Mark Zuckerberg holt wieder zum großen Schlag aus - dieses Mal gegen das klassische Bankgeschäft. Nach den Vorstellungen des Facebook-Chefs soll das Senden von Geld künftig so einfach und günstig sein und so schnell gehen wie das Verschicken einer SMS. Experten halten es für sehr gut möglich, dass der Tech-Riese mit seiner selbst erschaffenen Kryptowährung „Libra“ den weltweiten Zahlungsverkehr revolutioniert. Schmerzlich treffen dürfte das vor allem Unternehmen wie Western Union, die sich mit dem Transfer von Geld in andere Länder eine goldene Nase verdienen. Aber auch für die traditionellen Geldhäuser könnte eine ernstzunehmende Konkurrenz entstehen. Bei Politikern und Regulierungsbehörden schrillen die Alarmglocken.
„Der Sprung von Facebook in die Welt der Kryptowährungen ist ein weiterer Sargnagel für die klassischen Banken“, sagt Nigel Green, Chef der Investmentgesellschaft DeVere. „Wenn ein Konzern wie Facebook in den Markt einsteigt, könnte das sehr schnell zu einer breiteren Akzeptanz von Kryptowährungen führen.“
Professor Philipp Sandner von der Frankfurt School sieht nicht ganz so schwarz für die Finanzbranche. Sollte Facebook aber Erfolg haben mit seinem Projekt, könnte bald ein Teil des Zahlungsverkehrs zwischen Privatleuten an Banken vorbeigehen. „Noch klingt das sehr unwahrscheinlich, aber komplett auszuschließen ist es nicht.“
Gerade das Geschäft mit Zahlungsdienstleistungen liefert den unter Ertragsschwund leidenden Instituten stabile Einnahmen. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat die Sparte jüngst sogar zu einem der Wachstumsschwerpunkte ausgerufen - in Ermangelung eines lukrativen Investmentbankings.
Smartphone statt Bank
Facebook und die zum Konzern gehörenden Dienste WhatsApp und Instagram werden weltweit jeden Tag von mehr als zwei Milliarden Menschen genutzt. Mit Libra will das weltgrößte soziale Netzwerk die Menschen erreichen, die keinen Zugang zu Banken haben, dafür aber ein internetfähiges Smartphone.
Migranten sind bisher auf die Dienste von Instituten wie Western Union angewiesen, die für den Versand von Geld hohe Gebühren verlangen. „Libra könnte sich wegen der großen Verbreitung von Facebook innerhalb kurzer Zeit als günstiges und effektives Mittel für Geldüberweisungen herausstellen“, sagt Analyst Eric Compton vom Broker Morningstar.
Milliardenmarkt
Das sogenannte Remittance-Geschäft, auf das Facebook in einem ersten Schritt zielt, ist ein Milliardenmarkt: Laut Daten der Weltbank stiegen die Zahlungen in Entwicklungs- und Schwellenländer im vergangenen Jahr um zehn Prozent auf ein Rekordniveau von 529 Milliarden Dollar (466 Milliarden Euro). 2019 sollen sie weiter deutlich zulegen.
Heimische Banken spielen in dieser Branche zwar keine große Rolle, wie Christopher Schmitz, Leiter des Europäischen FinTech Geschäftes bei Ernst & Young, erläutert. Sie dürften aber mit Argusaugen darauf schauen, ob Facebook weitere Geschäftsmodelle auf Libra aufsetzt wie etwa Geldanlagen oder Kreditangebote.
Viele offene Fragen
Inwieweit Facebook mit seinem Kryptogeld, das in der ersten Jahreshälfte 2020 an den Start gehen soll, Erfolg haben wird, hänge vor allem von Politikern und Finanzregulierern ab, macht Bankprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim deutlich. So müssten vor allem Datenschutz- und Geldwäsche-Themen geklärt werden.
In vielen Ländern waren die Facebook-Pläne zunächst auf großes Misstrauen gestoßen. Der US-Konzern steht immer wieder in der Kritik, die Privatsphäre seiner Nutzer nicht ausreichend zu schützen und Daten zu missbrauchen.
Rufe nach Regulierung werden lauter
Bisher haben es die Behörden nicht geschafft, Regeln für den in den vergangenen Jahren um Bitcoin entstandenen Krypto-Markt zu finden. Seit Zuckerbergs Libra-Ankündigung rufen sie jedoch fast täglich nach einer umfassenden Regulierung. „Wir schauen uns das sehr genau an“, betont US-Notenbankchef Jerome Powell.
Deutschlands Chefaufseher Felix Hufeld von der BaFin hofft auf weltweite, mindestens aber europäische Standards für Libra. Frankreichs Zentralbankchef Francois Villeroy de Galhau wirft die Frage auf, ob für den Betrieb von Libra eine Banklizenz notwendig sei. Die Gruppe der sieben führenden Industriestaaten setzte eine Arbeitsgruppe zu dem Thema ein.
Durchschlagskraft
Als die US-Bank JPMorgan Anfang des Jahres ein ähnliches Projekt, den „JPM Coin“ für Zahlungsverkehrsdienste, angekündigt hatte, hatte das die Aufseher noch kalt gelassen. „Alleine daran sieht man, welche Durchschlagskraft Libra haben könnte“, sagt ein Manager aus der Kryptobranche.
Bei Bitcoin-Anlegern knallen jedenfalls schon wieder die Champagnerkorken: Seit der Libra-Ankündigung ist der Kurs der größten und bekanntesten Cyberdevise um rund 4000 Dollar auf fast 14.000 Dollar in die Höhe geklettert.
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