Nach der Veröffentlichung eines Videos, das mutmaßliche Polizeigewalt gegen einen Klima-Aktivisten am Freitag in Wien zeigt, hat das Referat für besondere Ermittlungen die beteiligten Beamten ausgeforscht. Zudem wurde, wie Polizeisprecher Patrick Maierhofer am Sonntag mitteilte, ein erster Anlassbericht an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.
Zu dem Vorfall ist es rund um die Aktion von rund 100 Klima-Aktivisten gekommen, die am Freitagnachmittag den Wiener Ring bei der Aspernbrückengasse blockiert hatten. Das am Samstag per Twitter verbreitete Video zeigt einen Mann, der zunächst von drei, danach von fünf Polizisten in Bauchlage am Boden fixiert wird. Ein Beamter versetzt ihm von hinten offensichtlich mehrere heftige Faustschläge gegen Oberkörper oder Kopf, wobei das genaue Geschehen teilweise durch andere Polizisten verdeckt ist.
Mann soll sich durch Fußtritte gewehrt haben
Mittlerweile ist auch bekannt, warum der Aktivist festgenommen wurde: Der Mann soll sich laut Exekutive gegen 16.30 Uhr an der Sitzblockade beteiligt und in weiterer Folge durch Fußtritte dagegen gewehrt haben, von den Polizisten weggetragen zu werden. Daraufhin wurde er festgenommen und von mehreren Beamten am Boden fixiert, wo es dann zu den dokumentierten Szenen kam.
In den kommenden Tagen sollen die Zeugen des Vorfalls, das Opfer sowie die beteiligten Polizisten vom Referat für besondere Ermittlungen einvernommen werden, so Maierhofer. Noch nicht ausgewertet wurde das polizeieigene Videomaterial, das bei der Aktion angefertigt wurde. Danach kann die Staatsanwaltschaft weitere Ermittlungsaufträge erteilen. Genau kontrolliert werde auch die Festnahmemeldung, in der alle ergriffenen Zwangsmittel dokumentiert werden müssen. Die Staatsanwaltschaft wird anhand aller Fakten entscheiden, ob die Maßnahmen der Polizisten verhältnismäßig oder eine Überschreitung waren und ob Anklage erhoben wird.
Aktivisten: „Einsatzleitung drohte mit Gewaltanwendung“
Auch die Organisatoren der Klima-Aktion meldeten sich zu Wort: „Schon zu Beginn der Aktion drohte uns die polizeiliche Einsatzleitung mit Gewaltanwendung“, so Sina Reisch, Pressesprecherin der Aktionsform „Ende Geländewagen“. Während der Räumung seien einige Beamte tatsächlich mit unverhältnismäßiger Gewalt vorgegangen.
Eine Person mit Platzwunde musste ärztlich versorgt werden und zumindest eine weitere das Krankenhaus aufsuchen. „Zu der Platzwunde kam es, als ein Aktivist von sechs Beamten zu Boden gerissen und fixiert wurde. Dabei schlug der Kopf hart auf den Asphalt auf“, so Reisch.
Großeinsatz mit rund 200 Polizisten
Die Aktion hatte zu einem längeren Großeinsatz von rund 200 Polizisten sowie der Feuerwehr gesorgt, die aus ganz Wien zusammengezogen wurden. Zwei Personen seilten sich auch von der Aspernbrücke ab, zwei weitere hingen auf sogenannten Tripods (siehe unten) auf der Straße. Die Aktivisten forderten einen radikalen Wandel des Mobilitätssystems.
Die Mehrzahl der Teilnehmer habe sich gegenüber der Polizei nicht kooperativ gezeigt und nicht an den Identitätsfeststellungen mitgewirkt, weshalb fast alle der 100 Demonstranten vorläufig festgenommen wurden. Drei bis vier Aktivisten leisteten Widerstand und wurden deshalb ebenfalls festgenommen, so die Polizeiinformationen am Freitagabend.
NEOS: „Polizist muss suspendiert werden“
Sonntagmittag gab es auch erste politische Reaktionen zu dem Vorfall. Die NEOS-Sprecherin für Inneres, Stephanie Krisper, forderte, dass der Polizist umgehend suspendiert werden müsse, bis der Fall geklärt sei, „wenn die Polizei nicht das Vertrauen der Bevölkerung verlieren will“. „Was Ermittlungen gegen Übergriffe der Polizei angeht, liegt laut internationalen Expertinnen und Experten sowie Menschenrechtsorganen wie dem Anti-Folter-Komitee des Europarates in Österreich schon lange vieles im Argen. Deshalb ist höchste Transparenz notwendig“, betonte Krisper.
„Nicht verwunderlich, dass die Szenen zu solchen Irritationen führen. Schließlich wirkt die Aktion der Polizei völlig unverhältnismäßig, brutal und nicht nachvollziehbar“, sagte Ewa Dziedzic, Bundesrätin und Demokratiesprecherin der Grünen. Man habe im Bundesrat eine entsprechende Anfrage verfasst. Die Grünen fordern neben rascher Aufklärung und Konsequenzen in diesem Fall generell eine neu zu schaffende unabhängige Stelle, an die sich Personen wenden können, die von Polizeigewalt betroffen sind.
Ratz: „Erwarte mir lückenlose, umfassende Aufklärung“
Innenminister Eckart Ratz erwartet sich eine „lückenlose und umfassende Aufklärung“, wie er am Sonntag erklärte. „Ich habe von Wiens Landespolizeipräsident (Gerhard) Pürstl umgehend eine Untersuchung an- und vollste Transparenz eingefordert.“
Schnellstmögliche Aufklärung verlangte auch die Liste JETZT. „Das Video über mutmaßliche Polizeigewalt im Rahmen der Klimaschutz-Demonstration am Freitag zeigt Bilder, die es in Österreich nicht geben sollte und die dem guten Ruf der Polizei schaden“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin Alma Zadic. Peter Pilz nahm auch den bald neuen Innenminister in die Pflicht: „Egal wer der neue Innenminister ist, wir messen ihn an seiner ersten Tat: Die Prügelpolizisten müssen sofort die Uniform ausziehen.“
Die Wiener Polizei kündigte auf Twitter Zeugeneinvernahmen und eine Prüfung des Vorfalls an.
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