Ein so deutliches Bekenntnis zum Diesel hätte man aus dem VW-Konzern nicht erwartet: Audi bietet die sportlichen Varianten von A6 und S7, also Audi S6 und S7, in Europa nur noch mit Dieselmotor an. Der ist aber zumindest ein bisschen elektrisch: mit einem elektrisch angetriebenen Lader zusätzlich zum Turbo und einem 48-Volt-Mildhybridsystem. Mit 349 PS und 700 Nm ist er ziemlich stark und tritt mächtig an. Perfektion geht aber anders.
Genau genommen hat VW mit dem Dieselskandal den Elektrohype mit ausgelöst, schließlich sind Verbrenner seither pfui pfui. Dass die modernen Aggregate kaum noch Schadstoffe ausstoßen und noch dazu weniger CO2 als vergleichbare Benziner und (in der Realität) Plug-in-Hybride, geht im allgemeinen Stromtaumel unter. Schade, dass die Hersteller die Abgasreinigung erst jetzt, wo sie müssen, so ernst nehmen.
Warum Diesel? Warum kein Benziner mehr?
Es gibt gute Argumente dafür, die Performance-Business-Class nur mehr mit Selbstzündern auszustatten. Der günstige Verbrauch (6,2 bis 6,5 l/100 km NEFZ), fettes Drehmoment, die guten Erfahrungen mit dem Audi SQ7, die Langstreckenqualitäten, dazu die allgemeine Beliebtheit des Diesels in Europa… Äh, Moment, Beliebtheit? Die ist hie und da etwas abgekühlt, jedenfalls außerhalb Österreichs. „Ja, aber“ kommt dann von den Ingolstädter Experten. „Die Klientel steht noch immer hinter dem Diesel, weiß hohe Reichweiten ohne Tankstopp auch bei schneller Fahrt zu schätzen.“
Alles recht und schön, aber die Frage, warum sie den Benziner in unseren Breiten einstellen, hören sie in Ingolstadt nicht gern. Da wird herumgedruckst, bis irgendwann jemand sagt, „ja, die Entscheidung ist natürlich vor Dieselgate gefallen“. Für den Flottenverbrauch ist es jedenfalls gut, keine leistungsstarken Benziner im Programm zu haben. Übrigens: Für China und die USA bauen sie auch die aktuellen S6- und S7-Modelle mit Benziner. Der 2.9 TFSI liefert 450 PS und 600 Nm.
Und so fahren sich die S-Diesel
Natürlich handelt es sich um Hightech-Aggregate, die ihre benzingetriebenen Vorfahren vergessen machen wollen. Der Dreiliter-V6-TDI leistet 349 PS und presst bis zu 700 Nm auf die Kurbelwelle, und das konstant von 2500 bis 3100 Touren. Theoretisch sorgen der elektrisch angetriebene Verdichter (EAV) sowie der riemengetriebene Startergenerator, der bei Bedarf zusätzlich 8 kW beisteuert, für verzögerungsfreien Antritt.
In der Praxis lässt sich das aber nur manchmal erleben, und dann ist es umso beeindruckender, mit welcher Behendigkeit die Achtgang-Tiptronic zwei Gänge herunterschaltet und der nach DIN 2010 kg schwere Audi A7 einen Satz nach vorne macht. Aber es hängt extrem von der Fahrsituation ab, wie gut der Diesel geht. Beim Ampelstart haben wir mehrmals eine Anfahr-Verzögerung von 1,8 Sekunden gemessen. Das ist zwar besser als beim Audi A6 50 TDI, angesichts dessen 2,25 Sekunden man beinahe von einer Art zweitem Dieselgate sprechen muss, aber dennoch deutlich zu viel für eine Luxuslimousine, für die kein Kunde unter 100.000 Euro hinlegen wird. Die Ursache für die Verzögerung liegt in der Abgasreinigung, die erst „hochgefahren“ werden muss, bevor es richtig zur Sache gehen kann.
Dennoch gibt Audi einen Hunderter-Sprintwert von 5,1 Sekunden (S6 Limousine 5,0 s) an.
Feinspitze werden übrigens beim Beschleunigen spüren, wann jeweils der E-Lader und der Turbolader einsetzen.
Sparen macht Freude
Im Eco-Modus wird der Performance-Diesel zum Sparmotor: Der Elektromotor ermöglicht es, bis zu 40 Sekunden zu „segeln“, also dahinzugleiten, ohne einen Tropfen Treibstoff zu verbrauchen. Die Energie dafür (wie auch für den Antrieb des EAV) stammt teilweise aus Rekuperation. Außerdem funktioniert die sehr zackige Stopp-Start-Automatik bereits ab 22 km/h. Insgesamt soll das Mildhybridsystem im realen Fahrbetrieb bis zu 0,4 Liter pro 100 Kilometer einsparen.
Schnell, stark, ja - aber sportlich?
Die S-Diesel sind wie geschaffen für Überholspur-Abonnenten auf deutschen Autobahnen. Da ziehst du dahin, reitest auf der Drehmomentwelle gen Horizont, wenn das Überholprestige ausreicht, um den Weg frei zu halten, und im Innenraum bleibt es dabei sogar relativ ruhig. Es sei denn, man fährt im Sportmodus, wo der künstliche Motorsound am penetrantesten aus den Lautsprechern schallt. Am besten stellt man sich seinen individuellen Fahrmodus zusammen, da kann man den Sound dreistufig einstellen (aber nicht ganz abschalten).
Auf kurvigen Landstraßen hapert es an der Lenkung, die für ein derart leistungsstarkes, als sportlich deklariertes Fahrzeug, zu wenig Gefühl für die Straße vermittelt. Ein schnelles, geschmeidiges Gleiten durch die herrlichen Kurven geriet bei Testfahrten im Hochtaunus zu echter Arbeit und erforderte Erfahrung und dauernde Korrektur. Und da reden wir noch nicht davon, dass man zwei Tonnen auch wieder runterbremsen muss. Die Im Testwagen verbauten optionalen Carbon-Keramik-Bremsen (Sechs Kolben und 400-mm-Scheiben vorn, hinten 370 mm) bissen zwar kräftig zu, vibrierten aber teilweise vernehmlich.
Zwei Fahrwerke zur Wahl - und Allradlenkung
Allradantrieb ist bei S6 und S7 serienmäßig, optional lässt sich ein regelbares Sportdifferenzial mitbestellen. Vorder- und Hinterachse sind als Fünflenker ausgelegt, Serie ist ein neues, weitgehend aus Aluminium bestehendes S-Sportfahrwerk mit Stahlfedern und adaptiven Dämpfern, das S6 und S7 im Vergleich zu A6 und A7 um 20 bzw. 10 mm tieferlegt (damit liegen beide auf dem gleichen Niveau). Die Spreizung zwischen den Fahrmodi ist deutlich spürbar, allerdings neigt das Fahrwerk dazu, ein Dröhnen auf die Karosserie zu übertragen. Für mehr Komfort empfiehlt sich das aufpreispflichtige adaptive Luftfahrwerk.
Ebenso optional ist die Allradlenkung: Hier lenken die Hinterräder bis 60 km/h bis zu fünf Grad entgegengesetzt zu den Vorderrädern, um die Wendigkeit und Agilität zu erhöhen, darüber bis zu zwei Grad mit den Vorderrädern für mehr Stabilität etwa beim Spurwechsel.
Das No-Go sitzt am Heck
So weit, so gut. Doch was hilft einem ein herrliches Auto mit kraftvollem, relativ sparsamem Motor, Assistenzsystem auf höchstem technischem Niveau, einem wunderbaren Innenraum und gefälliger Optik (20-Zöller serienmäßig!), wenn man sich dann für das Heck genieren muss? Neuerdings haben auch die S-Modelle Plastik-Attrappen statt Auspuffblenden oder gar Auspuffendrohren. Diese Fakes sind derzeit bei vielen Herstellern in Mode, bisher hat aber noch keiner so etwas an eine Performance-Version geschraubt. Noch dazu: Hier entlarvt man die Attrappen sogar von Weitem, beim Hinterherfahren. Da kann man ja gleich beim Forstinger einen Gummi-Spoiler kaufen und auf den Kofferraumdeckel kleben. Dazu vielleicht noch ein Turbo-Emblem.
Unterm Strich
Der Eindruck vom neuen S6 und S7 ist ein durchwachsener. Der hochmoderne Dreiliter-V6 ist sehr kräftig, relativ sparsam, auch spritzig und antrittsstark, wenn man ihn im richtigen Moment erwischt, aber einen Benziner wird er für sportlich orientierte Fahrer nicht ersetzen. Bereits bei 4800/min. schaltet die Automatik auch im manuellen Modus hoch (obwohl der rote Drehzahlbereich erst bei 5000 beginnt), der Motorsound kann auch nicht mithalten (und wenn noch so viel aus den Lautsprechern zugespielt wird) und eine derartige Anfahrverzögerung haben wir auch noch bei keinem Benziner erlebt. Ein Blick zu BMW und Mercedes zeigt: Das geht besser.
Im Juni kommen die S-Audis auf den Markt, die Preisliste beginnt bei 85.000 Euro für die S6-Limousine, 88.620 für den S6 Avant und 95.800 für den S7 Sportback. Zwei Optionen muss man unbedingt mitbestellen: den größeren Tank (73 Liter) sowie vor allem den größeren AdBlue-Tank. Die 22 statt zwölf Liter sollten es schon sein. Auch wer Diesel fährt, will nicht mit Harnstoff hantieren.
Bleibt noch die Frage nach dem Sakrileg. Antwort: Nein. Ein Sakrileg wäre ein Porsche 911 mit Dieselmotor. Von einer solchen Relevanz ist der Audi S6/S7 TDI weit enfernt. Dennoch: Der Charakter ist jetzt ein völlig anderer als beim Benziner.
Warum?
Mächtige Kraft aus dem Motor
Teilweise extrem gutes Ansprechen
Wahlweise Limousine, Avant oder Fastback
Warum nicht?
Teilweise sehr schlechtes Ansprechen
Oder vielleicht …
… BMW M550d xDrive, Mercedes E 400 d 4matic
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