwachsenen Söhne Lukas und Matthias, nach dem Eingriff voll Respekt und Anerkennung.
Ich bin ja sonst nicht abergläubisch, aber für mich ist das ein weiteres Zeichen dafür, dass wir beide perfekt zueinander passen. Manchmal scherzt Birgit, die Rotwein liebt: „Trink noch ein Glaserl Wein, meine Niere braucht das!“
Viele Beziehungen enden irgendwann in täglichem Kleinkrieg oder in tödlicher Langeweile. Mit Birgit ist das anders. Sie ist - neben allem anderen, das auch super funktioniert - in erster Linie mein Freund.
Sie hatte auch nichts dagegen, dass ich 2000 auf die Idee kam, ins Weltall zu fliegen. Es laufen ja mehrere Programme für solche Flüge. Im Simulator hatte ich es in Houston, Texas, schon ausprobiert.
Es wäre schön gewesen, nach dem Rennfahren am Boden und der Fliegerei am Himmel quasi noch eine Etage höher aufzusteigen. Aber ich fürchte, es wird nicht mehr passieren.
Manchmal überlege ich mir, was in zehn Jahren sein wird. Da bin ich 76, aber dass man täglich älter wird, ist für mich das Natürlichste auf der Welt. Wir werden geboren, und wir müssen sterben. Deshalb habe ich vor dem Älterwerden - wie vor jeder Veränderung - überhaupt keine Angst.
Am 1. August 2018 schickte er mir eine SMS, er liebte kurze Nachrichten. „Bin nicht gut erreichbar. Melde mich, Niki.“ Am Tag darauf unterzog er sich einer Lungentransplantation. Sie schenkte ihm noch 290 Tage. Der Flug ins All war ihm nicht mehr vergönnt. Flieg jetzt höher, lieber Niki!
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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