Europol-Bericht
IS setzt im Dschihad immer mehr auf Kämpferinnen
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) setzt nach einer Studie von Europol zunehmend auf eine aktive Rolle von Frauen im Dschihad. Seit den Verlusten des IS in Syrien, wo die Terrororganisation seit Ende 2018 als zerschlagen gilt, würden Frauen auch zunehmend zum Kampf mit der Waffe aufgerufen und würden die weiblichen Kämpferinnen gefeiert, sagte Europol-Direktorin Catherine De Bolle am Freitag. So war zuletzt etwa bei den verheerenden Anschlägen auf christliche Kirchen und Hotels in Sri Lanka eine Frau unter den neun Selbstmordattentätern. Schon im Vorjahr hatte der IS sogar zur Bewaffnung aller Frauen aufgerufen und von der „Pflicht aller, sich für Allah im Kampf zu opfern“, gesprochen.
Der Nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten, John Bolton, hatte im vergangenen März verkündet, der IS habe zwar praktisch 100 Prozent seines eroberten Territoriums verloren, bleibe aber als Terrororganisation weiter gefährlich. „Wir wissen jetzt, dass es noch immer verstreute IS-Kämpfer im Irak und in Syrien gibt und dass der IS selbst in anderen Teilen der Welt wächst“, so Bolton. Die Bedrohung des IS wird bleiben, waren sich die Experten einig - eine Bedrohung, bei der auch den IS-Frauen eine immer aktivere Rolle zukommt.
Im Vorjahr waren 15 Prozent der in der EU verurteilten ehemaligen IS-Kämpfer Frauen. „Frauen wurden für den IS unverzichtbar sowohl in Kampfgebieten als auch im Westen“, sagte De Bolle. Die Terrororganisation stelle es als „moralische Pflicht“ der Frauen dar, sich am Dschihad zu beteiligen. Experten des Anti-Terrorismus-Zentrums von Europol hatten die Online-Propaganda des IS analysiert.
Auch deutsche Verfassungsschützer warnten vor IS-Kämpferinnen
Bereits im Vorjahr hatte auch das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz von einem Anstieg der Zahl der Frauen, die tatsächlich an militärischen Operationen des IS beteiligt sind, berichtet. Die Verfassungsschützer berufen sich dabei auf ein Anfang 2018 vom IS-Medienorgan „al-Hayat Media Center“ veröffentlichtes Video. Darin zu sehen: eine Frau, die sich mit einer Schusswaffe augenscheinlich direkt am Kampf beteiligt.
In einer Szene gegen Ende des Videos erläutert ein Sprecher zudem, die Söhne der Mujahidin könnten stolz auf die Taten ihrer Väter, aber auch auf die ihrer Mütter sein, die sich voll und ganz für die Verteidigung des „Dar al-Islam“ (islamisches Herrschaftsgebiet) einsetzten und ein Beispiel für alle bildeten, die dem Dschihad fernbleiben. Zur Rechtfertigung dieser geänderten Rollenaufteilung zwischen Männern und Frauen innerhalb der Terrororganisation stützte sich der IS vor allem auf Beispiele aus der Zeit des Propheten Mohammad, in der es ebenfalls Frauen gab, die sich am Dschihad beteiligen wollten.
Britische Studie sieht IS-Frauen als unterschätzte Gefahr
Zu dem Schluss, dass das frühere Bild der „IS-Bräute“ in der Öffentlichkeit unvollständig sei, kam 2018 auch eine Studie des Zentrums zur Erforschung von Radikalisierung (ICSR) am King‘s College in London. Die Rollen seien vielfältiger, die Frauen nicht nur Ehegattinen, Mütter bzw. Rekrutiererinnen. Vielmehr hätten sie auch ausreichend Kampferfahrung und kämen immer häufiger an der Front zum Einsatz, war da zu lesen. Auch Patrouillengänge gehörten mittlerweile zu ihren Aufgaben. Die IS-Frauen, so das Fazit der Studie, seien eine bislang unterschätzte Gefahr.
„Da gibt es keine rosarote Brille“
Trotz einer aktiven Rolle für Frauen habe sich aber die Ideologie des IS den jüngsten Erkenntnissen von Europol zufolge nicht geändert. Demnach hätten Frauen vorrangig die Aufgabe, Kinder zu bekommen und sie im Sinne des IS zu erziehen. Doch macht die Studie auch Schluss mit Mythen: Die IS-Frauen können nicht länger behaupten, sie hätten von dem Terror und den Zielen des IS nichts gewusst. Im Gegenteil: Der IS ist dem Bericht zufolge in seiner Propaganda fast schonungslos offen. Das Leben im Kalifat werde in allen Härten dargestellt, sagte die Direktorin .„Da gibt es keine rosarote Brille.“
Außerdem können sich die Frauen von IS-Kämpfern nicht länger darauf berufen, dass sie ja nur zu Hause am Herd gestanden oder die Kinder gehütet hätten. Musliminnen seien sehr direkt auf ihre individuelle Pflicht für den Jihad angesprochen worden. „Als Belohnung wurde ihnen der Weg ins Paradies versprochen“, sagte die Direktorin.
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