Unlängst blamierte sich die einstige „Queen Of Pop“ Madonna mit einem inferioren Auftritt beim Eurovision Song Contest in Tel Aviv. Wenig später folgt nun mit „Madame X“ das erste Studioalbum seit vier Jahren und kann wenig Boden gutmachen. Die 60-jährige Ikone will zu viel und erreicht damit im Endeffekt zu wenig. Ein zerfahrenes Album, das sich auf Biegen und Brechen an der jüngeren und frischeren Konkurrenz anbiedert.
Das Allerletzte, was Madonna nach einer phänomenalen Karriere mit mehr als 300 Millionen verkauften Tonträgern und etlichen Grammys verdient hat, ist Mitleid. Doch genau dieser Gefahr setzte sich der weibliche Megastar der 80er, in der Ruhmeshalle direkt neben Michael Jackson, Prince, Bruce Springsteen und David Bowie, im Mai aus - mit einem vielfach als Fiasko empfundenen ESC-Gastspiel.
Quo Vadis?
Einigermaßen wacklig und stimmlich indisponiert wirkte die 60 Jahre alte Sängerin auf der riesigen Bühne in Tel Aviv. Voller Sorge (oder auch Häme) wurde daher Madonnas neues Studioalbum „Madame X“, das diese Woche erscheint, erwartet. Stürzt die „Queen Of Pop“ mit der angekündigten Ausrichtung auf Latino-Sounds noch tiefer, verliert sie ihre Würde? Oder kann sie sich noch mal neu erfinden? Wie 1998, als sie dem Abstiegsgeläster ihr Elektropop-Meisterwerk „Ray Of Light“ entgegenschleuderte.
Madonnas eher dünne Stimme klingt auf der Platte schon mal besser, auch jünger als an diesem vermaledeiten Abend zwischen all den Möchtegern-Popsternchen beim Eurovision Song Contest (ESC). Gleich im ersten Song „Medellín“ trifft die 60-jährige US-Amerikanerin mit Teilzeit-Wohnsitz Lissabon die Töne hell und klar - wenn auch im Studio nachbehandelt. Neben ihr rappt der Kolumbianer Maluma. Man denkt zurück an den Superhit „La Isla Bonita“ von 1986 - und schwenkt zum englisch-spanischen Gesangsmix das Cocktailglas. „One, two - cha cha cha“ säuselt Madonna zu einem mittelschnellen Beat. Sommerhits kann sie also noch.
Kunterbunt und bizarr
Doch danach geht es bergab - mit „Dark Ballet“, einem von Madonnas Lieblingsstudiohelfer Mirwais produzierten Epos, das viel zu viel auf einmal will. „I can dress like a boy, I can dress like a girl“, singt Madonna, als wolle sie ihre einst grenzenlose Allmacht beschwören. Zuerst Ballade, dann Piano-Solo und Pseudo-Klassik, schließlich eine vermeintlich coole Spoken-Word-Passage - und andauernd diese im heutigen Pop fast schon wieder aus der Mode geratene Stimmenmanipulation per Autotune: Ein kunterbuntes Durcheinander ist dieses „Dark Ballet“, unfreiwillig komisch, ja bizarr - und gewiss nicht so modern wie von der Pop-Veteranin mit dem einst zielsicheren Trendbewusstsein erwünscht.
So richtig erholt sich das unruhige, mit rund einer Stunde Spieldauer auch zu lange Album von diesem Tiefpunkt nicht mehr. „God Control“ kombiniert House, Hip-Hop und Streicher, Madonna fordert „Democracy!“ - ganz nett und durchaus tanzbar. Auch der beim ESC mit dem jungen Rapper Quavo dargebotene Track „Future“ bemüht sich um Bedeutungsschwere, ist mit Reggae-Rhythmus und - leider schon wieder - penetranten Autotune-Vocals jedoch ziemlich altbacken.
Geburt in der Wahlheimat
Das Latin-Gospel-Stück „Batuka“ klingt hübsch exotisch. Im politischen Song „Killers Who Are Partying“ geht es etwas wirr um Schwule, Arme und Frauen, Afrika und Islam, Israel und Indianer - Madonna sieht sich auf der Seite der Schwachen, Verfolgten und Unterprivilegierten. Gut gemeint - aber textlich: nun ja... Mehrere aufwendig produzierte R&B-Balladen und Mid-Tempo-Lieder enthält „Madame X“ - da konkurriert die 60-Jährige selbstbewusst mit Nachfolgerinnen wie Beyoncé, Rihanna oder Robyn. Auch manche Hinweise auf Madonnas Liebe zu Portugal gibt es in den mehrsprachigen Songs. „In Lissabon wurde meine Platte geboren“, sagt sie, dort habe sie „eine magische Welt mit unglaublichen Musikern“ entdeckt.
Doch trotz Klangfarben wie Akkordeon und Orgel kommt vieles auf der zweiten Albumhälfte kaum über Füllmaterial hinaus, die Stücke heben nicht ab. Am überzeugendsten kriegt Madonna kurz vor Schluss „I Don‘t Search I Find“ hin - der knackige House-Song ist allerdings fast eine Selbstkopie vom 30 Jahre alten Dancefloor-Knaller „Vogue“. Der Gesamteindruck: Die erfolgreichste, zeitweise auch einflussreichste Musikerin der Pop-Moderne klingt nicht mehr modern - und ihre neue Platte wie ein Dokument der Ziellosigkeit. Ein Totalabsturz ist „Madame X“ nicht, und für Platz eins der Charts vieler Länder wird es wie schon bei den durchwachsenen Vorgängern „Hard Candy“ (2008), „MDNA“ (2012) und „Rebel Heart“ (2015) wohl wieder reichen. Aber irgendwie ist Madonna in der Pop-Welt von heute nicht mehr hip, sondern ziemlich egal.
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