Wirbt um Unterstützung
Von der Leyen: Ihre „Vision“ für Zukunft Europas
Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will binnen 14 Tagen ihre Vision für das Europa der Zukunft vorstellen und sich damit die Zustimmung des Europäischen Parlaments zu ihrer Ernennung zur Kommissionschefin sichern. Zum Auftakt ihrer Kampagne reiste sie am Mittwoch nach Straßburg, wo sie um die Abgeordneten warb.
„Hier im Europäischen Parlament schlägt das Herz der europäischen Demokratie, und deshalb ist es so wichtig, sofort den Dialog aufzunehmen“, sagte sie bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Nominierung erst auf Englisch, dann auf Deutsch.
Widerstand gegen von der Leyen vonseiten der Sozialdemokraten und Grünen
Am Donnerstag will von der Leyen in Brüssel den amtierenden Kommissionschef Jean-Claude Juncker treffen. Es ist unsicher, ob sie Mitte Juli eine ausreichende Mehrheit im Parlament erhält. Widerstand gibt es vor allem vonseiten der Sozialdemokraten und der Grünen. Sollte sich das Parlament gegen den EU-Rat stellen, droht in Europa nach Aussage von EU-Diplomaten eine institutionelle Krise.
Von der Leyen: „Es geht um viel“
Von der Leyen sagte, sie fühle sich durch die Nominierung überwältigt, dankbar und geehrt. In den kommenden Wochen wolle sie zahlreiche Gespräche mit den Abgeordneten führen und viel zuhören. Ihr sei daran gelegen gewesen, zuerst nach Straßburg zu kommen. „Mir ist wichtig, dass ich viel zuhöre, viel mitnehme, damit ich in 14 Tagen vor dem Parlament meine Vision für die Europäische Union in den nächsten fünf Jahren darlegen kann, die auf einem sicheren tragfesten Fundament beruht, das gestrickt ist aus dem Trilog zwischen Rat, Kommission und Parlament, dass wir die unterschiedlichen Positionen zusammenführen“, sagte die Ministerin. „Es geht um viel, es geht um die Zukunft unseres Europas.“
Alle hätten einen schwierigen Wahlkampf hinter sich. „Aber jetzt ist ganz entscheidend, Einigkeit zu zeigen, ganz entscheidend, unsere gemeinsame Leidenschaft für unser Europa, das so wichtig ist in dieser Welt und das hörbar und sichtbar sein muss, auch zu formen“, sagte sie.
Spitzenkandidaten-Prinzip aufgegeben
Auslöser des Streits über von der Leyen ist vor allem die Aufgabe des Spitzenkandidaten-Prinzips durch den EU-Rat. Weil sich die 28 Staats- und Regierungschefs nicht auf den EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber oder seinen sozialdemokratischen Kollegen Frans Timmermans als Kommissionspräsidenten hatten einigen können, entschied sich der EU-Rat am Dienstag für ein Personalpaket mit von der Leyen an der Spitze sowie der Französin Christine Lagarde als neuer EZB-Präsidentin. Der belgische Ministerpräsident Charles Michel (Liberale) soll EU-Ratspräsident und der spanische Außenminister Josep Borrell EU-Außenbeauftragter werden.
Italiener Sassoli ist Präsident des EU-Parlaments
Viele EU-Parlamentarier kritisierten aber die Aufgabe des Spitzenkandidatenprinzips. Deshalb folgten sie auch nicht der Empfehlung des Rates, den früheren bulgarischen Ministerpräsidenten Sergei Stanischew zum Parlamentspräsidenten zu wählen. Stattdessen stimmten sie im zweiten Wahlgang mehrheitlich für den italienischen Sozialisten David Sassoli. Sassoli übernimmt den Posten für zweieinhalb Jahre, im zweiten Teil der Amtszeit soll ihm ein Vertreter der konservativen EVP-Fraktion folgen. Der EU-Gipfel plädierte hier für Weber (CSU). Der Österreichische EVP-Abgeordnete Othmar Karas wurde zu einem der 14 Vizepräsidenten des EU-Parlaments gewählt.
Osteuropäer gehen im Personalpoker komplett leer aus
Mit der Wahl Sassolis gehen die Osteuropäer im Personalpoker komplett leer aus. Die Frage ist, ob die EP-Abgeordneten ein zweites Ventil für ihren Unmut suchen und auch gegen von der Leyen stimmen werden. Dann hätte der Rat einen Monat Zeit, einen neuen Vorschlag zu machen. „Es wäre eine faustdicke Überraschung, wenn sie scheitern würde“, sagte der Europaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, Nikolai von Ondarza, der Nachrichtenagentur Reuters. „Aber wenn die Grünen geschlossen dagegen stimmen, kann es knapp werden.“
Es wird erwartet, dass eine sichere absolute Mehrheit nur in einer Koalition von Christ- und Sozialdemokraten sowie Liberalen und Grünen möglich ist. Denn in der geheimen Wahl könnten auch etliche Abgeordnete der konservativen EVP aus Protest gegen die Aufgabe des Spitzenkandidatenprinzips gegen von der Leyen stimmen. Allerdings könnten auch Abgeordnete etwa der polnischen PiS-Regierungspartei für die CDU-Politikerin stimmen.
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