NATO alarmiert
Türkei-Russland-Deal: „Da geht‘s ans Eingemachte“
Nach der Lieferung des ersten Teils des russischen S-400-Raketenabwehrsystems an das NATO-Mitglied Türkei (im Video oben sehen Sie die Landung einer Antonow-Transportmaschine auf der Mürted-Luftwaffenbasis in Ankara) hat sich die Allianz am Freitag „besorgt über die möglichen Konsequenzen“ dieses Schritts gezeigt. Bereits zuvor hatte es aus dem Brüsseler Hauptquartier wiederholt geheißen, das S-400-Paket sei nicht kompatibel mit dem Luftverteidigungssystem des westlichen Bündnisses. Auch Militärexperten befürchten weitreichende negative Folgen des umstrittenen Rüstungsdeals.
Ein NATO-Vertreter rief die Türkei am Freitag dazu auf, mit ihren NATO-Partnern bei dem Aufbau eines Luftverteidigungssystems zusammenzuarbeiten anstatt in Rüstungsfragen mit Russland zu kooperieren: „Die Kompatibilität unserer Streitkräfte ist grundlegend für die Ausführung unserer Operationen und Einsätze.“ Zugleich meinte er aber auch, das militärische Beschaffungswesen bleibe wie bisher eine nationale Angelegenheit - auch wenn die Allianz den Türkei-Russland-Deal nicht befürworte.
US-Sanktionsdrohungen ließen Erdogan kalt
Mächtige NATO-Mitglieder wie die USA und Deutschland hatten die Türkei vor dem Kauf der S-400 gewarnt. Im Westen wird der Deal als weiterer Schritt in der Hinwendung des NATO-Mitglieds zu Russland gesehen. Die USA fürchten auch, dass die Installation des russischen Systems beim NATO-Partner die Sicherheit der eigenen Flugzeuge gefährdet. Washington richtete dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan wiederholt aus, der Vollzug des Rüstungsgeschäfts werde „negative Konsequenzen“ in Form von US-Sanktionen haben. Doch Erdogan hielt trotz aller Bedenken seiner Partner an dem Geschäft fest.
Experte: Rüstungsdeal ist „sicher keine Kleinigkeit“
Zu den russischen Waffenlieferungen an das NATO-Land Türkei hatte diese Woche auch Österreichs Brigadier Walter Feichtinger, Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement, Stellung bezogen. Demnach sei es das erste Mal, dass ein Land des westlichen Verteidigungsbündnisses „so ein entscheidendes Gerät wie ein modernes Raketenabwehrsystem“ nicht innerhalb der Allianz kaufe, sondern in Russland. Feichtinger sieht darin politisch eine Schwächung der NATO: „Da geht‘s ans Eingemachte.“
Das Gleichgewicht in der Schwarzmeerregion habe sich bereits bisher deutlich verändert, wies Feichtinger auf die Annexion der Krim durch Russland 2014 hin. In der Region habe die Sowjetunion zu Zeiten des Kalten Kriegs den Stützpunkt auf der Krim gehabt - „und die NATO als Südflanke die Türkei“. Das russische Raketenabwehrsystem für die Türkei sei in diesem Zusammenhang gesehen „sicher keine Kleinigkeit“.
„Russland geht es darum, die NATO zu schwächen“
Auf die Frage, ob erstmals ein NATO-Staat mit dem Kauf von Militärgerät aus Russland mit dem Feind kooperiere, meinte Feichtinger: „Das ist salopp formuliert. Es geht eigentlich um den geopolitischen Wettbewerb. Die Türkei versucht, ihre Eigenständigkeit darzustellen - nicht zum ersten Mal.“ Der Brigadier erinnerte an 2003, als die Türkei den USA verwehrt hatte, über ihr Territorium in den Irak einzumarschieren.
Dazu komme, dass es russische Ambitionen in der Region gebe, „weil Russland natürlich mit der Türkei einen Partner, wenn auch sicher noch nicht Verbündeten, haben kann und es darum geht, die NATO zu schwächen“.
Moskau will militärische Kooperation mit Ankara ausbauen
Am Freitag erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow zum S-400-Deal, dass Russland und die Türkei ihre vertraglichen Verpflichtungen in vollem Umfang erfüllen würden. Moskau sei auch dazu bereit, die militärisch-technische Zusammenarbeit mit Ankara auszubauen. Und der Duma-Abgeordnete Franz Klinzewitsch ergänzte, es gebe „noch zahlreiche weitere moderne Waffengattungen“ neben dem S-400-System, die für die Türkei von Interesse sein könnten.
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