Nächstes Regime-Opfer?
Im Alter von 10 demonstriert, nun droht Exekution
Er war zehn Jahre alt, als er mit rund 30 befreundeten Buben auf Fahrrädern in Saudi-Arabien für Menschenrechte protestierte, drei Jahre später, im Jahr 2014, wurde er verhaftet. Nun ist Murtaja Qureiris 18 Jahre alt. Die letzten fünf Jahre hat er in Haft verbracht und wegen dieser und weiterer Protestaktionen gegen die Regierung auf seinen Prozess gewartet - nun droht ihm die Todesstrafe. Die Anklage will, dass eine besonders grausame Form verhängt wird: Der „Aufwiegler“ soll gekreuzigt werden.
Bei seiner Festnahme im September 2014 galt Murtaja Qureiris als der jüngste bekannte politische Gefangene in Saudi-Arabien. Einen Teil seiner Haft - mehr als ein Jahr - soll er isoliert verbracht haben. Ihm wird unter anderem vorgeworfen, Teil einer Terroristengruppe zu sein, berichtet CNN. Die Anklage bezieht sich dabei auf einen Vorfall, als der Bub elf Jahre alt war und auf dem Sozius seines älteren Bruders saß. Dieser, Ali, der ein Jahr später bei Protesten ums Leben kommen sollte, soll bei dieser Ausfahrt mit dem Motorrad einen Molotowcocktail gegen eine Polizeistation in Awamiya geschleudert haben.
Ab welchem Alter man in Saudi-Arabien als strafmündig gilt, ist unklar. Laut CNN, das sich auf Human Rights Watch beruft, wurde dieses Alter im Jahr 2006 auf zwölf Jahre festgesetzt. Zudem habe das Königreich gegenüber den Vereinten Nationen festgestellt, dass die Todesstrafe nicht angewendet werde, wenn der Gefangene zum Zeitpunkt der Tat noch nicht strafmündig war. Nach internationalem Recht ist die Todesstrafe gegen Minderjährige in jedem Fall verboten.
Ein Bruder tot, ein weiterer und der Vater ebenfalls in Haft
Trotzdem könnte in Kürze die Todesstrafe gegen Murtaja Qureiris verhängt werden - weil er eben laut Staatsanwaltschaft einer terroristischen Gruppierung angehöre und geholfen habe, Molotowcocktails zu bauen, die auf Sicherheitskräfte geschleudert worden sein sollen, und auch weil er an laut der Regierung gewalttätigen Protesten und am Trauermarsch für seinen Bruder teilgenommen habe. Auch ein weiterer Bruder Murtajas ist in Haft, und wie Aktivisten berichten, wurde auch der Vater der Brüder im vergangenen Jahr festgenommen.
Kreuzigung samt folgender Abtrennung der Gließmaßen droht
Die Anklage sagt, Murtaja habe gestanden. Der 18-Jährige allerdings weist die Vorwürfe zurück, sagt, sie seien unter Druck - die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Haft spricht von Folter - entstanden. Weil er „ein beständiger Aufwiegler“ sei, verlangt die Anklage nach der schärfsten Form der Todesstrafe - die eine Kreuzigung bedeuten könnte, samt folgender Abtrennung der Gliedmaßen.
Aktivisten glauben nicht nur, dass der 18-Jährige gefoltert wurde, um eine für die Anklage passende Aussage zu machen, sie sind sich dem Bericht zufolge auch sicher, dass die Demonstrationen für mehr Menschenrechte, an denen Murtaja teilgenommen hatte, friedlich gewesen seien. Es gebe weder Foto- noch Videobeweise für irgendeine Art von gewalttätigen Auseinandersetzungen, die von Demonstranten ausgegangen sei. Im Gegenteil liegen dazu CNN Videos von Murtaja vor, die nur friedliche Szenen zeigen - eben Murtaja mit seinen Freunden auf Rädern, Murtaja neben seinem Vater, der eine Rede hält und darin für Demokratie eintritt. Trotzdem ist das Risiko, dass auch Murtaja zum Tode verurteilt wird, hoch, trotz seines jungen Alters.
Im April wurden an einem Tag 37 Menschen hingerichtet
In diesem Jahr wurden in dem Königreich bereits drei Gefangene hingerichtet, deren vorgeworfene Verbrechen geschahen, als sie minderjährig waren. Zwei von ihnen wurden bei der Massenhinrichtung am 23. April dieses Jahres exekutiert, in deren Rahmen 37 Menschen zwangsweise ihr Leben verloren. Die Hingerichteten seien alle für schuldig befunden worden, sich „terroristisches, extremistisches Denken angeeignet zu haben“, hieß es im Anschluss an die Vollstreckungen der Todesurteile. Damit wurden heuer bereits mehr als 100 Menschen in Saudi-Arabien hingerichtet - im Vorjahr waren es 149 gewesen. Das ist die zweithöchste Anzahl nach dem Iran mit 253 Hinrichtungen.
Amnesty International machte erst am Freitag auf den Fall des 18-jährigen Murtaja Qureiris sowie erneut auf die Massenhinrichtung im April aufmerksam. Für die Menschenrechtsorganisation ist die Eskalation von Todesurteilen in dem arabischen Königreich, das von König Salman und dessen Sohn Kronprinz Mohammed Bin Salman (33) regiert wird, „alarmierend“. Die Mehrheit der Hingerichteten komme aus der schiitischen Minderheit des Landes. Die Männer seien in Scheinverhandlungen verurteilt worden, die jeglichen internationalen Standards widersprächen.
Die häufigste Hinrichtungsmethode in Saudi-Arabien ist das Köpfen mit einem Säbel. Wie das Ministerium mitteilte, wurde einer der Verurteilten bei der Massenexekution gekreuzigt - eine Hinrichtungsart, die für besonders schwere Verbrechen vorgesehen ist. Und die auch bei dem 18-jährigen Murtaja angewendet werden könnte.
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