Nun geht auch sie. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) gibt ihr Abschiedsinterview: über das Autohasser-Image, Wien als ihr Zuhause, Schlitzohr Michael Häupl und ihre letzte Idee einer Markthalle.
„Krone“: Frau Vizebürgermeisterin, wir treffen einander hier in einem Kaffeehaus beim Nordbahnhof. Haben Sie kein Büro mehr?
Maria Vassilakou: Ich habe mir den Ort ausgesucht, weil er verdeutlicht, was ich unter Stadtentwicklung verstehe. Nämlich viel Grün.
Ich nehme an, Sie werden Ihr Büro, wie es sich für eine Grüne gehört, mit dem Lastenrad ausräumen.
Die Couch wird schwer mit dem Rad gehen, aber alles andere müsste klappen.
Sie sind seit dem Jahr 2009 Vizebürgermeisterin und heute die laut Umfragen unbeliebteste Politikerin Wiens. Wie kam es?
Als ich das Ressortübernommen habe, war es mir wichtig, so viele Projekte wie möglich umzusetzen, und heute attestieren mir Freund wie Feind, dass viel weitergegangen ist. Dafür habe icheiniges an Kontroversen in Kauf genommen.
Wissen Sie, was eine Amaxophobie ist?
Nein, aber Sie werden es mir gleich verraten.
Die Angst vor dem Auto oder dem Autofahren. Hat Ihr jahrelanger Krieg gegen die Autofahrer vielleicht einen psychologischen Hintergrund?
(lacht) Ich habe nichts gegen Autos. Das ist nur einer der Spins, die wahnsinnig gerne weitererzählt wurden, bis sie Selbstläufer waren. Aber das hat nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Ganz im Gegenteil. Ich verstehe die Verärgerung, die man als Autofahrer spürt,wenn man im Stau steckt. Deswegen habe ich mit meiner Verkehrspolitik zwei Ziele verfolgt: günstige und schnelle Alternativen zum Auto, was mir mit der 365-Euro-Jahreskarte auch gelungen ist. Und ich wollte eine Stadtschaffen, in der insbesondere Kinder und Pensionisten sicher unterwegs sein können. Hier habe ich viele Schwerpunkte gesetzt.
Von Hasspostings bis Pöbeleien auf der Straße. Wie sehr leidet die Persönlichkeit unter dem Mobbing eines beachtlichen Teils der Wiener?
Wenn man kontroversielle Projekte angeht, dann gehört das dazu. Wenn man es nicht aushält, dann sollte man das sein lassen. Für mich war das kein Thema, aber ich mache mir schon Gedanken, wie die Hasskultur im Netz immer stärker wird, denn sie trifft Jugendliche und viele, die keine Kraft haben, damit fertig zu werden.
Sie haben den Weg in die Politik nie bereut?
Nein. Nie. Nicht jeder Tag war gut, aber jeder Tag war es wert. Nach zehn Jahren Regierungsverantwortung tut man aber gut daran, sich zu verändern.
Am 27. Juni haben Sie keinen Chauffeur mehr, kein Büro, keine Berater, keine Mitarbeiter. Es bleibt der Mensch Maria Vassilakou. Wer ist das eigentlich?
Eine 50-jährige Frau, mit einer großen Leidenschaft für Stadtentwicklung, die gerade ein Studium im Städtemanagement abgeschlossen hat und die sich riesig auf neue Projekte freut.
Das klingt so als würden Sie über die „Krone“ nach einem neuen Arbeitgeber suchen wollen.
Ich strebe an, hauptsächlich mit anderen Städten, Entwicklungsbanken, großen NGOs und Stiftungen zusammenzuarbeiten. Es gibt so viele Städte in Asien und Afrika, die Wiener Know-how haben wollen. Das reizt mich sehr. Zunächst werde ich mir aber eine Auszeit bis Herbstnehmen.
Als Sie 1986 nach Wien gekommen sind, standen Sie mit Ihrem Koffer verloren auf dem Südbahnhof herum. Wann haben Sie sich in Wien zum ersten Mal daheim gefühlt?
Es hat schon zwei, drei Jahre gedauert, bis ich wirklich begonnen habe, mich zu Hause zu fühlen. Es hat aber damit zu tun, dass ich damals noch nicht einmal 18 Jahre alt warunddas Wien von damalseine völlig andere Stadt war, als sie es heute ist. Sehr grau und sehr überaltert. Dank Helmut Zilk und Jahrzehnten der sanften Stadterneuerung sind die Gründerzeitviertel komplett erneuert worden. Im heutigen Wien bin ich nicht nur hundertprozentig zu Hause, ich wüsste auch nicht, wo ich lieber wohnen wollte.
Wie sind Sie denn anfangs mit dem Wiener Schmäh umgegangen?
Sehr gut. Wiener und Griechen und, soweit ich das beobachtet habe, auch die Niederländer haben denselben schrägen Schmäh. Meistens lachen nur wir über diese Witze, aber es ist gut so.
Und dann zu Michael Häupl, dem Helmut Qualtinger der Wiener Kommunalpolitik. Er konnte schon ein Schlitzohr sein, oder?
Ja, das blieb mir nie verborgen. Ich konnte es aber auch sein. Wir sind uns jedenfalls nichts schuldig geblieben. Wir hatten aber auch eine sehr gute Zusammenarbeit, die viel hervorgebracht hat an Projekten. Und vielleicht auch so etwas wie eine Freundschaft.
Sie hatten bis zum Schluss viel gemeinsam. Nicht zuletzt weil sie beide ihre Wunsch-Nachfolger nicht durchsetzen konnten. Ist Birgit Hebein eine Frau, die Wahlen gewinnen kann?
An Birgit Hebein schätze ich ihre Ausdauer, und das ist in der Spitzenpolitik eine wesentliche Tugend. Sie verbindet den Klimaschutz mit sozialen Anliegen, und da liegt sie goldrichtig. Alles andere werden wir am Wahlabend wissen.
Wer soll die Grünen als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl führen?
Ich will zum Abschied keine Ratschläge erteilen, aber ich wünsche mir denjenigen, der bewiesen hat, dass er sehr erfolgreich ist. (Werner Kogler, Anm. der Redaktion.)
Könnten Sie sich vorstellen, in einer möglichen Dreier-Koalition ÖVP-Neos-Grüne nicht doch einen Posten anzunehmen? Etwa als Ministerin?
Gott bewahre.
2015 behaupteten Sie, Ihr größter Misserfolg sei Ihr erstes Moussaka gewesen, das Sie mit der Pfanne wegwerfen mussten. Das ist nicht mehr ganz aktuell, oder?
In der Küche schon. Ich kann Ihnen aber sagen, was mein größter politischer Fehler ist. Ich trage viel zu oft mein Herz auf der Zunge und sage daher immer wieder Sätze in der Öffentlichkeit, die ich nachher bitterböse bereue. Aber das nützt mir dann auch nichts mehr.
Welches Projekt, wenn Sie könnten, würden Sie noch gerne umsetzen?
Hätte ich noch Zeit, würde ich eine Markthalle anlegen. Es gibt spannende Orte dafür, Floridsdorf oder Favoriten vielleicht. Europaweit gibt es solche Markthallen und sie sind überall der Renner. Rotterdam, Stockholm, Kopenhagen, Amsterdam, Lissabon. Die Leute lieben so etwas. In Wien haben wir alles. Das fehlt noch.
Die letzten Zeilen hier gehören ganz Ihnen. Was wollen Sie den Wienern noch sagen?
Lasst uns stolz auf Wien sein. Das Leben in unserer Stadt ist doch ein Hit!
Michael Pommer, Kronen Zeitung
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