Protest gegen Kirche

Künstler kreuzigt sich symbolisch am Stephansdom

Österreich
02.04.2010 11:52
Aus Protest gegen das Verhalten der Kirche in Bezug auf die jüngsten Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfe hat sich der in Wien lebende Künstler Emmerich Weissenberger am Karfreitag am Stephansdom symbolisch gekreuzigt. Er kletterte über ein Baugerüst auf 20 Meter Höhe und hängte sich dort, nur mit Lendenschurz bekleidet und einer Krone aus Stacheldraht auf dem Kopf, über den Dom-Eingang.

Über das Gerüst seitlich des Haupteingangs erklomm Weissenberger gegen zehn Uhr vormittags den Dom und schnitt kurz darauf von innen einen Spalt in die Plane. Von Seilen gehalten lehnte er sich nach draußen. Rechts und links flankiert wurde der mit roter Farbe beschmierte Künstler von zwei Totentüchern aus seiner Serie "Anna.Ikona", die Weissenberger mit originalen Abdrücken zweier Leichname hergestellt hat. Rund eine Viertelstunde verharrte er in dieser Pose, ehe die Polizei der Darbietung beendete.

"Am Tag der Kreuzigung Christi kreuzige ich mich selbst, stellvertretend für alle Ohnmächtigen. Es ist ein Hilfeschrei, denn Kunst ist immer wahrhaftig. Die Kirche, so wie sie ihr Antlitz heute zeigt, ist es nicht", erklärte Weissenberger seine Aktion vorab. 

"Täglich werden es mehr"
"Der Klerus gedenkt der Kreuzigung Christi und feiert seine Auferstehung mit kirchlichem Pomp, als wäre nichts geschehen, während weltweit Tausende Missbrauchsopfer mit ihren traumatischen Erlebnissen kämpfen. Täglich werden es mehr, die aus dem Schatten in das Licht treten", klagt Weissenberger an.

Es sei keine Aktion gegen die gesamte katholische Kirche, wohl aber gegen "jene Vertreter der Kirche, die den Schutz ihrer Institution nicht verdient haben". Weissenberger, der laut eigenen Angaben getauft ist, aber aus der Kirche austrat, hatte die Aktion in einem Video auf seiner Website (siehe Infobox) angekündigt, dabei aber nicht den Ort genannt, an dem er sie durchführen würden. 

Nach der Darbietung, die zu einer Sperre des Dom-Eingangsbereichs geführt hatte, wurde Weissenberger von der Polizei vorübergehend festgenommen. Er werde wegen schwerer Sachbeschädigung angezeigt. Möglicherweise were er aber Schadenswiedergutmachung leisten, hieß es vonseiten der Exekutive. 

Dompfarrer: "Legitim, aber nicht mit Gefährdung"
Dompfarrer Toni Faber war von der Aktion wenig begeistert: "Es ist legitim, gegen die Missbrauchsfälle in der Kirche mit künstlerischen Mitteln zu protestieren, aber nicht in schwindelnder Höhe am Stephansdom, wenn der Künstler dadurch sich selbst und andere gefährdet." Das Anliegen sei zu "akzeptieren und zu respektieren", so der Dompfarrer im Gespräch laut der katholischen Agentur "Kathpress"; die Ausdrucksform, die Weissenberger dafür gewählt habe, mache ihn "betroffen". 

"Nicht in Ordnung" sei für ihn jedoch, dass der Künstler seinen Protest mit Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch verbunden habe und die von ihm in Kauf genommene Gefährdung zu einem Großeinsatz am Wiener Stephansplatz führen musste.

Opfer erwägen Klage, Klasnic kündigt Hilfsfonds an

Abseits der Aufsehen erregenden Protestaktion wurde am Karfreitag die Diskussion um die Aufarbeitung der Missbrauchs- und Misshandlungsfälle weitergeführt (siehe ausführlicher Bericht in dern Infobox). Die kürzlich gegründete Selbsthilfe-Plattform "Betroffene kirchlicher Gewalt" kündigte dabei an, eine Art Sammelklage gegen die Kirche zu prüfen. Das sei "theoretisch" möglich, hieß es. Die  kirchliche Opferbeauftragte Waltraud Klasnic hat indes die Einrichtung eines Opferfonds in Aussicht gestellt, aus dem u.a. Schadensersatz geleistet oder Therapien bezahlt werden sollen.
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