„Malta zu weit weg“
Salvini tobt: Neues NGO-Schiff legt in Italien an
Der Ärger über die deutsche Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete, die trotz eines Verbots der Behörden das Rettungsschiff Sea-Watch 3 mit 42 Migranten an Bord in den Hafen von Lampedusa gesteuert hatte, dürfte bei Italiens Innenminister Matteo Salvini noch nicht verflogen sein, da kündigt sich bereits der nächste Konflikt um aus lybischen Gewässern gerettete Migranten an: Das Schiff Alex der italienischen NGO Mediterranea legte am Samstag trotz eines von Salvini verhängten Verbots im Hafen von Lampedusa an. Die Fahrt nach Malta sei zu lang, argumentierte die Organisation.
Auf TV-Bildern war zu sehen, wie der Motorsegler an einer Pier des Hafens der italienischen Mittelmeerinsel lag. Ob die Geretteten an Land gehen durften, war zunächst unklar. Zuvor hatte Mediterranea angesichts einer als unerträglich beschriebenen Gesundheits- und Hygienesituation an Bord den „Notstand“ erklärt.
60 Menschen an Bord, aber nur für 18 zugelassen
Die italienische Regierung hatte die Organisation zuvor aufgefordert, mit dem Rettungsschiff Malta anzusteuern. Die elfstündige Reise sei aber zu lang und gefährlich, sagte Mediterranea. Nach Angaben der Organisation befänden sich nahezu 60 Menschen an Bord, darunter 41 Gerettete. Zugelassen sei das Schiff lediglich für 18 Menschen.
Das italienische Beobachtungsschiff hatte am Donnerstag 54 Migranten, darunter vier Kinder und drei schwangere Frauen, in libyschen Gewässern gerettet. „Wir sind glücklich, 54 Menschenleben aus der libyschen Hölle gerettet zu haben. Jetzt brauchen sie sofort einen sicheren Hafen“, twitterte die italienische Hilfsorganisation.
Malta erklärte sich zu Aufnahme bereit
Nach einem Telefonat zwischen Italiens Innenminister Matteo Salvini und dem maltesischen Regierungschef Joseph Muscat hatte sich Malta daraufhin bereit erklärt, die Flüchtlinge aufzunehmen. Im Gegenzug versprach Italien, 55 andere Migranten aufzunehmen, die sich derzeit im maltesischen La Valetta befinden. Die Vereinbarung sei in einem „europäischen Geist der Kooperation und des guten Willens zwischen Malta und Italien“ besiegelt worden, hieß es in der Mitteilung. 13 Personen, vor allem Frauen und Kinder, waren daraufhin bereits am Freitag von der Alex evakuiert worden.
NGO: „Lampedusa ist der einzig sichere Hafen“
Am Samstag dann die Wende: Die NGO kündigte an, die verbliebenen Flüchtlinge nicht nach Malta bringen zu wollen. „Die Reise nach Malta würde die Sicherheit der Menschen an Bord gefährden. Lampedusa ist der einzig sichere Hafen“, so die italienische Hilfsorganisation. „Wir lehnen La Valletta nicht als sicheren Hafen ab, doch unser Segelboot kann nicht eine 15 Stunden lange Reise bis nach Malta unternehmen“, so Alessandra Sciurba, Sprecherin von Mediterranea.
Salvini kontert: „Malta ist ein sicherer Hafen“
Italiens Innenminister Matteo Salvini erwiderte, dass sich Malta zur Aufnahme der Migranten bereit erklärt habe. „Malta ist ein sicherer europäischer Hafen. Man begreift nicht, warum diese Schlepper entscheiden sollen, wohin sie die Migranten bringen wollen“, betonte Salvini nach Medienangaben vom Samstag.
Auch Zukunft des deutschen NGO-Schiffs Alan Kurdi ungewiss
Bis auf Weiteres keine Lösung scheint es auch im Fall des Rettungsschiffs Alan Kurdi der deutschen NGO Sea-Eye zu geben, das in internationalen Gewässern vor Libyen 65 Migranten von einem Schlauchboot gerettet hat. Die Organisation hatte trotz eines Verbots Kurs auf die italienische Insel Lampedusa genommen. „Die italienische Insel ist der am nächsten gelegene europäische Hafen. Dort könnten die Geretteten schließlich an einen sicheren Ort gebracht werden, denn so verlangt es das internationale Recht“, hieß es in einer am Freitagabend verbreiteten Erklärung.
In italienische Hoheitsgewässer einfahren will die Alan Kurdi vorerst jedoch nicht. Der italienische Zoll habe der Besatzung am Samstag ein Dekret des italienischen Innenministers ausgehändigt, mit dem die Einfahrt in die Hoheitsgewässer des Landes untersagt wurde. „Wir beachten erstmal dieses Verbot“, versicherte Sea-Eye-Einsatzleiter Gorden Isler der Deutschen Presse-Agentur via Telefon. Ohne triftigen Grund werde Sea-Eye nicht gegen das Dekret verstoßen.
Die Alan Kurdi befand sich am Samstagvormittag nach Angaben Islers etwa eine Seemeile vor den italienischen Hoheitsgewässern und rund 13 Seemeilen vor der italienischen Insel Lampedusa. Eine per Mail an die Behörden in Rom und La Valletta, der Hauptstadt Maltas, geschickte Bitte um Zuweisung eines sicheren Hafens für die „Alan Kurdi“ sei bis zum Vormittag ohne Antwort geblieben, sagte der Einsatzleiter weiter.
Seehofer appellierte an Salvini: „Öffnen Sie die Häfen“
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer forderte Salvini auf, die Dauerkrise der Rettungsschiffe im Mittelmeer zu beenden. „Wir können es nicht verantworten, dass Schiffe mit geretteten Menschen an Bord wochenlang im Mittelmeer treiben, weil sie keinen Hafen finden“, schrieb Seehofer am Samstag in einem Brief an Italiens Innenminister. „Ich appelliere daher eindringlich an Sie, dass Sie Ihre Haltung, die italienischen Häfen nicht öffnen zu wollen, überdenken“, fügte Seehofer hinzu. Wegen der gemeinsamen europäischen Verantwortung „und unseren gemeinsamen christlichen Werten“ dürfe es im Einzelfall keinen Unterschied machen, durch welche Organisation Migranten aus dem Mittelmeer gerettet wurden, woher die Besatzung stammt und unter welcher Flagge das Schiff fährt.
Salvini zur Seehofer-Forderung: „Absolutes Nein“
Salvini erteilte der Seehofer-Forderung keine Abfuhr. „Die deutsche Regierung ruft mich auf, den Schiffen die italienischen Häfen zu öffnen? Absolutes Nein“, so Salvini auf Facebook. „Wir rufen die Regierung Merkel auf, Schiffen, die Schleppern helfen, die deutsche Flagge zu entziehen“, forderte Italiens Innenminister seinerseits.
„Deutsches Schiff soll nach Deutschland fahren“
Salvini hatte zuvor betont, dass die Alan Kurdi auch im Fall einer späteren Verteilung der Migranten auf andere europäische Staaten nicht nach Italien fahren könne. „Das deutsche Schiff soll nach Deutschland fahren“, sagte Salvini. Italien habe ein Verbot für die Einreise privater Rettungsschiffe erlassen. „Wer gegen dieses Verbot verstößt wird, mit Konsequenzen rechnen müssen“, so Salvini.
Migranten im Ionischen Meer auf dem Weg nach Italien entdeckt
Dessen ungeachtet hat ein Tanker vor der griechischen Halbinsel Peloponnes 57 Migranten aufgenommen, die an Bord eines Bootes nach Italien zu gelangen versuchten. Die Menschen seien wohlauf und sollten in einen griechischen Hafen gebracht werden, berichtete der staatliche griechische Rundfunk ERT am Samstag unter Berufung auf die Küstenwache der kleinen griechischen Hafenstadt Pylos. Das Boot habe sich rund 80 Seemeilen westlich der Halbinsel Peloponnes in westlicher Richtung bewegt.
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