Ein widerliches Video, eine üble Falle und geheimnisvolle Drahtzieher im Hintergrund: Den ehemaligen Vizekanzler der Republik hat die „Ibiza-Affäre“ den Kopf gekostet. Eine Woche nach seinem Rücktritt und dem darauffolgenden Bruch der türkis-blauen Regierung beantwortet Heinz-Christian Strache Fragen von Conny Bischofberger - allerdings über seine Anwälte.
Dem schriftlichen Interview gehen am Freitagmittag einige SMS und ein kurzes Telefonat voraus. „Bitte haben Sie Verständnis, dass ich nicht persönlich zur Verfügung stehen kann“, schreibt Strache, der nach den dramatischen Ereignissen nun in die Offensive gehen will. Gegen drei vermutliche „Mittäter“ hat er Anzeige erstattet, und auch familiär bekommt er Rückenwind. Ehefrau Philippa erklärt in einem YouTube-Video, dass sie zu ihrem Mann stehe, und räumt Behauptungen aus der Welt, sie sei aus der gemeinsamen Villa in Klosterneuburg ausgezogen.
Am Telefon klingt der Mann, der noch vor einer Woche die FPÖ geführt hat, kämpferisch. „Man muss sich das einmal vorstellen. Du wirst Akteur einer schmutzigen Inszenierung und nicht umsonst hört man im Video nur mich und Johann Gudenus, die anderen Mitwirkenden aber nicht. Denn dann würde es vielleicht etwas anders ausschauen.“
Um 16.59 Uhr poppt sein Mail mit den Antworten auf die Fragen der „Krone“ auf - jener Zeitung, die er in dem Video an die Russen verkaufen wollte.
„Krone“: Herr Strache, wie geht es Ihnen nach Ihrem Rücktritt vor genau einer Woche persönlich?
Heinz-Christian Strache: Ich versuche nach besten Kräften, diese politische und zugleich persönliche Krise zu bewältigen. Meine Familie ist mir hierbei ein unersetzliche Stütze.
Wie fühlt es sich an, für den Rauswurf Ihrer Partei aus der Koalition verantwortlich zu sein?
Ich trage eine nicht zu beschönigende Mitverantwortung, die ich von Anbeginn zu übernehmen bereit war. Daher habe ich unverzüglich meinen Rücktritt erklärt und all meine Ämter niedergelegt, auch, um nicht Vorwand für eine Regierungsauflösung durch die ÖVP zu sein und um Schaden von der Republik fernzuhalten.
Haben Sie mit Sebastian Kurz, über dessen Zukunft als Kanzler am Montag im Parlament entschieden wird, seither noch geredet?
Mein letztes Gespräch mit Sebastian Kurz fand am vergangenen Samstag statt. In diesem Gespräch sagte er mir aufgrund meiner Bereitschaft zum Rücktritt zu, die erfolgreiche Regierungsarbeit unter Mitwirkung der FPÖ fortsetzen zu wollen. Hieran hat er sich nicht gehalten.
Wie konnte Ihnen das passieren? In eine Falle gelockt zu werden und vor wildfremden Leuten alle Grundsätze über Bord zu werfen?
Ich war in einer privaten Urlaubssituation unachtsam und naiv. Ich habe auf Zweifel, die mir während des Gespräches wiederholt kamen, nicht reagiert. Das war ein Fehler.
Sind Sie Johann Gudenus böse, dass er Sie in diese Situation gebracht hat?
Ich bin enttäuscht. Mehr möchte ich derzeit nicht sagen.
Wie kamen Sie auf die Idee, dass Sie die „Krone“ an die Russen verkaufen können?
Das war ein absurdes, dummes Hirngespinst.
Ihre Verteidigung, Sie hätten außer Alkohol zu konsumieren und blöd zu reden nichts gemacht, ist die nicht etwas blauäugig?
Ich habe mehrfach erklärt, mich für mein Verhalten, meine Aussagen und meinen Auftritt in dieser privaten Urlaubssituation zu schämen.
Sie haben Staatsaufträge versprochen, als Sie noch nicht einmal in der Regierung waren!
Ich habe nichts versprochen. Ich habe im Gesamtkontext stets auf die erforderliche Rechtskonformität hingewiesen, die durch das Bundesvergabegesetz ohnehin zwingend vorgegeben ist.
Was wollen Sie zu Ihrer Verteidigung noch sagen?
Ich habe alles gesagt, was es zu sagen gibt, mich entschuldigt und sämtliche Konsequenzen aus den mir vorgeworfenen Verfehlungen gezogen. Verantwortung zu übernehmen heißt aber auch, die Geschichte hinter der Geschichte aufzuklären und die Hintermänner dieses auf die Regierung und mich verübten Attentates aufzudecken.
Werden Sie alle Vereine offenlegen, um die Vorwürfe Geld am Rechnungshof vorbeigeschleust zu haben, zu entkräften?
Norbert Hofer sicherte bereits zu, die FPÖ-Finanzen durch Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen. Ich bin mir sicher, dass keinerlei Beanstandungen erfolgen werden.
Haben Sie Angst vor weiteren Videoausschnitten - so wie Herr Gudenus?
Es gibt nichts, wovor ich noch Angst haben müsste. Ich kann sicher ausschließen, dass es weiteres, mich kompromittierendes Bild-/und Tonmaterial gibt.
Werden die Auftraggeber je ans Tageslicht kommen?
Daran arbeiten ich und ein Team unter Hochdruck. Eine vollständige Aufklärung muss gelingen. Nicht nur in meinem Interesse, sondern im Interesse unseres Rechtsstaates.
Was ist Ihr Verdacht?
Hierfür ist es noch zu früh.
Sie sprachen von „drei Mittätern“, die „eine gewisse Mitschuld“ hätten. Wen haben Sie angezeigt? Wie kommen Sie auf diese Verdächtigen und was werfen Sie diesen Personen konkret vor?
Den Anwalt, den Detektiv und - als unbekannten Täter - den Lockvogel. Mein Anwalt sieht folgende Tatbestände. 1. Missbrauch von Ton- und Abhörgeräten gemäß § 120 StGB, 2. Urkundenfälschung gemäß § 223 StGB und 3. Täuschung gemäß § 108 StGB. Da die Hintergründe und Motive für die illegalen Videoaufnahmen noch unklar sind, sind aber möglicherweise bei neuer Verdachtslage auch andere Straftatbestände denkbar.
Warum wurde das Video ausgerechnet jetzt gezeigt?
Es ging nicht nur darum, mir zu schaden. Dann hätte man das zwei Jahre alte Video viel früher veröffentlichen können. Die jetzige Veröffentlichung zielte auf die freiheitliche Regierungsbeteiligung dieses Landes kurz vor der Europawahl.
Wer könnte Geld in so etwas investiert haben?
Ich spekuliere nicht, sondern arbeite an der Erlangung sicherer Erkenntnisse.
Wird es Auswirkungen auf die EU-Wahl haben - also wird die FPÖ verlieren?
Ich vertraue darauf, dass dieser gezielt von Hintermännern beauftragte rechtswidrige Angriff auf die politische Führung dieses Landes, auf Demokratie und Persönlichkeitsrechte die Wähler nicht täuscht und diese unbeeinflusst von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.
Ist Ihre Existenz zerstört?
Nein, ich werde diese Krise bewältigen und an ihr wachsen.
Wie geht es beruflich und persönlich weiter?
Darüber werde ich nachdenken, wenn ich meiner Verantwortung vollständig gerecht geworden und diesen Polit-Krimi vollständig aufgeklärt habe.
Was gibt Ihnen jetzt Kraft?
Vor allem meine Frau, meine Familie und mein Glaube an die Wahrheit.
Würden Sie einem Misstrauensantrag gegen Kurz zustimmen?
Ich werde hier voll hinter der Entscheidung der Partei stehen.
Schließen Sie ein Polit-Comeback aus?
Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, darüber nachzudenken.
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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