Friedensjubiläum

75 Jahre D-Day: Landung in der Normandie

Reisen & Urlaub
06.06.2019 11:30

Die idyllische Küste Nordfrankreichs war eines der blutigsten Schlachtfelder des 2. Weltkriegs - jetzt wird dort im Gedenken an die Befreiung Europas ein Friedensjubiläum gefeiert

Kaum eine Landschaft wirkt heute so sanft, beruhigend, malerisch altmodisch wie Nordfrankreichs Küstenstreifen und sein Hinterland um die historische Stadt Caen – genau dort aber begann vor 75 Jahren mit der Landung von 155.000 alliierten Soldaten an fünf flachen, sandigen Stränden eine 100 Tage dauernde blutige Schlacht, Wendepunkt im Krieg gegen die Nazis, Beginn der Befreiung Europas: die über Monate minuziös geplante und vorbereitete „Operation Overlord“.

Sie beeindruckt schon durch schiere Zahlen: Allein am D-Day, dem legendären „längsten Tag“, überquerten 2727 Schiffe den Ärmelkanal, brachten in je 12 Meter langen und 3 Meter breiten flachen Landungsbooten meist blutjunge alliierte Soldaten an die Strände. Viele davon starben schon auf den ersten Metern durch das Feuer aus Bunkern des deutschen „Atlantikwalls“. In den folgenden Tagen kamen über den Ärmelkanal 836.000 Soldaten, 220.000 Fahrzeuge und 725.000 Tonnen Nachschub an die als Omaha-, Utah-, Gold-, Sword- und Juno Beach bekannten Strände.

In Port Winston, dem künstlichen Hafen, dessen Bau am 7. Juni begonnen wurde, gingen binnen acht Monaten 2,5 Millionen Soldaten an Land, 500.000 Fahrzeuge und vier Millionen Tonnen Ausrüstung. Zigtausende Verwundete und deutsche Kriegsgefangene wurden auf die anderer Seite des Ärmelkanals gebracht.

Eine Materialschlacht und eine sehr blutige Schlacht
In drei Monaten starben 32.800 alliierte und 77.600 deutsche Soldaten sowie 30.000 Zivilisten. Etwa zwei Millionen Soldaten waren im Einsatz – eine enorme Belastung für nur etwa eine Million Bewohner der Normandie. Verständlich, dass gleich nach dem Krieg wie überall der Wiederaufbau und auch das Verdrängen der Schrecken im Vordergrund standen. Das Erinnern und das Aufarbeiten folgten nur langsam: 1954 wurde in Arromanches das erste D-Day-Museum gegründet, mit 2000 Erinnerungsstücken und perfekten, beweglichen Modellen des künstlichen Hafens, der die Versorgung der Truppen monatelang sicherte.

Erst 1962 hatte der Bürgermeister des Dorfes Sainte-Marie-du-Mont, am 6. Juni 1944 schwer verletzt, von US-Krankenschwestern gerettet und nach England gebracht, genügend Mittel, um als Zeichen der Dankbarkeit das große Museum der alliierten Landung in Utah Beach zu gründen. Die Kanadier gedenken ihrer Soldaten, die in Juno Beach landeten, auf Initiative der Nachkommen einiger Veteranen seit 2003 in einer Gedenkstätte – und das große Memorial de Caen, ausdrücklich als Mahnmal für den Frieden konzipiert, wurde am 6. Juni 1988 eröffnet. Jean-Marie Girault, sein Vater, erlebte die Grauen der Schlacht 1944 als 18-jähriger Sanitäter. „Wir haben den Preis für die Freiheit der Normandie bezahlt“, sagte er immer wieder und wollte ein Symbol für den unschätzbaren Wert von Frieden und Freiheit setzen.

Die Gedenkstätte ist mit mehr als 400.000 Besuchern jährlich mittlerweile das meistbesuchte Museum Frankreichs außerhalb des Großraums von Paris, es schildert die Geschichte vom Ersten Weltkrieg bis zum Mauerfall in Berlin 1989, mit unzähligen Bildern, Videos, längeren Filmen, eigenen Aufarbeitungen für Kinder und Jugendliche. Zum 75-Jahre-Jubiläum des D-Day wird am 6. Juni noch ein 360-Grad-Kinosaal zum Verständnis der gemeinsamen Geschichte Europas eröffnet.

(Bild: Kronen Zeitung)

Pure Feiern der Alliierten sind die modernen Museen in der Normandie auf keinen Fall. Auch das Leben jener, die – oft keineswegs begeistert – auf der anderen Seite kämpften, wird erklärt und verständlich gemacht, z. B. in der ehemaligen deutschen Geschützstellung Batterie d’Azzeville, etwa 10 Kilometer von den Landungsstränden entfernt.

Auf den Friedhöfen mit jeweils mehr als 10.000 Soldatengräbern wird das Ausmaß der blutigen Schlacht nach dem D-Day noch einmal eindrucksvoll bewusst. Diese Reise in die wunderschöne und jetzt so friedliche Normandie regt gerade jetzt, zum 75-Jahre-Jubiläum, zum Nachdenken an. Es lohnt sich aber, neben dem puren Genuss von Landschaft, Kultur und Kulinarik auch Erinnerungsstätten zu besuchen. Für alle Generationen, und nicht nur für Militär- oder Geschichtsexperten. Das Innehalten lässt uns den unschätzbaren Wert unseres Lebens in Frieden und Freiheit schätzen - und schützen ...

Brigitte Egger, Kronen Zeitung

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