Schwimmendes AKW
„Tschernobyl im Wasser“ soll bald Strom erzeugen
Auf dem ersten schwimmenden Atomkraftwerk der Welt riecht es nach frischer Farbe. Es laufen die letzten Arbeiten für Russlands milliardenschweres Prestigeprojekt, die Akademik Lomonossow. Das AKW auf See sieht trotz der Reaktoren im Inneren aus wie ein ganz normales Schiff. In Weiß, Blau und Rot - den Farben der russischen Trikolore - ist die Außenwand des Megabaus gestrichen, der noch im Hafen von Murmansk vor Anker liegt. In wenigen Monaten soll die Anlage mit zwei Druckwasserreaktoren an Bord ihren Betrieb aufnehmen und den äußersten Nordosten Russlands mit Strom versorgen. Während Umweltschützer vor einem „schwimmenden Tschernobyl“ warnen, betonen die Betreiber, dass es sich um das „sicherste Atomkraftwerk“ handelte.
„Das schwimmende AKW ist viel sicherer als alles bisherige: Es kann selbst dem stärksten Tsunami standhalten und ist unsinkbar", versichert der Vizechef des AKW, Dmitri Alexejenko. Selbst auf potenzielle Terrorangriffe sei man vorbereitet. Auf See, Land und Luft werde das Militär die Anlage bewachen und schützen. Das bisherige Kraftwerk der Region - Bilibino - ist auf Permafrostboden gebaut, veraltet und anfälliger für Umwelteinflüsse. Durch den Klimawandel taut auch der bisher dauerhaft feste Untergrund auf.
„Abgelegene Regionen können profitieren“
„Schwimmende AKW bringen viele Vorteile mit sich“, sagt Wladimir Iriminku, der als Ingenieur für Umweltschutz auf der Akademik Lomonossow arbeitet. „Abgelegene Regionen können profitieren, ohne größere Verpflichtungen einzugehen“, sagt er. Zu den Kosten eines derartigen Kernkraftwerks auf See gibt es keine genauen Angaben. Auf der Akademik Lomonossow werden rund 70 Megawatt produziert, die dann ins lokale Stromnetz eingespeist werden. Eine Stadt mit etwa 100.000 Einwohnern könnte damit versorgt werden.
Im August soll das 144 Meter lange und 30 Meter breite Schiff von Schleppern rund 4000 Kilometer an seinen Bestimmungsort gebracht und dort verankert werden. Noch in diesem Jahr soll der vor der Küste Tschukotkas produzierte Strom die Hafenstadt Pewek sowie Gas- und Ölbohrinseln vor der Küste mit Energie versorgen. Das Ganze ist Teil eines Plans der russischen Regierung, die abgeschiedene, aber an Bodenschätzen reiche Region auf Vordermann zu bringen.
Die weltweiten Kernkraft-Pläne der Russen
Russland hat derzeit mehr als 30 Atomkraftwerke in Betrieb. Moskau investiert zudem über seinen Energiekonzern Rosatom im großen Stil in neue Atomkraftwerke - besonders in ehemaligen Sowjetrepubliken, die selbst weder über Know-how noch ausreichend Mittel verfügen. Auch in Indien, Bangladesch und in der Türkei plant Rosatom, für das weltweit rund 250.000 Menschen arbeiten, Atomkraftwerke.
Und Russland plant laut den Worten eines Ingeniers auf der Akademik Lomonossow noch viel mehr. Sollte das Projekt erfolgreich sein, könnte eine ganze Flotte an schwimmenden Atomkraftwerken gebaut werden. Es gebe bereits großes Interesse aus Südostasien, heißt es. Russische Umweltschützer glauben daher, dass das Schiff eine Art Muster-AKW für potenzielle Käufer sei und weniger die Stromversorgung für Bewohner von Pewek im Sinn habe.
Greenpeace warnt vor mangelnder Notfall-Infrastruktur
Umweltorganisationen warnen aber davor, sich zu sehr auf die propagierte Sicherheit des AKW zu verlassen. „Allen muss klar sein, dass die Infrastruktur in dem abgelegenen Gebiet im Notfall fehlt. Wenn etwas schief geht, kann man nicht schnell mal hinfliegen. Die Folgen für die Region in der empfindlichen Arktis werden dramatisch sein“, sagt Greenpeace-Energieexperte Raschid Alimow. Die Regierung solle die Milliarden eher in alternative Energien investieren, als mit Atomenergie zu experimentieren.
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