Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montag bereits zum zweiten Mal binnen einer Woche eine Übergangsregierung angelobt. Diese allerdings - das Kabinett Bierlein - soll nun für die nächsten drei Monate halten, bis zur Neuwahl im September. Die Zeremonie war der erste große Auftritt der Expertenregierung, die erstmals zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen besteht. Einen Ministerrat gibt es am ersten Tag im Amt noch nicht. Ihre wichtigsten Pläne umriss Bierlein kurz darauf in einer ersten Rede. Die Übergangsregierung wird sich am Mittwoch, den 12. Juni, dem Parlament vorstellen, womit keine Sondersitzung nötig wird. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) zeigte sich schon jetzt überzeugt, „dass die künftige Zusammenarbeit mit Bundeskanzlerin Bierlein und ihrem Team von Vertrauen und Respekt getragen ist“.
Van der Bellen sagte in seiner Rede vor der Angelobung, er sei überzeugt, dass die neue Regierung „unser Land sympathisch vertreten“ werde, und er zeigte sich sehr erfreut, dass es in Österreich nun nicht nur erstmals eine Bundeskanzlerin gibt, sondern dass die Regierung zur Hälfte aus Frauen besteht. „Künftig kann niemand mehr sagen: Es geht einfach nicht“, so das Staatsoberhaupt. Bierleins Kabinett ist mit zwölf statt bisher 14 Ministern nicht nur eines der kleinsten, sondern auch das weiblichste in der Zweiten Republik.
Dank und Respekt für die „Vertrauensregierung“
„Ich bin überzeugt, dass Sie eine starke, stabile Bundesregierung sein werden“, so Van der Bellen, der den neuen Regierungsmitgliedern seinen Dank und auch Respekt aussprach: „Dafür, dass Sie sich in dieser nicht einfachen Situation zur Verfügung stellen, diese Verantwortung zu übernehmen.“ Alle neuen Mitglieder der Übergangsregierung würden damit „staatspolitische Verantwortung“ zeigen. Noch einmal auf das Ibiza-Video, mit dem die Ereignisse der vergangenen 17 Tage ihren Anfang nahmen, Bezug nehmend, sagte das Staatsoberhaupt: „Es sind die allerwenigsten Politiker so. Österreich ist nicht so.“ Die jetzige Regierung sei eine „Vertrauensregierung“. Vertrauen zu erwerben, müsse man „dennoch immer wieder versuchen“.
Beamten- und Kanzleramtsminister eingespart
Eingespart werden neben dem Beamten- und Sportministerium auch der Kanzleramtsminister, dessen Agenden zum neuen Außenminister Alexander Schallenberg wandern. Als neuer Vizekanzler angelobt wurde Clemens Jabloner, der mehr als zwei Jahrzehnte Präsident des Verwaltungsgerichtshofs war. Als Innenminister vereidigt wurde Wolfgang Peschorn, der bisher als Präsident der Finanzprokuratur fungierte. Neue Sozialministerin ist die bisherige Sektionschefin im Sozialressort, Brigitte Zarfl.
Finanzminister Müller mit Agenden für öffentlichen Dienst und Sport
Neuer Finanzminister ist der Leiter der Sektion 1 im Finanzressort, Eduard Müller. Ihm wurden auch die Agenden für öffentlichen Dienst und Sport übertragen, die unter dem Kabinett Kurz beim zurückgetretenen Ex-Vizekanzler und Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache beheimatet waren.
Enger Kurz-Wegbegleiter nun Außenminister samt EU- und Medien-Agenden
Das Außenministerium wird künftig von Alexander Schallenberg geleitet. Der enge Wegbegleiter von Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) arbeitete bis zuletzt als Leiter der Europasektion im Bundeskanzleramt. Er übernimmt auch die EU-Agenden sowie jene für Kunst, Kultur und Medien, die zuvor im nun eingesparten Kanzleramtsministerium von Ex-ÖVP-Minister Gernot Blümel angesiedelt waren.
Van der Bellens Adjutant als neuer Verteidigungsminister
Verkehrsminister wird Andreas Reichhardt, der unter Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) als Generalsekretär fungiert hatte. Als Verteidigungsminister angelobt wurde Thomas Starlinger, bisher Generalmajor des Bundesheeres und seit Jänner 2017 Adjutant von Bundespräsidenten Van der Bellen. Neue Landwirtschaftsministerin ist Maria Patek. Sie war bis zuletzt als Leiterin der Sektion III in diesem Ressort tätig.
Als Wirtschaftsministerin angelobt wurde Elisabeth Udolf-Strobl. Sie wechselt von der Leitung der Sektion V (Kulturelles Erbe) an die Spitze ihres Hauses. Neue Bildungsministerin ist Iris Eliisa Rauskala. Bisher fungierte sie dort als Leiterin der Präsidialsektion. Die neue Frauenministerin Ines Stilling wiederum kommt aus dem Bundeskanzleramt, wo sie der Sektion für Frauenangelegenheiten und Gleichstellung vorstand.
Große Überraschung bei Besetzung erst am Vortag bekannt geworden
Die Übergangs-Kanzlerin hatte mit ihrer Ministerriege am Sonntag für einige Überraschungen gesorgt - allen voran die Besetzung des Innenminister-Postens mit Peschorn. Ursprünglich war der oberösterreichische Landespolizeidirektor Andreas Pilsl als neuer Chef des Innenressorts gehandelt worden. Doch da hatte sich die FPÖ quergelegt. Die Interimsminister sind allesamt keiner Partei zugehörig, viele weisen aber eine gewisse Nähe auf. Sie sind mehr oder weniger den großen Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ zuordenbar, was unter anderem etwaigen Misstrauensanträgen vorbeugen soll.
Gleichzeitig mit der Angelobung wurden die vergangene Woche mit der Fortführung der Amtsgeschäfte betrauten Regierungsmitglieder unter Interimskanzler Hartwig Löger ihres Amtes enthoben. Auch bei ihnen bedankte sich der Präsident, dass sie für die zurückgetretenen blauen Minister zwischenzeitlich eingesprungen waren.
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