Der renommierte Osteuropa-Experte Paul Lendvai (89) hat den Ausbruch der Ibiza-Affäre (siehe auch Video oben) rund um Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache als „einen der schönsten, überraschendsten Tage meines Lebens“ bezeichnet. Der österreichische Publizist betonte, der Skandal habe in Österreich eine „heilende Krise entfesselt“. Dies sei ein „Geschenk“ für das Land. Lendvai ist Leiter der ORF-Sendung „Europastudio“.
Es habe sich gezeigt, dass in der Geschichte, der Politik nichts voraussagbar sei. Hinsichtlich der Gefahr des Durchbruchs des nationalistischen Populismus in Europa betonte Lendvai in einem Interview in der ungarischen Tageszeitung „Nepszava“, diese Gefahr sei nicht berechenbar, weil sie in jedem Land anders sei.
„Nationalistisch-populistische Parteien und Korruption nicht zu trennen“
Zugleich würden die Menschen fast überall erkennen, so auch in Österreich und Ungarn, „dass nationalistisch-populistische Parteien und Korruption nicht voneinander zu trennen sind“. Hinsichtlich der Europäischen Union unterstrich der Publizist, die Menschen hätten sich an die Union und deren Vorteile - wie Reisefreiheit, Auslandsstudium, den Euro - gewöhnt, die sie nicht missen möchten. Europa habe „Anziehungskraft“, die aber nur schwer zu mobilisieren sei.
„Keinen Einfluss auf das System Orban in Ungarn“
Der Strache-Skandal habe keinen Einfluss auf das System Viktor Orbans in Ungarn. Lendvai bezeichnete Orban als „Meister des politischen Zynismus, als Chamäleon“. Denn der Sturz von Strache hinge in erster Linie von der auf starken Pfeilern basierenden Pressefreiheit ab, betonte Lendvai und erinnerte an das österreichische öffentlich-rechtliche Fernsehen und dessen intensive Berichterstattung mit Interviewpartnern von der Rechten und Linken.
Kritik an Umgang des ungarischen Staatsfernsehens mit Causa Strache
In diesem Zusammenhang würde Lendvai den ungarischen Regierungssprecher Zoltan Kovacs gerne nach Österreich schicken, um zu sehen, wie die Presse in unserem Land über diesen Fall berichtet. Denn wer das ungarische Staatsfernsehen verfolgt habe, „erfuhr nichts über das Warum des Skandals, nur dass Strache dumm war“.
Ibiza-Affäre: Sozialistische, liberale und grüne Parteien als Nutznießer?
Lendvai erinnerte weiter daran, dass der Ibiza-Skandal offensichtlich den sozialistischen, liberalen und grünen Parteien nütze, wobei der Sturz der österreichischen Regierung wiederum jene schwächen würde, die die Mitte und die Rechte miteinander verbinden wollen. Lendvai hofft, dass Rechtsextreme und Nationalisten nicht den erhofften Sieg bei den EU-Wahlen erringen. Dazu könne „in bescheidenem Maße der österreichische politische Skandal und die Selbstenthüllung der FPÖ beitragen“, betonte der Publizist.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.