Niederlage für Erdogan
Türkisches Gericht: Yücel-Verhaftung rechtswidrig
Es ist nach dem Sieg der Opposition bei der Bürgermeisterwahl in Istanbul am Sonntag die nächste Niederlage für Präsident Recep Tayyip Erdogan: Das türkische Verfassungsgericht bezeichnete die Verhaftung des inzwischen wieder auf freien Fuß gesetzten deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel als rechtswidrig, vor allem weil viele Passagen aus Yücels Artikeln fehlerhaft ins Türkische übersetzt worden waren. Der frühere Korrespondent der Zeitung „Die Welt“ saß ein Jahr lang in türkischer Untersuchungshaft, bevor er im Februar 2018 freigelassen wurde (siehe auch Video oben).
Die türkischen Verfassungsrichter betonten nun laut der „Welt“, damit sei das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit sowie das Recht auf Meinungsfreiheit verletzt worden. Am Anfang seiner Haftzeit wurde Yücel, wie er Anfang Mai in seiner vor einem deutschen Gericht abgegebenen schriftlichen Einlassung öffentlich machte, misshandelt. Er musste sogar neun Monate in Isolationshaft verbringen. Die Staatsanwaltschaft fordert wegen „Propaganda für eine Terrororganisation“ und „Volksverhetzung“ 17 Jahre Haft.
Erdogan attackierte Yücel immer wieder auch persönlich
Zugleich wurde Yücel vom türkischen Staatspräsidenten Erdogan persönlich attackiert, der ihn immer wieder öffentlich als „PKK-Terroristen“, „deutschen Agenten“ und als „Agent-Terroristen“ bezeichnete. Auch andere türkische Regierungspolitiker und die regierungsnahen Medien äußersten sich in ähnlich diffamierender Weise, während deutsche Politiker aus Regierung und Opposition sowie türkische Oppositionspolitiker Yücels Arbeit stets als journalistische Tätigkeit verteidigten. Auch die breite zivilgesellschaftliche „Free Deniz“-Kampagne betonte immer wieder: „Journalismus ist kein Verbrechen.“
Zahlreiche Aussagen fehlerhaft ins Türkische übersetzt
Nun beanstandeten die türkischen Verfassungsrichter, dass sowohl im Hafturteil gegen Yücel als auch in der nach einem Jahr vorgelegten und mit dem Hafturteil weitgehend identischen Anklageschrift zahlreiche Aussagen in Yücels „Welt“-Artikeln fehlerhaft ins Türkische übersetzt worden seien.
Zudem stellten die Verfassungsrichter zum Interview mit dem kurdischen PKK-Anführer Cemil Bayik, das Yücel im August 2015 geführt hatte und das später immer wieder gegen Yücel vorgebracht wurde, laut „Welt“ fest: „Einen Journalisten wegen Aussagen zu verfolgen oder zu bestrafen, die eine andere Person in einem Interview gemacht hat, würde den Beitrag, den Medien zur Diskussion öffentlich relevanter Themen leisten können, erheblich beeinträchtigen.“
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.