„Maßnahmen versagen“
100 Millionen Haie sterben jedes Jahr in Netzen
Ihr Ruf ist nicht der beste. Vermehrte Hai-Sichtungen sorgen für Schrecken - und ungläubiges Staunen. Erst kürzlich wurde an der dalmatinischen Küste ein 2,5 bis drei Meter langer Hai dokumentiert, nur sehr selten erfolgen auch Attacken auf Badende, Taucher oder Boote. Alarmierende Zahlen legen nun dar: Rund 100 Millionen der geheimnisumwobenen Tiere sterben jedes Jahr qualvoll in Netzen und an Köderleinen industrieller Fischerei.
Greenpeace legt im neuen Bericht „Sharks Under Attack“ offen, wie bedrohte Haiarten gejagt werden und regionale Schutzmechanismen auf hoher See versagen.
Zerstörerischer Fischfang im Nordatlantik
Im Nordatlantik zwischen dem Vereinigten Königreich und den Azoren sind vor allem spanische und portugiesische Fangflotten auf der Suche nach Schwertfischen. Die Jagd erfolgt oft mit Langleinen, eine brutale Fangmethode. Dabei werden an einer bis zu 100 Kilometer langen Leine Tausende Köderhaken angebracht, die auch zahlreiche andere Meerestiere - so auch Haie - anlocken. Einmal festgebissen, landen die Tiere als Beifang in den Fallen. Die Tiere sterben langsam und qualvoll, bis sie Tage später von den Köderhaken gezogen werden.
Viermal so viele Haie wie Schwertfische im Netz
Obwohl die Fangflotten offiziell für die Schwertfisch-Industrie eingesetzt werden, fangen sie - sowohl als Beifang als auch durch direkten Fang - mehr Haie. Vom Gewicht ausgehend fischte die industrielle Fischerei 2017 viermal so viele Haie wie Schwertfische.
Meer wird zu „verlassener Wüste“
Greenpeace-Meeresexperte Lukas Meus: „Die industrielle Fischerei fischt die artenreiche Meere leer und verwandelt sie in eine verlassene Wüste. Im Nordatlantik stehen Haie ganz oben auf der Abschussliste. Dieses skrupellose Geschäft ist nur deshalb möglich, weil niemand die industrielle Fischerei kontrolliert. Schutzmaßnahmen auf dem Papier haben bis heute komplett versagt.“
73 Millionen Tiere für Haifischflossensuppe
Im Visier der industriellen Fischerei sind vor allem Blauhaie, Kurzflossen-Makos und Heringshaie. Blauhaie sind die meistgefischten Haie weltweit. Sie werden hauptsächlich wegen ihrer Flossen - für Haifischflossensuppe - getötet. Noch immer steigt die Nachfrage nach dieser als Delikatesse geltenden Speise. Für diese Industrie sterben jährlich rund 73 Millionen Tiere.
Kurzflossen-Mako stark gefährdet
Als global größter Produzent gilt Spanien. Kurzflossen-Makos gelten vor allem im Mittelmeer und im Nordatlantik bereits als überfischt, seit 2019 stuft die Weltnaturschutzunion die Makohaie als stark gefährdet ein. Die Population könnte sich zwar wieder erholen, jedoch müsste dafür der Fang der Haie auf null zurückgehen. 2017 jedoch wurden noch 25.000 Makohaie gefangen.
Regionale Fischereiorganisationen versagen
Die Fischerei auf hoher See wird hauptsächlich durch regionale Organisationen geregelt, die Nachhaltigkeit in den Meeren sicherstellen sollen. Doch werden wissenschaftliche Empfehlungen oft ignoriert und der Meeresschutz dem ökonomischen Profit industrieller Fischerei untergeordnet - Schutzmaßnahmen werden kaum oder gar nicht umgesetzt. Ähnlich ist die Situation im Nordatlantik: Die Schwertfisch- und Thunfisch-Fischerei im Nordatlantik wird von der Internationalen Kommission für die Erhaltung der Thunfischbestände im Atlantik (ICCAT) geregelt. Deren Mitgliedsländer legen gemeinsam Fangquoten, Erhaltungs- und Schutzmaßnahmen für diese Region fest. Doch zeigt die Bedrohung der Haie in dieser Region deutlich das Versagen der ICCAT auf. Erhaltungsmaßnahmen wurden Jahre zu spät implementiert.
Situation aktuell fatal
Greenpeace setzt sich für ein globales Hochseeschutzabkommen ein, das derzeit von den Vereinten Nationen verhandelt wird. Weltweite Meeresschutzgebiete, die industrielle Fischerei verbieten, könnten der Erholung von Haipopulationen dienlich sein. Nicht einmal ein Prozent der hohen See ist heutzutage als starkes Meeresschutzgebiet ausgewiesen.
Hochseeschutzabkommen „historische Chance“
Lukas Meus: „Die Verhandlungen für ein Hochseeschutzabkommen sind eine historische Chance, die wir nicht verpassen dürfen. Staaten müssen sich dem Druck der Fischerei-Industrien widersetzen und ein starkes Abkommen beschließen, das den Weg für Meeresschutzgebiete freimacht.“
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