Bilanz und Appell

Präsident: „Ziel muss Koalition mit Mehrheit sein“

Österreich
10.07.2019 06:00

„Ich bin schon ein bisschen stolz, wie wir das hingekriegt haben“, sagt Bundespräsident Alexander Van der Bellen, als er über die vergangenen Wochen Bilanz zieht. Er stellt klar, dass „die Situation, in der wir sind, eine Ursache hat“. Und zwar den Ibiza-Skandal, das „soll nicht in Vergessenheit geraten“. Van der Bellen mahnt die Parteien aber auch, im Wahlkampf die Dialogfähigkeit nicht unter die Räder kommen zu lassen.

Er sei aber zuversichtlich, dass das typisch österreichische „durchs Reden kommen d’Leut zam“ funktionieren werde. Ein paar Tadel an die Parteien teilt Van der Bellen aber doch aus. So lässt er durchblicken, dass er das neue Parteienfinanzierungsgesetz nicht für der „Weisheit letzten Schluss“ hält.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen (Bild: AP)
Bundespräsident Alexander Van der Bellen

Und gegen das sogenannte freie Spiel der Kräfte im Parlament, das ja kein Spiel sei, äußert er offen Vorbehalte. Er bitte alle, daran zu denken, was 2008 passiert sei - in einer Marathonsitzung wurden damals Beschlüsse gefasst, die bis heute mehr als 30 Milliarden Euro gekostet haben.

(Bild: APA/Hans Punz)

Keine Freude mit Minderheitsregierung
Der Bundespräsident meint auch, dass er dazugelernt habe. Er will sich genauer über das künftige Regierungsprogramm informieren. Eine Minderheitsregierung, wie sie ÖVP-Chef Sebastian Kurz am liebsten hätte, entfacht bei Van der Bellen keine große Freude. Das Ziel müsse eine Koalition mit einer Mehrheit sein, so das Staatsoberhaupt. In Richtung Übergangsregierung geht die Empfehlung, sich bei der Bestellung des österreichischen EU-Kommissars „nicht zu viel Zeit “ zu lassen.

Sebastian Kurz (Bild: APA/Hans Punz)
Sebastian Kurz

Ibiza-Video zeigte „verstörendes Sittenbild“
Van der Bellen lässt auch die vergangenen Monate und den Ibiza-Skandal Revue passieren. Das Video von Heinz-Christian Strache habe ein „verstörendes Sittenbild“ gezeigt. Der Vizekanzler wollte 50 Prozent der „Krone“ übernehmen lassen und die Zeitung für einen FPÖ-Erfolg instrumentalisieren, er wollte eine Baufirma von Aufträgen ausschließen, er wollte Spenden am Rechnungshof vorbeischleusen, er wollte das Wasser privatisieren. „Das soll nicht in Vergessenheit geraten“, betont Van der Bellen.

(Bild: spiegel.de)

Jetzt sei es gelungen, die aufgeheizte Situation abzukühlen. Die Expertenregierung sei tatsächlich eine Vertrauensregierung geworden. Alles in allem sei das Ganze „einigermaßen gut gelungen“, schließlich „war das nicht das Einzige, was zu tun war“, so Van der Bellen.

Kommentar von Doris Vettermann: Moralische Instanz
 Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt kommen die Beliebtheitswerte von Alexander Van der Bellen nicht vom Fleck - so lauteten die Meldungen nach einer Umfrage im Jänner des heurigen Jahres. Ein paar Monate, ein skandalöses Ibiza-Video, eine Regierungskrise, einen Misstrauensantrag gegen die Regierung und eine anstehende Neuwahl später sieht es völlig anders aus. Der Bundespräsident ist nicht nur zum Mann der Stunde, sondern zum Mann der Woche, ja, zum Mann der Monate geworden.

Im APA-Vertrauensindex, der das Vertrauen der Bevölkerung in Politiker und Personen des öffentlichen Lebens angibt, dümpelte Van der Bellen seit seiner Angelobung im Jänner 2017 zwischen 13 und 18 Prozent herum, beizeiten lag er sogar im einstelligen Bereich. Im vergangenen Juni jedoch: 39 Prozent! Besonnen, unaufgeregt und souverän steuerte er Österreich durch die Krise.

(Bild: APA/Hans Klaus Techt)

Van der Bellen ist zur moralischen Instanz geworden. Nicht nur einmal kam der Gedanke, den man kaum weiterzuverfolgen wagte, auf. Nämlich, wie das alles ausgegangen wäre, wenn Norbert Hofer, der die Wahl nur hauchdünn verloren hatte, in der Hofburg die Geschäfte führen würde.

Obwohl es dafür noch etwas früh ist, tauchen freilich schon Spekulationen über eine weitere Amtszeit auf. Macht das Dasein als Volksheld nicht Lust auf mehr? Bei einem Hintergrundgespräch gibt sich Van der Bellen dazu gewohnt zurückhaltend und diplomatisch. Aber irgendwie hat man schon das Gefühl, dass es ihm dort, wo er jetzt ist, sehr gut gefällt.

Doris Vettermann, Kronen Zeitung

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