Am Mittwoch werden in Salzburg die Europäischen Betriebssportspiele eröffnet. Insgesamt über 7000 Teilnehmer gehen an den Start, darunter auch 500 Athleten aus Salzburger Unternehmen. Einer von ihnen ist Ahmad Khatab. Die Geschichte des 31-jährigen Syrers bewegt.
„Ich möchte bei den Europäischen Betriebsspielen eine Medaille gewinnen und mich damit bei den Menschen und dem Land bedanken, das mich aufgenommen hat“, sagt Ahmad Khatab. Der 31-Jährige sagt es auf Deutsch. „Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich einmal Deutsch lernen würde.“ Doch vieles im Leben des syrischen Flüchtlings kam nicht so, wie er es erwartet hatte.
Ahmad stammt aus der syrischen Stadt Daraa. In seiner Heimat studierte er Sport und unterrichtete dann als Lehrer. „Ich habe dort mit Kindern bis 16 Jahren gearbeitet“, erzählt der 2,05-Meter-Mann, der in seiner Jugend den Diskus bereits über 60 Meter weit warf. „Aber das war ein leichterer Diskus.“
2011 nahm in Daraa der syrische Bürgerkrieg seinen Ausgang. „Als mein Bruder entführt wurde, mussten wir sehr viel Geld bezahlen um ihn aus der Gewalt der Kidnapper zu befreien“, erinnert sich Ahmad. „Das war der ursprüngliche Grund, warum wir über die nahegelegene Grenze nach Jordanien geflohen sind.“ Dort ereilte ihn die nächste Schreckensnachricht. „Bei einem Luftangriff wurde das Haus meiner Familie völlig zerbombt. Als uns ein Cousin Bilder von der Ruine schickte war klar, dass es keine Lösung gibt, dass wir nicht nach Syrien zurückkehren können.“
Damit begann eine zweieinhalbjährige Odyssee. „Zuerst bin ich in die Türkei geflüchtet. Von dort aus habe ich siebenmal vergeblich probiert mit dem Flugzeug nach Europa zu kommen“, erzählt Khatab, der aber nicht aufgeben wollte und konnte. „Ich habe mich entschlossen es zu Fuß zu versuchen.“ Gemeinsam mit vier Freunden wollte er den griechisch-türkischen Grenzfluß Mariza überqueren. „Einer von uns konnte nicht schwimmen. Als er seine Schwimmweste verlor, riss ihn die Strömung mit. Wir haben ihn nie wieder gesehen“, sagt Ahmad. „Da habe ich es mit der Angst zu tun bekommen und bin zurück in die Türkei.“
Aufgeben war aber keine Option und so führte ihn sein Weg in den Badeort Bodrum, von wo aus er mit einem Boot nach Kos übersetzte. „Dort habe ich zwölf Tage darauf gewartet bis ich registriert wurde und Papiere bekam mit denen ich nach Athen weiterreisen durfte.“ In der griechischen Hauptstadt traf er auf andere Flüchtlinge, die bereits wochenlang festsaßen. „Es gab die Möglichkeit mit Schleppern die Weiterreise anzutreten. Das war aber viel zu teuer und durch die Entführung meines Bruders war kaum mehr Geld da.“ Schließlich entschloss sich Ahmad gemeinsam mit Freunden es erneut auf eigene Faust zu probieren.
„Wir haben Taschenlampen, Batterien, Handys gekauft. Alles was wir glaubten zu brauchen um es nach Mitteleuropa zu schaffen“, sagt Khatab. Über das heutige Nord-Mazedonien ging die Reise nach Serbien. „In einer kleinen serbischen Stadt wollten wir dann einen Bus nach Belgrad nehmen. Wenn das nicht geklappt hätte, wäre ich umgedreht und in Griechenland geblieben. Ich war einfach komplett fertig und körperlich am Ende“, gesteht er. Trotz mehrerer Kontrollen schaffte er es nach Belgrad und von dort schließlich weiter nach Budapest (Ung).
Per Zug ging es dann nach Wien. „Das war vor der großen Flüchtlingswelle im Jahr 2015. Da gab es noch nicht so viele Kontrollen“, erzählt der Syrer. Dennoch ist er einer älteren österreichischen Dame sehr dankbar, die er im Zug nach Wien kennenlernte. „Ich saß in einem Abteil und sie neben mir, zeitungslesend. Ich glaube sie hatte eine Ahnung woher ich komme, was meine Geschichte ist. Auf jeden Fall rutschte sie irgendwann näher an mich heran und sagte, ich solle gemeinsam mit ihr gemeinsam in der Zeitung lesen. Dabei wusste sie bestimmt, dass ich nicht auf Deutsch lesen konnte. Ich sollte einfach mit ihr mitschauen. Als dann die Kontrolle kam, saß ich neben dieser Frau und las mit ihr gemeinsam Zeitung. Der Kontrolleur hat nichts gesagt und ging einfach weiter“, erinnert sich Ahmad. „Leider habe ich diese Frau nie wiedergesehen.“ Im Zug fällte er dann auch die Entscheidung, in Österreich bleiben zu wollen. „Ich war einfach zu müde und zu erschöpft um meinen Weg fortzusetzen.“
In Wien angekommen, meldete sich der Flüchtling bei der Polizei und musste zuerst einmal für drei Tage in Gewahrsam. Dann ging es weiter nach Taxham. „Mir wurde von Anfang an sehr viel geholfen“, ist Ahmad dankbar. „Ich habe zum Glück immer gute Leute erwischt. Bis jetzt. Zuerst war ich in Nußdorf. Dort habe ich Toni, einen Volleyballspieler kennengelernt. Der hat mich dann gefragt ob ich Volleyball spielen will. Er hat mich auch zu einem Sprachkurs gebracht. In Oberndorf habe ich dann Volleyball gespielt und so viele Leute kennen gelernt."
Für Khatab ist Sport die beste Art der Integration. „Klar gibt es auch andere Sachen. Sprachkaffees etwa. Aber beim gemeinsamen Sport ist der Kontakt einfach intensiver. So gesehen ist Sport sicherlich der beste Weg zu einer gelungenen Integration.“ Schließlich entsteht zwischen dem begeisterten Leichtathleten und der Union Salzurg Kontakt, Ahmad beginnt in Rif mit Trainer-Legende Ernst Grössinger zu trainieren. „Er hat sich von Anfang großartig in die Gruppe integriert“, schwärmt Grössinger. „Ahmad ist ein sehr, sehr positiver Mensch. Da können sich viele andere etwas in Sachen Einstellung abschauen.“ Trainiert wird jeden Sonntag, unter der Woche leitet Ahmad bei der Alpenrind GmbH die Nachmittagsschicht bei der Verladung.
„Für mich ist Herr Khatab das absolute Paradebeispiel gelungener Integration“, schwärmt Alpenrind-Geschäftsführer Roland Ackermann. „Im Herbst 2016 hat er sein Vorstellungsgespräch bei uns schon auf Deutsch geführt. Und zwar in einer beeindrucken Art und Weise. Er ist nicht nur fließig und integriert. Er hat einfach gute Laune. Solche Mitarbeiter musst du wirklich suchen.“
So war Ackermann sofort damit einverstanden, als Khatab ihm sagte, dass er gerne bei den Europäischen Betriebssportspielen in Salzburg an den Start gehen möchte. „Wir bezahlen da sehr gerne für ihn das Startgeld. Sport hält gesund und bringt damit nicht nur dem Arbeitnehmer, sondern auch dem Arbeitgeber etwas.“
Bei den Europäischen Betriebssportspielen möchte sich Ahmad Khatab nun mit einer Medaille bei Land und Leuten bedanken. „Ich suche immer nach Wegen, wie ich etwas zurückgeben kann. Vielleicht schaffe ich es ja auf diese Weise“, sagt Ahmad. Da seine Spezialdisziplin, der Diskuswurf, nicht im Programm ist, versucht er es als Speerwerfer und Kugelstoßer. „Ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben um die Medaille zu holen.“
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