Toyota lässt die Legende namens Supra wiederaufleben, mit ordentlich Schützenhilfe von BMW. Ergebnis der beispielgebenden Zusammenarbeit ist ein zweisitziger Sportwagen, der den famosen Münchner Reihensechszylinder unter der Haube hat, sich aber maximal vom Entwicklungsbruder BMW Z4 unterscheidet. Vor allem (aber nicht nur!) optisch. Am 6. Juni kommt der Toyota GR Supra (so der volle Name, GR von Gazoo Racing) in Österreich - wo er auch gebaut wird - auf den Markt.
Die Frage aller Fragen lautet natürlich: Wie viel BMW steckt im Toyota? Bzw. wie viel Toyota? Badge Engineering wie bei Toyota GT86 und Subaru BRZ, die sich im Wesentlichen durch Lackfarben und Markenlogo unterscheiden? „Ganz und gar nicht“, sagt Chefingenieur Tetsuya Tada. „So haben wir es uns zwar zuerst vorgestellt, sehr schnell sind wir aber mit BMW übereingekommen, dass am Ende beide Unternehmen genau das Auto bekommen sollen, das sie wollen - ohne Kompromisse!“
So ging die gemeinsame Entwicklung bis zum Chassis, der Plattform mit der gesamten Hardware, Fahrwerk mit Mehrlenkerachse hinten bis zum Sperrdifferenzial. Tada San wollte unbedingt das umsetzen, was er als „goldenen Schnitt“ zwischen Radstand und Spurweite bezeichnet, um die ideale Mischung aus Agilität und Stabilität zu erreichen: 1,55, konkret 2,47 Meter Radstand und 1,59 Meter Spurweite. Ehrensache: Frontmotor und Heckantrieb.
Info am Rande: Offizielle Sprachregelung bei Toyota ist „der Supra“ bzw. „der GR Supra“, auch wenn viele Fans auf „die Supra“ bestehen.
Technisch sind Z4 und Supra praktisch identisch, dennoch arbeiteten beide Unternehmen ab Anfang 2015 völlig unabhängig voneinander weiter, nachdem sie gemeinsam die Grundlagen geschaffen hatten. Daher spricht man bei Toyota auch von einer Eigenentwicklung, da die gesamte Abstimmung, vom Motoransprechverhalten über die Lenkung, die Steuerung des geregelten Sperrdifferenzials bis zum adaptiven Fahrwerk von den Japanern selbst erarbeitet wurde - in unzähligen Runden auf der Nordschleife, aber vor allem auch auf öffentlichen Straßen. „Wir haben von BMW gelernt, dass das viel wertvoller und effektiver ist als endloses Testen auf Versuchsparcours“, sagt Tada San.
Hervorragender Alltagssportler
Natürlich, der Dreiliter-Sechszylinder klingt nach BMW, was gut ist, aber auch etwas irritierend. Trotzdem löst es eine Art Urvertrauen aus, was vom Auto alsbald gerechtfertigt wird. Auf der Rennstrecke wie auf kurvigen Landstraßen glänzt der bestens ausbalancierte Supra mit beeindruckender Präzision, jede Karosseriebewegung ist vorhersehbar, ein „kommendes Heck“ Grund zur Freude, nicht Ausdruck mangelnder Traktion der 275er-Michelin-Pilot-Super-Sport auf ihren 19-Zöllern.
Man müsste die beiden Fahrzeuge direkt vergleichen, gefühlsmäßig ist der Supra aber noch ein Stück mehr Sportwagen als der wohlgeratene Münchner Roadster. Die Lenkung vermittelt ein gutes Gefühl für die Fahrbahn, vor allem im Sportmodus, der Toyota lenkt superwillig ein, untersteuert nicht, das adaptive Fahrwerk ist im Normalmodus versöhnlich, im Sportmodus ziemlich straff, aber kein böser Knochenbrecher, die Karosserie steif sogar steifer als beim Supersportler Lexus LFA, teilt Toyota mit.
Traumtriebwerk
Ohne Verzögerung zieht der 340 PS starke Münchner Motor (interne Bezeichnung B58) dank Twin-Scroll-Turbolader auch aus tiefsten Drehzahlen heraus, sein mächtiges maximales Drehmoment von 500 Nm liegt bereits bei 1600 Touren an und bleibt bis 4500/min. konstant. Mit Launch Control schafft der nach DIN 1495 kg schwere Supra (Z4 plus 40 kg) den Standardsprint in 4,3 Sekunden und unterbietet damit den Z4 um zwei, den Hauptkonkurrenten Porsche 718 Cayman um eine Zehntel. Es geht ihm schlichtweg nie die Kraft aus. 190 km/h fährt man ganz entspannt bei 3000 Touren im achten Gang der ZF-Automatik, bei 250 km/h wird abgeregelt. Schade: Ein manuelles Schaltgetriebe ist derzeit nicht vorgesehen.
Die Brembo-Bremsen verstärken den Bremsdruck automatisch, wenn sie heiß werden. Auf der Rennstrecke wird das Pedal trotzdem weich. Klar, es handelt sich um einen Sport-, nicht um einen Rennwagen.
Einziges leicht störendes Element am Fahren an sich ist das bisweilen recht laute Abrollgeräusch der Reifen.
Sitzposition gut gemeint
Der Innenraum ist etwas abenteuerlich gestaltet, vor allem die asymmetrische Mittelkonsole, die zum Beifahrer hin offen ist, zum Fahrer hin aber eine Wand aufweist, an der ein Polster angebracht ist. Was als Unterstützung für das Knie bei schnellen Kurvenfahrten gedacht war, ist eher ein Schuss in selbiges. Aus zwei Gründen: Es schränkt den Platz stark ein, außerdem zwingt es den Fahrer in eine schiefe Sitzposition - Verspannungen können die Folge sein.
Der trotz Höhenverstellung sehr tief montierte Sitz ist hingegen ganz hervorragend konstruiert, geeignet für lange Strecken und mit gutem Seitenhalt gesegnet - wie viel, lässt sich mit der elektrischen Seitenwangenverstellung regeln. Serienmäßig.
Interessant gestaltet ist die kleine Ablage auf der Mittelkonsole, versteckt hinter der Knieschmeichlerwand: Es ist nicht offen, sondern bietet nur ein wenig Platz, um etwas drunterzuklemmen, ein Handy zum Beispiel.
Top-Bedienung - danke, BMW!
Der GR Supra ist wahrscheinlich der Toyota mit dem besten Bediensystem ever. Über BMWs iDrive geht einfach nichts drüber, auch wenn es sich um die alte Version handelt, nicht um die aus dem Z4. Die Bedienelemente sind die alten, und das ist wegen der angenehmen Haptik auch gut so. Einzig das aufgesetzte 8,8-Zoll-Display ist kein optisches Highlight.
Grundsätzlich wirkt es ungewöhnlich, so viel BMW in einem Toyota zu sehen, obwohl die Japaner alles daran gesetzt haben, den Innenraum eigenständig zu gestalten.
Das ist ihnen vor allem beim digitalen Cockpit sehr gut gelungen, das zum Supra deutlich besser passt als die BMW-Version zum Z4. Es wird dominiert vom zentralen Drehzahlmesser mit analoger Skala, in der Mitte ist die gewählte Schaltstufe immer im Blick (auch im Automatik-Modus), links daneben steht digital die Geschwindigkeit, etwa die Navikarte.
Toyota beschränkt sich auf zwei Fahrmodi und damit auf das Wesentliche, schließlich kann man sich den Individual Mode selbst konfigurieren. Zusätzlich gibt es die ESP-Taste, mit der man den Traction Mode (bei BMW: M-Modus) aktivieren kann, der viel zulässt, aber eingreift, wenn es zu heftig wird. Außerdem ist das ESP komplett abschaltbar, wie es sich für einen Sportwagen gehört.
Besonders Eigenständig: Die Optik
Beim Design unterscheiden sich Toyota GR Supra und BMW Z4 am meisten. Wo der BMW den eleganten Beau gibt, spricht der Toyota voll die Fangemeinde an, die den Vorgänger als Helden der „Fast and Furious“-Reihe liebt. Auf andere wirkt er eher wie ein Coupé auf Steroiden oder wie eine Figur aus dem Animationsfilm Cars. Ein Kollege sprach gar von einer allergischen Reaktion.
Vieles an dem, was den Supra so böse aussehen lässt, hat keine Funktion. Das gilt für die meisten Luftein- bzw. Auslässe ebenso wie für die kleinen Flügeleien seitlich unter den Türen und neben dem Diffusor im Heck. Die meisten „Fake Vents“ kann man theoretisch durch Gitter ersetzen und tatsächlich verwenden, wenn man den Wagen tunt, wie das beim GT4-Rennwagen auch praktiziert wird. Der auffälligste „Lufteinlass“, der in den Türen, ist jedoch völlig ohne jede Funktion. Obwohl auch er beim GT4 durch ein Gitter ersetzt ist.
Auch wenn die Karosserie an die wunderschöne Studie FT-1 angelehnt ist, sind die Proportionen doch bei Weitem nicht so gut gelungen. Der Grund dafür ist der deutlich verkürzte Radstand, der jedoch für die gewünschten Fahreigenschaften unabdingbar ist.
Nicht billig, aber topausgestattet
Noch ein Unterschied: Toyota hat - im Gegensatz zu BMW - praktisch keine Aufpreisliste. Zum Basispreis von 71.900 Euro ist schon so ziemlich alles drin, was man braucht. Adaptive LED-Scheinwerfer, Navi, die Top-Sitze in Leder/Alcantara usw. Einzige Option: das Granturismo-Paket um 1838,24 Euro, mit Lederbezügen, einem noch besseren Soundsystem, Head-up-Display, Handschuhfachbeleuchtung oder induktiver Handyladung. Gelb kostet nichts extra, Rot 350 Euro, Metallicfarben stehen um 750 Euro fünf zur Wahl. Erstmals bei Toyota wird (bzw. wurde) Mattgrau angeboten, allerdings exklusiv für die auf 900 Stück limitierte Start-Edition namens A90, die bereits ausverkauft ist.
Unterm Strich
Ja, es ist viel BMW am Supra, aber nein, es ist nichts geklaut oder einfach eingebaut, weil es billig war. Das Aussehen ist Geschmackssache und Hardlinern werden mit der Kooperation aus Prinzip keine Freude haben. Aber: Der fünfte Toyota Supra ist vielleicht sogar der beste aller Zeiten.
Warum?
Sehr geschmeidig zu fahren
Gut abgestimmte Fahrmodi
Herausragender Motor
Warum nicht?
An der Optik werden sich die Geister scheiden
Schiefe Sitzposition
Oder vielleicht …
… Porsche 718 Cayman
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