Rackete gegen Salvini
Kapitänin: „Habe Privileg, Flüchtlingen zu helfen“
Das Rettungsschiff Sea-Watch 3 mit 42 Migranten an Bord hat am Donnerstagnachmittag die Einfahrt in den Hafen Lampedusas versucht, wurde jedoch von der italienischen Küstenwache gestoppt. Diese ordnete der deutschen Kapitänin Carola Rackete an, die Motoren auszuschalten. Das Schiff befindet sich derzeit eine Seemeile vom Hafeneingang entfernt, berichtete die Crew. Rackete will dem italienischen Innenminister Matteo Salvini aber weiterhin die Stirn bieten. Auch eine Haftandrohung und diverse andere im Raum stehende Strafen können sie nicht verschrecken: Die 31-jährige aus Kiel sagt: „Wir tun das Richtige.“
Für ihre jungen Jahre hat Rackete schon erstaunlich viele Erfahrungen gesammelt. Nach meereskundlichen und umweltwissenschaftlichen Studien in Deutschland und Großbritannien war sie zu Polarexpeditionen in der Arktis und der Antarktis unterwegs. Sie findet diese Kältezonen „schön und sehr inspirierend“, zugleich nimmt sie von den Polarreisen die „traurige“ Erkenntnis mit, „was Menschen dem Planeten antun“.
Ungerechtigkeit in der EU
Doch nach Racketes Überzeugung tun die Menschen nicht nur ihrem Planeten viel an, sie fügen sich auch „gegenseitig Schaden zu“. So schaue die europäische Bevölkerung zu, wie die europäischen Regierungen am Mittelmeer eine Bastion gegen Flüchtlinge errichteten. Für die Unzufriedenheit in Italien über den Umgang mit der Flüchtlingsproblematik hat Rackete Verständnis. Es gebe in der EU „eine Ungerechtigkeit“, weil es Italien überlassen worden sei, mit den Flüchtlingen zurechtzukommen. Eine „viel größere Ungerechtigkeit“ bestehe aber zwischen der Nord- und der Südhalbkugel der Erde.
Ehrenamtliche Besatzung
Auf ihrer gegenwärtigen Mission nahm die Sea-Watch 3 am 12. Juni vor der Küste Libyens 53 Flüchtlinge an Bord. Elf Kinder, Frauen und Gebrechliche durften zwischenzeitlich nach Italien gebracht werden, die übrigen sind noch immer auf engstem Raum mit den 22 Besatzungsmitgliedern auf dem Mittelmeer unterwegs. Die Besatzung arbeitet ehrenamtlich, so wie auch Kapitänin Rackete, die im Sommer 2016 ihre erste Mission für die Hilfsorganisation Sea-Watch übernahm. Damals ergänzten einander zivile Seenotretter und eine Flottille von europäischen Militärbooten dabei, die Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu bergen. Inzwischen wurde die staatliche Seenotrettung zurückgefahren, geblieben sind private Hilfseinsätze.
„Es spielt keine Rolle, wie jemand in Not gerät“
Auf Seenotrettung besteht nach Racketes Meinung ein unumstößliches Recht. „Es spielt keine Rolle, wie jemand in Not gerät - da können auch Feuerwehren und Krankenhäuser nicht nachfragen“, sagt sie mit entschlossenem Blick. Ebenso sei es auf hoher See: „Wenn Rettung benötigt wird, hat jeder Einzelne die Verpflichtung, zu helfen. Diese Pflicht endet erst, wenn die Betroffenen in Sicherheit gebracht sind.“
„Privileg, den Flüchtlingen wirklich zu helfen“
Mit dem Regierungsantritt von Salvinis Rechtspopulisten im Juni 2018 habe Italien seine Verpflichtungen über Bord geworfen, befindet Rackete. Widerstand komme nun vor allem aus der Zivilgesellschaft. Sie habe die „Fähigkeiten“ und das „Privileg“, den Flüchtlingen in ihrer derzeitigen Lage „wirklich zu helfen“.
Salvinis Regierung droht Kapitänen, Eigentümern und Betreibern von Flüchtlingsschiffen mit bis zu 50.000 Euro Strafe sowie juristischer Verfolgung wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung und mit Beschlagnahmung der Schiffe, wenn für die Einfahrt in die italienischen Hoheitsgewässer keine Genehmigung vorliegt. In Rackete sieht er eine „Nervensäge“, die „auf dem Rücken von Einwanderern“ einen politischen Kampf führt.
„Bereit, ins Gefängnis zu gehen“
„Wenn mich jemand anklagt, bin ich bereit, ins Gefängnis zu gehen“, sagt Rackete trotzig. Als die Hafenbehörde von Lampedusa ihr am Mittwoch einschärfte, sie habe keine Genehmigung zum Einlaufen, antwortete sie knapp: „In zwei Stunden sind wir da.“ Dann fuhr ein Patrouillenboot der Polizeitruppe Guardia di Finanza heran. Die Beamten kontrollierten die Schiffspapiere und die Pässe der Crew. Am Donnerstag herrschte Ungewissheit, wie das Kräftemessen ausgehen würde - hier die 31-jährige Kapitänin aus dem kalten Norden, dort der Heißsporn Salvini aus dem Süden, der, Ironie des Schicksals, von seinen Anhängern ebenfalls voller Verehrung „Kapitän“ genannt wird.
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